Enthüllungen Die eigenartigen Geschäfte der Marseille Kliniken

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Hohe Mitarbeiter-Fluktuationen stärken Marseille

Die MK AG erklärte hierzu, der Konzern befinde sich in einer „Rekonstruktionsphase nach dem desaströsen Vorstandsverhalten von Herzberg und Klaue“.

Klaue erklärt hierzu: „Wer immer behauptet, eine hohe Fluktuation bei der MK AG beruhe auf meinem Wirken, der lügt!“ Er habe teilweise sogar schriftlich, „dass der Wunsch, die MK AG zu verlassen, nichts mit mir zu tun hatte“. Herzberg erklärt: Er habe seine Tätigkeit erst im „Februar 2011 begonnen, sodass ich wohl kaum der Grund für eine möglicherweise hohe Fluktuation hätte sein können“.

Ein Ex-Mitarbeiter der AG meint, dass die Fluktuation die Position von Ulrich Marseille festige. Wenn alle um ihn herum ständig wechselten, bleibe er der Einzige, der sich auskennt. Vielleicht ist das auch der Grund, warum Vorfälle wie die folgenden überhaupt möglich sind.

2009 stritt das Bauunternehmen Held Bau – an dem Estella-Maria Marseille beteiligt ist – mit einem Konkurrenten aus Halle, der zu einer türkischen Unternehmensgruppe gehört. Vor dem Landgericht Neuruppin schlossen beide Parteien einen Vergleich. Danach verpflichtete sich die Held Bau, von August 2009 an ein Jahr lang monatlich 132 822,97 Euro an den Konkurrenten zu zahlen.

Eigentlich wäre das Marseilles Privatproblem. Die Held Bau gehört nicht der MK AG. Doch interne Unterlagen legen den Verdacht nahe, dass das Problem zulasten des Konzerns gelöst wurde.

Die schlechtesten Managementleistungen 2011
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Von August 2009 an – also dem Monat, in dem die Held Bau den Vergleich schloss – überwies die MK AG mindestens neun Monate lang auf ein Konto der Held Bau bei der Hamburger Sparkasse exakt 132 822,97 Euro. Damals war Ulrich Marseille Aufsichtsrat des Konzerns. Unterlagen, aus denen das hervorgeht, liegen der WirtschaftsWoche vor.

Eine Zahlungsaufstellung wurde von einem MK-AG-Mitarbeiter abgestempelt und unterschrieben. Im Frühjahr 2010 hatte Ulrich Marseille – nachdem er noch mal für eineinhalb Jahre Vorstand wurde – dieses Dokument selbst unterschrieben und abgestempelt.

Letzte Zweifel, ob vielleicht die MK AG der Held Bau rein zufällig die gleiche Summe schuldete wie diese dem Bauunternehmer aus Halle, beseitigt die dazugehörige Zahlungsanweisung, die mit einem Notizzettel versehen war. Auf diesem hatte die Controllerin drei Worte notiert: „Vergleichszahlung türkische Baufirma.“ Die MK AG gibt hierzu keine konkrete Stellungnahme ab und verweist auf den Geschäftsbericht und darauf, dass dieses Thema „Gegenstand der Prüfung durch die zuständigen Abschlussprüfer gewesen“ sei.

„Sollte die Marseille Kliniken AG die Kosten für einen persönlichen Rechtsstreit ohne entsprechende Ausgleichsforderung übernommen haben, ist ihr ein Schaden entstanden“, urteilt Thomas Knierim, Rechtsanwalt für Wirtschaftsstrafrecht in Mainz.

Pflegedienst teuer gekauft

Wer dafür verantwortlich ist, wird sich nur schwer eruieren lassen. In jenem Geschäftsjahr wurden alle Vorstandsposten der MK AG einmal durchgetauscht. Sechs verschiedene Manager gaben sich die Staffel in die Hand. In jenem August 2009, als die Zahlungen begannen, war laut Geschäftsbericht mit Axel Hölzer nur eine Führungskraft an Bord. Der wollte sich zu dem Vorgang nicht äußern.

Wenn „Vorstände davon wussten, hätten sie den objektiven Tatbestand der Untreue erfüllt und könnten für einen Schaden der AG persönlich haftbar gemacht werden“, sagt Strafrechtler Knierim.

Das dürfte auch für einen weiteren Deal aus dem Marseille-Reich gelten. In Gera hat Ulrich Marseille die Florentinen Wohnanlage gebaut. Mehrere Unternehmen verdienen dort ihr Geld, zum Beispiel die im Besitz der Familie Marseille befindliche DL Immobilienverwaltung KG als Vermieter altengerechter Wohnungen und Estella Marseilles Allgemeine Ansgar Pflegedienste (AAP), die Bewohner bei Bedarf pflegen soll.

Nun wollte Familie Marseille die AAP im Sommer 2010 an die MK AG verkaufen. Das hatte von vornherein ein G’schmäckle: Ulrich Marseille war damals Vorstand bei der MK AG, Geschäftsführer der Verkäuferin – eine Gesellschaft namens TTVS – sowie der AAP. Er vertrat also alle Parteien.

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