Die gute medizinische Versorgung einer Großstadt hat ihren Preis: In Offenbach am Main liegt der bei einem Euro. Dafür bangen jetzt 2300 Mitarbeiter nach dem Verkauf des städtischen Klinikums um ihre Jobs, Rentenzusagen oder Tarifzugehörigkeiten. Die Stadt hat ihren Einfluss auf das Klinikum verloren und die Geschäftsführerin soeben hingeschmissen.
Am 1. Juli verhökerte die Stadt nach 150 Jahren ihre fachlich angesehene Klinik für den symbolischen Preis an die private Klinikkette Sana, um das Haus vor der drohenden Pleite zu retten. Dabei übernahm das verschuldete Offenbach Altkredite und neue Verpflichtungen in Höhe von mindestens 250 Millionen Euro. Das war Sanas Bedingung. Das Hospital trägt in der Branche jetzt den Titel "schwierigster Sanierungsfall der Republik".
Spezialisierte Kliniken sind meist profitabler
Ein Grund für Fälle wie Offenbach: "2012 haben 46 Prozent der Allgemeinkrankenhäuser mit einem Defizit abgeschlossen", warnte kürzlich Josef Düllings, Präsident des Verbands der Krankenhausdirektoren Deutschlands. Gerade mal elf Prozent erreichten die nötige Umsatzrendite von vier Prozent. Wohlgemerkt: Mit der Qualität des Medizinbetriebs hat das selten zu tun. "Nur eines von zehn Häusern kann aus eigener Kraft überleben", urteilt Düllings. Auch die Größe ist dabei nicht entscheidend: Oft sind kleine spezialisierte Kliniken profitabler.
Übernahmen und Fusionen unter den 2000 deutschen Krankenhäusern sind zurzeit en vogue. Denn auch wenn es nicht immer so aussieht: Man kann mit Kliniken Geld verdienen. So schaffen die Privaten mehr als die doppelte Umsatzrendite als die Konkurrenz (siehe Grafik).
Deswegen kämpfen Politiker, Unternehmen, Kirchen und Kommunen mit harten Bandagen um den 90 Milliarden Euro schweren Markt mit Hüft-OPs, Kaiserschnitten oder Nierentransplantationen. Krankenhäuser werden zum Spekulationsobjekt: Jeder neue Betreiber hofft darauf, anders als sein Vorgänger mit dieser Klinik Geld zu verdienen.
Tricksen und Bluffen
Bei Übernahmen tricksen und bluffen alle Beteiligten. Kommunen fädeln Fusionsgespräche mit Klinikketten ein und brechen sie wieder ab. Die Privatisierungsdrohung soll dann nur die Klinik-Belegschaft geschmeidig für die eigenen harten Sanierungseinschnitte machen.
Stichwort Privatklinik
Private Klinikketten erwirtschaften eine mehr als doppelt so hohe Rendite wie kommunale und freigemeinnützige Träger. Dank ihrer Nachfragemacht können Konzerne wie Helios oder Sana bessere Rabatte verhandeln und ihren Medizinbedarf billiger einkaufen. Sie organisieren ihre Abläufe effizienter und vermeiden Doppelarbeiten. Mit dem Kapital der Eigentümer können sie schneller etwa in neue Geräte investieren – auch zum Vorteil der Patienten.
Manch christlicher Träger quetscht mit moralischem Druck maximale Arbeitskraft aus seinen Angestellten heraus. Börsennotierte Ketten unter Renditedruck kicken nach Fusionen die Belegschaft aus alten Tarifverträgen in schlechter bezahlte. Städten werden Millionenzuschüsse abgepresst, siehe Sana und Offenbach. Aufmüpfige Klinikchefs werden von der Politik mundtot gemacht.
Und das Fusionskarussell dürfte sich bald noch schneller drehen. Volker Braun, Klinik-Analyst bei der Commerzbank, erwartet eine "gewisse Belebung" bereits im nächsten Jahr, wenn in elf Bundesländern Kommunalwahlen anstehen: "Vorher traut sich kaum ein Bürgermeister oder Landrat, sein Krankenhaus zum Verkauf zu stellen."
Jetzt mischt das Bad Homburger Dax-Unternehmen Fresenius den Markt zusätzlich auf. Die Ankündigung von Vorstandschef Ulf Schneider elektrisiert die Branche: Die Kliniktochter Helios wird für drei Milliarden Euro 43 Hospitäler und 15 medizinische Versorgungszentren des Konkurrenten Rhön-Klinikum übernehmen. Damit entsteht Europas größter privater Klinikkonzern.