Quick-Commerce Schnell-Lieferdienste leiden unter dem „Einkaufsscham“-Effekt

Die Luft ist raus bei Quick-Commerce-Anbietern wie Flink Quelle: imago images

Der Schnelllieferdienst Gorillas steht offenbar vor einem Verkauf. Die Nachricht kommt wenig überraschend: Das Geschäftsmodell Quick-Commerce funktioniert nicht. Ein Kommentar.

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Meine letzte Bestellung bei Gorillas ist fast ein Jahr her. Bei Flink wartet seit Monaten ein noch nicht abgeschlossener Warenkorb in Höhe von 11,45 Euro auf Finalisierung. Ich erinnere mich, dass mir die Liefergebühr in Höhe von 2,99 Euro am Ende doch zu hoch war, um Schweppes Tonic Zero, Paprika im Dreier-Mix aus den Niederlanden und Baguette-Brötchen „Le Petit“ zu ordern. Und die Getir-App? Die habe ich vor Monaten aus Ärger gelöscht, weil mir die Push-Nachrichten Rabatte versprachen, die ich gar nicht einlösen konnte.

Die Quick-Commerce-Anbieter haben in meinem Leben keine Bedeutung mehr. Dabei war ich anfangs euphorisiert, Lebensmittel innerhalb von nur zehn Minuten geliefert zu bekommen. Ich habe die Wege der Fahrer über die Apps verfolgt und Freunden und Familie vorgeschwärmt. Doch die anfängliche Begeisterung ist verflogen. Ich bestelle heute nur noch Großeinkäufe online bei Rewe oder gehe zum Supermarkt um die Ecke.

Und offenbar geht es nicht nur mir so. Die Luft ist raus bei den Quick-Commerce-Anbietern. Und so überrascht die Meldung auch nicht, dass Gorillas derzeit über einen Verkauf an den türkischen Konkurrenten Getir nachdenkt. Die Start-ups retten sich in die Konsolidierung, solange die Investoren noch nicht gemerkt haben, dass das Geschäftsmodell nicht funktioniert. Denn dafür gibt es viele Gründe – ich nenne drei:

  1. Der Einkauf ist zu teuer. Ausgerechnet dort, wo die Unternehmen präsent sind, gibt es gute stationäre Alternativen. Aber Käufe im Kiosk oder beim Späti passen in der Regel in zwei Hände: die Flasche Bier, die Tüte Chips, das Päckchen Kaugummi. Für Quick-Commerce-Anbieter sind solche Mini-Einkäufe allerdings verheerend, weil sie sie auch noch liefern müssen. Sie führen Liefergebühren oder Mindestbestellsummen ein. Doch das widerspricht dem Wesenskern der kleinen Kioskbestellung im Netz. Den Nutzern wird der Einkauf zu groß und zu teuer. Und schon ist der Kiosk die bessere Alternative.
  2. Schnelligkeit ist kein Nutzerbedürfnis. Nur selten kommt es vor, dass eine Party so ausartet, dass der Biervorrat zur Neige geht und eine Quick-Bestellung bei Flink, Gorillas oder Getir Nachschub sichern muss. Der fehlende Würfel Frischhefe oder die Tiefkühlpizza wäre auch schnell genug da, wenn es eine Stunde dauert. Hinzu kommt die „Einkaufsscham“: Soll ich einen Fahrer wirklich für eine Tüte Chips durch den Regen locken? Schon allein deshalb verzichten Leute auf die Mini-Lieferung.
  3. Die City-Logistik verbrennt die Einnahmen. Man hat einige Lager in Berlin kommen und gehen sehen. Verlassene Sparkassen-Filialen wurden einst zu Gorillas-Lagern umgebaut – und dann wieder geschlossen. Mitunter stören sich die Nachbarn an den ausgelassenen Unterhaltungen der unausgelasteten Fahrer in der Warteschleife. Was schon auf das nächste Problem hinweist: Das Geschäft ist personalintensiv. Denn wenn es schnell gehen muss, braucht man viele Fahrer. Mitunter dürften darüber hinaus die Kosten für die exklusiven Innenstadtlagen aus dem Ruder laufen. Die Umsätze müssten massiv wachsen – doch siehe oben: Warum sollten sie das tun?

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