Inkasso und Insolvenzen Weniger Unternehmen gehen pleite

Die Zahl der Insolvenzen ist im ersten Halbjahr weiter gesunken, auch die Zahlungsmoral ist laut einer Umfrage so gut wie nie. Doch ein Ereignis könnte den Trend bald umkehren – der Brexit.

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German Pellets war eine der wenigen Großpleiten im ersten Halbjahr 2016. Quelle: dpa

In Deutschland ist die Zahl der Pleiten im ersten Halbjahr 2016 weiter gesunken. Bei insgesamt 60.500 Insolvenzen ergab sich ein Rückgang um 5,3 Prozent im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum, berichtete die Wirtschaftsauskunftei Creditreform am Mittwoch in Düsseldorf.

Dabei machte sich die gute Konjunktur in einem besonders deutlichen Minus bei den Unternehmensinsolvenzen bemerkbar, deren Zahl um 6,8 Prozent auf 10.750 Fälle sank. Dem standen 307.000 Unternehmensgründungen gegenüber.

Der Großteil der Insolvenzen entfällt weiterhin auf Verbraucher – aber auch dieser Wert ist rückläufig. Die Creditreform weist hier ein Minus von 5,1 Prozent auf 38.250 Fälle aus. Hier wirkten sich steigende Beschäftigung und Einkommen positiv aus – private Überschuldung ist aber weiter ein verbreitetes Problem in Deutschland.

In welchen Branchen die Zahlungsmoral schlecht ist

Auch im laufenden Jahr richteten Pleiten wieder Schäden in Milliardenhöhe an. Die nicht beglichenen Forderungen summierten sich in den ersten sechs Monaten auf 11,8 Milliarden Euro. Rund 110.000 Beschäftigte waren von der Insolvenz ihres Arbeitgebers betroffen. Vor allem bei Unternehmen mittlerer Größe und jüngeren Unternehmen sind laut Creditreform erneut viele Stellen gefährdet.

Junge Kleinstbetriebe sind besonders gefährdet

Besonders anfällig sind nach der Statistik Kleinstbetriebe, sprich Start-ups. Der Anteil der Rechtsform Unternehmergesellschaft (UG haftungsbeschränkt), die bei kleinen Unternehmen beliebt ist, am Insolvenzaufkommen ist auf 8,4 Prozent gestiegen – im ersten Halbjahr waren es noch 7,5 Prozent. Zudem seien Rechtsformen, die auf Klein- und Kleinstunternehmen hindeuten, weiterhin am stärksten betroffen.

Warum Unternehmen schlecht zahlen

Das lässt sich auch in anderen Auswertungen der Insolvenzstatistik sehen: 66 Prozent der Insolvenzfälle hatten einen Jahresumsatz von weniger als 500.000 Euro, vier von fünf zahlungsunfähigen Unternehmen haben höchstens fünf Mitarbeiter.

Außerdem sei die Insolvenzanfälligkeit in den ersten Jahren nach der Gründung besonders hoch, so Creditreform. Der Anteil der Großinsolvenzen, also Unternehmen, die Umsätze von über 25 Millionen Euro erzielen, blieb deutlich unter 1,0 Prozent. Zu den Großpleiten der zurückliegenden Monate zählen unter anderem das Modeunternehmen Steilmann sowie der Brennstoffhersteller German Pellets.

Junge Schuldner stehen vor allem bei Onlinehändlern in der Kreide

Eine Begründung für den Rückgang der Insolvenzen liefert eine ebenfalls am Mittwoch veröffentlichte Umfrage. Wie der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) berichtet, sei die Zahlungsmoral in Deutschland so gut wie noch nie. 90 Prozent der Mitgliedsunternehmen hätten angegeben, dass Rechnungen jetzt genauso gut oder besser bezahlt würden als vor einem halben Jahr.

"Der Konjunkturmotor läuft prächtig und versorgt die Firmen mit Liquidität, nicht zuletzt dank der guten Binnennachfrage", so BDIU-Präsidentin Kirsten Pedd. Durch den Brexit hätten sich die Aussichten verschlechtert. "Großbritannien ist einer unserer wichtigsten Handelspartner. Die Brexit-Folgen werden die Unternehmen zwar nicht sofort spüren. Aber wir befürchten, dass im kommenden Jahr die Zahl der Insolvenzen wieder ansteigt – und das wird auch die Zahlungsmoral wieder verschlechtern."

Warum Verbraucher schlecht zahlen

Aktuell sei vor allem die B2B-Zahlungsmoral "hervorragend". Sie habe sich noch einmal verbessert. Im B2C-Geschäft dagegen gibt es manche Probleme. Welche Branchen besonders unter der Zahlungsmoral der Verbraucher leiden, lesen Sie hier:

Problematisch ist nach Erfahrung der Inkassounternehmen, dass viele Privatschuldner über zu wenig Finanzwissen verfügen. "Vor allem junge Erwachsene im Alter von 18 bis 24 Jahren nehmen Zahlungsverpflichtungen gerne mal auf die leichte Schulter", so BDIU-Vizepräsidentin Marion Kremer.

"Oft sind es Konsumschulden, über die wir dann sprechen müssen." Junge Schuldner stehen vor allem bei Onlinehändlern in der Kreide (87 Prozent der Umfrageteilnehmer melden das) sowie bei Telekommunikationsunternehmen (85 Prozent). Jeweils 60 Prozent nennen Fitnessstudios und Versandhändler. Bei Erwachsenen und älteren Schuldnern stehen Verbindlichkeiten gegenüber Banken- und Kreditinstituten an erster Stelle.

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