Die organisierte Kriminalität erwirtschaftet in Europa laut einer Studie jährlich Milliardenbeträge und reinvestiert Gewinne zum Teil in die legale Wirtschaft. Die gesamten Umsätze aus europaweiten kriminellen Geschäften werden demzufolge auf etwa 100 Milliarden Euro geschätzt.
Zu diesem vorläufigen Ergebnis kommt eine Studie der Katholischen Universität vom Heiligen Herzen in Mailand, die am Montag der EU-Kommission in Brüssel vorgestellt werden soll. Demnach gibt es auch in Deutschland Nachweise für kriminelle Aktivitäten. Die Studie wurde von der EU-Kommission mitfinanziert.
Was ist Organisierte Kriminalität?
Zu den vielfältigen Aktivitäten von Verbrecherbanden in der Organisierten Kriminalität (OK) gehören Schmuggel, Schutzgelderpressung, Drogen-, Waffen- und Menschenhandel ebenso wie Wirtschaftskriminalität, Cybercrime oder Förderung der Prostitution.
Nach einer Definition der Justiz- und Innenminister haben die OK-Banden gewerbliche oder geschäftsähnliche Strukturen und versuchen häufig, Einfluss auf Politik, Wirtschaft und Verwaltung zu nehmen - oft mit skrupelloser Gewalt. Abtrünnige, unliebsame Zeugen oder Konkurrenten werden erpresst und manchmal auch ermordet, um sie zum Schweigen zu bringen.
Für 2012 bezifferte das Bundeskriminalamt allein den materiellen Schaden durch die Organisierte Kriminalität in Deutschland auf 1,1 Milliarden Euro. Von in dem Jahr fast 8000 ermittelten Verdächtigen hatten rund 60 Prozent keinen deutschen Pass.
„Allein der Markt für gefälschte Artikel umfasst etwa 42 Milliarden Euro“, sagte Michele Riccardi, Forscher des „Transcrime“-Instituts, der Nachrichtenagentur dpa. Hinzu kämen unter anderem 8,5 Milliarden Euro aus dem Heroinhandel, 6,8 Milliarden Euro aus dem Handel mit Kokain und 6,7 Milliarden Euro aus dem Verkauf von Cannabis. Gewinne der Organisierten Kriminalität fließen laut der Studie zurück in die legalen Märkte.
Der Zoll und die organisierte Kriminalität
39.000 Personen arbeiten beim Zoll, davon 26.000 bei den 43 Hauptzollämtern und 3.500 beim Zollkriminalamt.
100 Millionen Zollabfertigungen werden jährlich abgewickelt. Der Wert der Einfuhren aus Nicht-EU-Staaten belief sich zuletzt auf 317 Milliarden Euro.
52,7 Milliarden Euro Einfuhrumsatzsteuer und Zölle haben Schäubles Beamte 2013 an den Grenzen kassiert.
376 200 Euro Einfuhrumsatzsteuer spart die Mafia pro Container, wenn sie den Wert von Textilien mit 20 000 Euro statt 2 Millionen Euro angibt.
54.750 Euro pro Lkw spart die Mafia, wenn sie die Kaffeesteuer nicht entrichtet und die Röstbohnen über Broker in den Markt schleust
90 Prozent aller Sendungen aus China, die per DHL-Express am Leipziger Flughafen ankommen, sind unter Wert fakturiert.
„Europaweit sehr gut zu belegen ist der Einfluss auf die Gastronomie, das Baugewerbe, den Lebensmittelhandel und das Transportwesen“, sagte Riccardi. In Deutschland fänden sich Hinweise darauf, dass die Mafia in Restaurants und Catering-Betriebe investiere – ebenso wie die Cosa Nostra, die daneben auch im Baugewerbe und bei Bekleidungsläden auffällig werde.
Köln, Stuttgart und Duisburg seien durch ihre Grenznähe zu starken Standorten der italienischen Mafia-Gruppen geworden. In Berlin und Umgebung gebe es Hinweise für Investments von russischen Gruppen in Immobilien- und Grundstücksgeschäfte. Diese Gruppen seien in Deutschland auch im Restaurant- und Hotelgewerbe aktiv. Die Sicherheitsbranche sei von Rockergruppen beeinflusst.
Vor allem große städtische Regionen wie Madrid, London, Paris und Berlin seien europaweit von kriminellen Investments betroffen, so Riccardi. Viele Belege fanden sich laut Studie auch für Süditalien und die Lombardei, Andalusien, die Provence und die Adriaküste. Die Ergebnisse der Studie sollen Politik, Ermittlern und Behörden ermöglichen, die Organisierte Kriminalität besser zu verhindern und zu bekämpfen. Abschließende Ergebnisse werden für Ende November erwartet.