Lufthansa Tarifkonflikt Für die Passagiere bedeutet die Einigung nichts Gutes

Lufthansa und ihren Piloten haben sich in der Schlichtung auf höhere Gehälter geeinigt. Doch ein Ende der Auseinandersetzung ist offenbar erst dann in Sicht, wenn die Flugzeugführer zermürbt sind und Abstriche machen.

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Ein Pilot der Lufthansa Quelle: dpa

Wenn Deutschlands Vielflieger seit 2014 auf einen Moment gewartet haben, dann auf den heutigen Nachmittag. Um 13.30 Uhr informierte die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC), dass ihre Tarifkommission im Arbeitskampf mit der Lufthansa die Empfehlung des Schlichters über eine Gehaltserhöhung annimmt. Nach der mit 14 Ausständen wohl größten Streikrunde der europäischen Flugbranche schrauben damit die Piloten ihre Ansprüche zurück und begnügen sich nun mit einem Gehaltsplus von 8,7 Prozent verteilt auf die Jahre 2016 bis 2019 – gefordert hatten sie ursprünglich mal 20 Prozent.

Doch so gut die Nachricht klingt, Freude wäre voreilig. Denn die Einigung heute löst zwar mit den Pilotengehältern den offensichtlichsten Tarifkonflikt der Lufthansa. Doch sie bringt Europas umsatzstärkste Fluglinie dem Betriebsfrieden keinen Schritt näher.

Nicht nur dass es weiterhin offene Streitpunkte gibt - etwa den Manteltarifvertrag zu Arbeitsregeln oder die Übergangsversorgung falls Piloten aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig in den Ruhestand gehen. Deren Lösung ist heute ein deutliches Stück schwerer geworden. "Eine Eskalation, wie sie sich nun abzeichnet, gefährdet den von Lufthansa bisher so erfolgreich eingeschlagenen Weg der Konsolidierung und das völlig unnötig", so Nicoley Baublies, Vorstand für Tarifpolitik bei der für das Kabinenpersonal zuständigen Gewerkschaft UFO.

Immer wieder Streiks bei Lufthansa und ihren Töchtern

Und der Gewerkschafter, der seine Klientel auf die nötigen Kompromisse mit der Lufthansa einschwor, stimmt alle Passagiere auf weiterhin unruhige Zeiten ein. „Die VC ist mit anderen Tarifverträgen weiterhin kampffähig und kann umgehend auf diese Kampfansage der Lufthansa mit weiteren Streiks reagieren.“ Um dem vorzubeugen beenden, fordert Baublies nun eine spontane Sondersitzung des Lufthansa Aufsichtsrats. Dort sollen die Vertreter von Belegschaft und Aktionären „mit dem Konzernvorstand besprechen wie ein möglicher Schaden aller Stakeholder des Konzerns vermieden werden kann.“

Auslöser der Tirade war eine überraschende Nebenbedingung der Lufthansa, als sie heute Mittag die Schlichtung annahm. Weil ihr das Ergebnis rund 85 Millionen Euro höhere Lohnkosten beschert, will sie anderswo sparen. Dafür sollen 40 Flugzeuge nebst Besatzung, die eigentlich für die Marke Lufthansa gedacht waren, nun außerhalb des Konzerntarifvertrags (KTV) fliegen. Wie diese Plattform genau aussieht, steht noch nicht fest. Klar ist nur, dass mit den 40 Fliegern nicht weniger als gut 800 der bislang 5400 Pilotenstellen aus dem KTV hinaus wandern. Das wäre nicht weniger als jeder siebte Flugzeugführer. „Offenbar hält Lufthansa die bösen Piloten für das Grundübel und will uns um jeden Preis kleinkriegen“, so ein Pilot. „Nun müssen wir uns wirklich wehren.“

Die hitzigen Äußerungen zeigen: eine Lösung des Konflikts ist schwerer denn je.

