Russlands größter Restaurant-Betreiber Vom Bergmann zum russischen McDonald’s-Zar

Alte McDonalds-Filiale in Moskau von russischem Unternehmer neu eröffnet. Quelle: dpa Picture-Alliance

Mit dem Rückzug von McDonald’s schien in Russland eine Ära zu Ende zu gehen. Für den Unternehmer Alexander Govor ist es wohl die Chance seines Lebens. Sein einziges Problem: die Sache mit Coca-Cola.

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Ein Mann der großen Worte ist Alexander Govor nicht. Und wenn die Weltpolitik und Putins Angriffskrieg auf die Ukraine sein Leben nicht auf den Kopf gestellt hätten, würde er an diesem Sonntag mit Sicherheit nicht im Rampenlicht stehen. „Ich habe noch nie vor so vielen Presseleuten gesprochen“, entschuldigt sich der 62-Jährige vor Journalisten in der ehemaligen McDonald’s-Filiale direkt am Puschkin-Platz im Herzen Moskaus.

Bis zum Kreml ist es von hier ein Spaziergang von 20 Minuten. „Es ist ein historischer Ort“, sagt Govor und erinnert gleich an den McDonald’s-Start vor 32 Jahren in den selben Räumlichkeiten. Stundenlang hatten sich die Sowjetbürger damals für einen BigMac bei der Eröffnung der ersten McDonald’s-Filiale angestellt. Begeisterte Moskauer Jugendliche erklärten Reportern des damals kaum noch zensierten Staatsfernsehens, dass sie die Amerikaner nun nicht mehr für wild und böse halten, „wo sie doch so ein hübsches Restaurant in Moskau aufmachen“.

Vor wenigen Wochen schien sich der Kreis nun zu schließen, als der Fast-Food-Konzern seine Segel in Russland strich und sich wie rund 750 andere internationale Unternehmen aus Russland zurückzog. Nach drei Jahrzehnten herrschte zwischen Ost und West wieder Eiszeit. Doch für Govor war das die Gelegenheit seines Lebens. Als Franchisenehmer von McDonald’s hatte er seit 2015 eine Kette aus 25 Filialen in Sibirien aufgebaut. Für einen symbolischen Kaufpreis sicherte sich Govor nun auch die restlichen 800 Filialen der Kette. Innerhalb weniger Wochen stieg er somit zum größten Restaurant-Unternehmer in Russland und Europa auf.

Der russische Unternehmer Alexander Govor Quelle: REUTERS

Dabei hatte Govor eigentlich seine Karriere in einer ganz anderen Branche gestartet. Als einfacher Bergmann arbeitete er sich in seiner Heimatstadt Novokuznetsk bis zum Direktor eines Bergwerks hoch. Bis der Kapitalismus in Russland Einzug hielt. Die wirtschaftliche Wende ebnete nicht nur McDonald’s den Weg in die Sowjetunion, sondern katapultierte auch Govor von einem Sowjetmanager zum Großaktionär eines einträglichen Unternehmens. Das Geschäft lief gut, in den 2000er Jahren spülten steigende Kohlepreise Millionen Dollar in Govors Kasse. Bis ins Frühjahr 2007, als eine Methan-Explosion in Govors einstigem Stammbergwerk 38 Männer tötete.

Auf Drängen der Regionalregierung verkaufte Govor seine Anteile an den Metallkonzern Evraz für etwa 250 Millionen Euro. Nur ein Großkonzern könne die Sicherheit der Bergleute garantieren, glaubten die Beamten. Das Geld investierte der Russe, der sich als Patriot Sibiriens bezeichnet, nicht etwa in Luxusimmobilien und Yachten, sondern in ein verzweigtes Firmenimperium. Dazu gehören etwa ein Ölverarbeitungsbetrieb, mehrere Hotels, eine Tankstellenkette und mehrere private Kliniken. Sein jüngstes Investment war das McDonald’s-Franchise, das der Sibirien-Fan um jeden Preis erhalten wollte.

Anfang März saß der Russe in einem Video-Call: In der Leitung die McDonald’s-Chefs aus London, und Manager aus der Russland-Zentrale. Russlands Panzer rollten gerade noch auf Kiew zu und aus London gab es rotes Licht: Das Geschäft in Russland, mit mehr als 800 Filialen und fast 1,5 Milliarden Euro Umsatz, sollte vor dem Hintergrund der Sanktionen auf Eis gelegt werden. Anders als etwa in Europa hat der Fast-Food-Konzern in Russland etwa 90 Prozent der Filialen auf eigene Faust und nicht mit Partnern betrieben. Govors sibirische McDonald’s-Exklave war eine Ausnahme. „Ich kann keine Sanktionen gegen mein Land und meine Kunden einführen, ich werde weiter arbeiten“, erinnert sich Govor an seine trotzige Antwort in einem Interview mit dem russischen „Forbes“-Magazin. Eine Haltung, die ihm durchaus Sympathien in Russlands Finanz- und Wirtschaftsministerium einbrachte. Beide Ressorts haben die McDonald’s-Übernahme von Anfang an eng begleitet, heißt es in Branchenkreisen.

Knapp drei Monate nach diesem Telefonat redet Govor nun vor Presseleuten, Bloggern und ersten Kunden in der ersten frisch eröffneten McDonald’s-Kopie in Moskau. Die Kette heißt nun „Lecker und Basta“. Das gelbe M ist aus dem Logo verschwunden. Die neuen Firmenfarben sind grün und orange. „Es wird auf jeden Fall nicht schlechter als früher“, sagt Govor etwas unbeholfen, bevor die ersten Gäste zur Kasse gebeten werden. Russlands Wirtschaftsministerium, heißt es aus Govors Umfeld, habe auf die Eröffnung am 12. Juni, dem russischen Nationalfeiertag, gedrängt. Und brachte den Unternehmer in Zeitnot.

Tatsächlich wirkt vieles improvisiert an diesem Tag. In Mitarbeiter-Chats auf Telegram posteten Angestellte der neuen russischen Kette, wie sie mit Sandpapier das McDonald’s-Logo von den Tabletts schrubbten und mit Filzstiften das gelbe M auf den Soßen übermalten. Gleichwohl schmecken Burger und Pommes noch genauso wie im Original. Eine Überraschung ist das nicht, denn so gut wie alle Zulieferer sind bei der McDonald’s-Übernahme mitgezogen. Salate, Fleisch, Brötchen, Soßen und Pommes kamen von russischen Lieferanten.

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Einzig Coca-Cola liefert nun keinen Sirup mehr für seine Brause, weshalb die Limo in Flaschen verkauft wird, bis ein neuer Getränkepartner gefunden ist. Und auch die Klassiker BigMac sowie das McFlurry-Eis sind aus dem Menü verschwunden. McDonald’s habe beim Verkauf darauf bestanden, da diese Produkte zu sehr mit der ursprünglichen Marke assoziiert würden.

Über den Sommer verteilt will die neue Kette nun pro Woche bis zu 50 alte Filialen unter der neuen Marke aufmachen. Später sollen auch neue Standorte dazukommen. Doch auch für die alten Eigentümer hält der neue Eigentümer die Tür einen Spalt weit offen. Der Kaufvertrag mit McDonald’s sieht für die Amerikaner eine Rückkauf-Option für die nächsten 15 Jahre vor. Allerdings mit der Bedingung, dass Govor dann zum alleinigen Franchise-Nehmer wird.

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