Medikamentenmangel So stark erhöhen Onlineapotheken ihre Preise für Hustenlöser, Grippemittel & Co.

Medikamente wie Hustensaft, Lutschtabletten und Salbe stehen auf einem Tisch in einer Wohnung. Quelle: dpa

Die vorweihnachtliche Infektionswelle bringt das Gesundheitswesen ans Limit. Bei bestimmten Arzneimitteln stockt der Nachschub – und bei Onlineapotheken steigen die Preise für viele Medikamente, zeigen exklusive Daten.

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Nicht nur bei klassischen Apotheken sind Fiebermedikamente und andere Arzneimittel derzeit Mangelware. Auch im Onlinehandel sind zahlreiche Erkältungsprodukte vergriffen. Zudem sind die Online-Verkaufspreise klassischer Husten- und Erkältungsmedikamente seit November um durchschnittlich acht Prozent gestiegen. Das zeigt eine exklusive Auswertung des Stuttgarter Unternehmens XPLN (Price Intelligence).

Der auf das Preismonitoring im Onlinehandel spezialisierte Dienstleister erfasst und analysiert täglich für zig Tausende Produkte die Preise und Verfügbarkeiten auf den verschiedenen E-Commerce-Plattformen sowie für Onlineapotheken. Für die WirtschaftsWoche haben die Datenexperten die Preisentwicklung typischer Erkältungsmedikamente unter die Lupe genommen, die in Onlineapotheken frei verkäuflich angeboten werden.

Die Entwicklung ist eindeutig und hat fast schon Lehrbuchcharakter: Das Angebot sinkt, die Preise steigen. So sind in den großen Onlineapotheken deutlich weniger Halsschmerzmittel angeboten als noch im November. Der Durchschnittspreis ist dagegen um 12 Prozent gestiegen. Im Schnitt 18 Prozent mehr kosten inzwischen Hustenlöser. Ebenfalls teurer geworden sind Einreibungen (+14 Prozent) sowie Schnupfenmittel (+11 Prozent).



Derzeit sorgen neben Corona die Grippe sowie bei Kindern RS-Viren für viele Atemwegserkrankungen. Vor diesem Hintergrund gab es zuletzt Lieferschwierigkeiten bei Kindermedikamenten wie Fieber- und Hustensäften. Auch Mittel für Erwachsene sind betroffen. Ärztepräsident Klaus Reinhardt forderte die Deutschen bereits auf, „Flohmärkte“ für Medikamente aufzumachen, um einander mit Arznei auszuhelfen. Die Apotheken wandten sich dagegen strikt gegen Ideen zu „Nachbarschafts-Flohmärkten“ für Medikamente.

Das Ende der „Discounter-Politik“

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach setzt dagegen an anderen Stellschrauben an. „Dass man in Deutschland nur schwer einen Fiebersaft für sein Kind bekommt, der im Ausland noch erhältlich ist, ist inakzeptabel“, sagte er. Daher solle die Preisgestaltung bei Kinderarzneien radikal geändert werden. „Wenn zum Beispiel die jungen Patientinnen und Patienten auf teurere Medikamente ausweichen müssen, sollen die Krankenkassen künftig deutlich mehr Kosten als heute übernehmen. Das wird kurzfristig für mehr Angebot bei Kinderarzneimitteln sorgen.“

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Generell soll die Medikamentenversorgung besser abgesichert werden, auch gegen Probleme bei Lieferungen aus Asien und Abhängigkeiten von einzelnen Anbietern. Den Kassen soll zunächst für Krebsmedikamente und Antibiotika eine „Standortberücksichtigung“ bei Ausschreibungen vorgegeben werden. In einem zusätzlichen Teil ergänzend zur Vergabe nach dem Preis sollen sie einen Zuschlag nach dem Kriterium „Anteil der Wirkstoffproduktion in der EU“ erteilen. Das solle dafür sorgen, dass zuverlässigere europäische Hersteller bevorzugt werden, erläuterte Lauterbach. Für bestimmte Mittel soll auch vorgesehen werden, dass sie über mehrere Monate auf Lager zu halten sind.

Umgesetzt werden sollen die Pläne im neuen Jahr. Lauterbach sagte, eine „Discounter-Politik“ habe die Versorgung kontinuierlich über Jahrzehnte verschlechtert. „Das zurückzudrehen, geht nicht über Nacht.“ 

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