Lufthansa vs. Piloten bleibt ein Zermürbungskampf

Lufthansa kann schlecht nachgeben. Sonst gefährdet sie ihre Sparziele und damit die Einkünfte für nötige Investitionen in moderne Flugzeuge und die anstehenden Preiskämpfe in der beginnenden Krise der Branche. Und selbst wenn sich die Piloten etwas bewegen, hilft das wenig. Will Spohr wirklich die Kosten in einem Ausmaß drücken, dass die Lufthansa im Fluggeschäft mit den deutlich effizienteren Billigfliegern oder den Gesellschaften aus den USA und Asien mithalten kann, braucht er mehr als niedrigere Gehälter. Er muss das ganze Fluggeschäft neu denken. Denn nur so kann er die Kosten in einem Ausmaß drücken, dass die Lufthansa im Fluggeschäft mit den deutlich effizienteren Billigfliegern oder den Gesellschaften aus den USA und Asien mithalten kann.

Dafür hat Spohr in den vergangenen zwei Jahren bereits in den Teilen mit weniger mächtigen Gewerkschaften als die VC den jahrzehntelangen Reformstau bei seinem Arbeitgeber überwunden und mit Programmen für Innovation und Digitalisierung viel Neues angestoßen. Doch noch gelten im Fluggeschäft weitgehend die alten Regeln. Das zu ändern geht in der angedrohten neuen Gesellschaft leichter als mit ständigen Reparaturen an der alten.

Somit bleibt am Ende nur eine Möglichkeit: die Flugzeugführer müssen im großen Stil Abstriche machen. Das fällt ihnen freilich extrem schwer. Schon bisher hatte die VC hier einen grundlegenden Interessenkonflikt bei der Frage mehr Geld oder mehr Jobs.

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Lufthansa Airbus A350 Quelle: Lufthansa
Lufthansa Airbus A350 Quelle: Lufthansa
Lufthansa Airbus A350 Quelle: Lufthansa
Lufthansa A350 Quelle: Lufthansa
Lufthansa Airbus A350 Quelle: Lufthansa
Lufthansa Airbus A350 Quelle: Lufthansa
Lufthansa Airbus A350 Quelle: Lufthansa

Ihre Nachwuchspiloten nehmen gerne einen Gehaltsabstrich in Kauf, wenn sie dafür endlich ihren Platz im Cockpit bekommen. Immerhin haben sie in ihre Ausbildung viel Zeit und immer öfter auch viel Geld investiert. Und am Ende sind auch abgemagerte Lufthansa-Bedingungen oft besser als etwa bei Billigfliegern wie Ryanair, die Anfänger statt fester Jobs nur indirekte Beschäftigung über Personalagenturen anbieten.

Den langedienten Flugzeugführern hingegen ist mehr Geld lieber. Denn bei betriebsbedingten Kündigungen sind sie als letzte an der Reihe.

Nun hat Spohr die bröckelnde Front seiner wichtigsten Angestelltengruppe mit seinem brachialen „Friss oder Stirb“ beim neuen Leichtlohnableger sicher unfreiwillig geeint. Die fast neun Prozent Gehaltsplus innerhalb von vier Jahren sind unter dem gesamtwirtschaftlichen Schnitt und wirken damit bereits wie ein Opfer. Dazu gefährdet der harte Kurs nun auch den guten Willen der bislang vergleichsweise kompromissbereiten Kabinengewerkschaft UFO und anderer.

Doch überrascht haben kann Spohrs Ankündigung einer neuen alternativen Plattform keinen und schon gar nicht die Piloten. Seine Personalchefin Bettina Volkens mag es in der beendeten Schlichtung nicht deutlich angesprochen haben. Doch eine solche Kompensation für eine Gehaltsrunde hatte Konzernchef Carsten Spohr schon mehrfach vorher angekündigt und dafür eine neue Untergesellschaft im Fluggeschäft ins Spiel gebracht. Denn am Ende gibt es keine Alternative dazu, dass Lufthansa in allen Bereichen sparen muss. Auch beim Personal.

Für die Passagiere bedeutet das alles nichts Gutes. Wenn erstmal keine Seite nachgeben kann, bleibt der Konflikt Lufthansa vs. Piloten weiterhin ein Zermürbungskampf. Und das bedeutet weitere Streiks.

Der einzige Hoffnungsschimmer ist nun, dass nun auch Ultra-Billigkonkurrenten wie Ryanair und Wizz in Frankfurt unter den Augen der Belegschaft herumfahren. Je mehr Flüge statt mit einem Kranich am Heck mit der irischen Harfe oder dem grellen Pink am Leitwerk starten, umso leichter fällt es vielleicht den Piloten, sich trotz allem ins Unvermeidliche zu fügen.

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