Hauptstadtflughafen BER Jetzt soll ein Beamter den Berliner Flughafen retten

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Der Stadtentwickler aus Leipzig

Der neue Job mache ihm aber Freude, schiebt er hinterher, denn er sei „ein operativer Mensch“. Gleich nach der Promotion Ende der Achtzigerjahre geht er in die Berliner Senatsverwaltung. 1995 wird Lütke Daldrup Beigeordneter für Stadtentwicklung und Bau in Leipzig, mit 39 Jahren der damals jüngste einer deutschen Großstadt.

Hier erlernt der SPD-Mann die Kunst, zu drängeln und zu bitten, im Notfall durchzudrücken. Er managt Leipzigs Olympiabewerbung und die Ansiedlung eines BMW-Werkes. Seither hat er einen Spitznamen: „Drängelbert“.

Einen Drängler könnte der BER wahrlich gebrauchen. Auch im Jahr sechs nach der geplatzten Eröffnung des Berliner Großflughafens Willy Brandt ist die Baustelle weit entfernt von ihrer Fertigstellung. Zwar sind von 3000 potenziellen Risiken, die noch 2014 in den Büchern standen, 2970 abgearbeitet. Die restlichen 30 aber sind so gravierend, dass der BER-Chef sich nicht in der Lage sieht, vor Ende des Jahres einen verbindlichen Eröffnungstermin zu nennen. Kaum einer glaubt, dass der BER noch 2019 öffnet. Erst kürzlich tauchten wieder interne Unterlagen auf, die diese Lesart bestätigen. Als realistisch gilt nun 2020.

Wie es am Pannen-Airport derzeit aussieht
Christian Schlesiger (l), Karsten Mühlenfeld (r) Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche
Sitzbänke unter Plastikplanen Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche
Kabel Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche
Karsten Mühlenfeld Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche
Kunst im Berliner Flughafen. Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche
Duty-Free-Bereich Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche
Check-In-Schalter von Air Berlin. Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche

Seit über zwei Monaten verhandelt der neue Chef mit den fünf großen Baufirmen Siemens, Bosch, T-Systems, Caverion und ROM über verbindliche Terminzusagen. Das allein zeigt, wie verfahren die Lage ist. Derzeit passiert auf der Baustelle kaum etwas, außer sommerlichen Schuldzuweisungen: Solange die Türen nicht eingebaut sind, will Siemens keine verbindliche Verantwortung für die Steuerung der Entrauchungsanlage übernehmen. Solange die hydraulischen Berechnungen für die Wasseranlage mit 78.000 Sprinklerköpfen fehlen, will keiner die Garantie für den Einbau der Wasserrohre abgeben.

„Die Verhandlungen dazu sind teilweise schwierig und sehr komplex. Aber wir kommen dem Ziel schon näher“, sagt der Chef – das Maximum an Optimismus, zu dem sich Lütke Daldrup hinreißen lässt.

Ähnliches hatten allerdings auch schon seine Vorgänger gesagt. Und damals hätte er sie für solche Aussagen an den Pranger gestellt. Bevor er im März Chef des BER wurde, war Lütke Daldrup Flughafenkoordinator für Berlin. Das Land ist, ebenso wie Brandenburg, mit 37 Prozent an den Berliner Flughäfen beteiligt. Der Rest gehört dem Bund.

Lütke Daldrup saß im Aufsichtsrat und galt als verlängerter Arm von Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD). Während der schwieg, sprach Lütke Daldrup. Er habe „erbarmungslos auf Mühlenfeld rumgehackt mit dem Ziel, dass Müller nicht verantwortlich ist“, sagt ein Aufsichtsrat. Immer wieder, wenn die Presse Böses über Müller schrieb, schickte sein Aufseher wütende Briefe an Mühlenfeld, drängte ihn dazu, bis zum Mai 2017 einen Eröffnungstermin zu nennen.

Preussisch grau Der Exbeamte Lütke Daldrup soll den BER an den Start bringen

Heute fallen ihm solche Wünsche auf die Füße. Den Mai-Termin hat ja auch er längst gerissen. Er sei nicht nur „objektiv unter Druck“, er setze sich „auch selbst unter Druck“, berichtet ein langjähriger Wegbegleiter. Lütke Daldrup sei aber auch „ein schlauer Mann, ein Intellektueller“, sagt ein Aufsichtsrat. „Ich schätze seine analytischen und strategischen Fähigkeiten.“ Ein Chef müsse ja „nicht jeden Nagel selbst einschlagen“. Dennoch habe er das Gefühl, dass Lütke Daldrup „Angst hat zu scheitern“. Für ein Gehalt von rund einer halben Million Euro erwarten die Aufseher offenbar mehr Coolness – und Ergebnisse.

Um die zu bekommen, hat der Exbeamte gleich die Axt angelegt. Die Unternehmensberatung Roland Berger warf er hochkant raus. Außerdem hat er die Gesellschaft neu strukturiert. „Das alte Organigramm zeigte einige Strukturprobleme“, sagt Lütke Daldrup – dessen Sinn hatte sich ihm nicht erschlossen. Auch die alle drei Monate erscheinenden Fortschrittsberichte hat er eingestellt. Lütke Daldrup lässt stattdessen noch mal alle Risiken auf ihre Eintrittswahrscheinlichkeit durchrechnen. Etwas, dass man normalerweise am Beginn eines Bauprojekts macht.

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