Cabify, die Kurzversion für “Cab for you” (Taxi für dich) gibt es schon seit 2011. Aber erst seit Kurzem erlebt das Unternehmen den großen Durchbruch. Die Spanier haben erst im Unternehmensbereich angefangen, bevor sie sich an die Straßenkundschaft getraut haben. Auch deswegen hat man das Gefühl, man kennt sie noch gar nicht. Der amerikanische Wettbewerber Uber, drei Jahre länger im Markt, verfolgt eine andere Strategie und genießt dabei nicht nur mehr Medienaufmerksamkeit, er hatte bisher auch mehr Finanzkraft als die spanische Version der privaten Chauffeure, der sogenannten Ridesharingdienste.
Das mag auch daran liegen, dass Uber in San Francisco sitzt und Cabify in Madrid. In Spanien gab es bisher nicht viel Geld für Start-ups, erst jetzt baut sich langsam eine Szene auf. Auch dank einer parallelen Bewegung in der Risikokapitalszene, wo sich immer neue Player auftun. Einige davon setzen ganz klar auf Cabify: Das Unternehmen konnte vor einem Jahr 120 Millionen Euro auftreiben und ist inzwischen mehr als 320 Millionen Euro wert.
Exponentielles Wachstum dank Innovation
Die Spanier kommen dank der Finanzspritzen bereits auf 15.000 Unternehmenskunden, welche die Fahrtdienste von Cabify nutzen, acht Millionen Privatkunden, 40.000 Fahrer und 1800 Angestellte. Die Fahrer oder Fahrerinnen tragen eine weitgehend einheitliche Kleidung, damit man erkennt, dass sie von Cabify kommen - anders als bei Uber. Behinderte Menschen und Familien sind, anders als in vielen traditionellen Taxis, willkommen.
Die Autos müssen zudem einen gewissen Komfort-Standard erfüllen. Die Normal-Fahrzeuge müssen dunkel sein und nicht älter als Baujahr 2008. Der Botendienst-Bereich „Express“ wird mit Mopeds ausgeführt, und es gibt bei Cabify Tesla-Autos: „In Zukunft wollen wir enger mit Automobilherstellern zusammenarbeiten“, kündigt Gründer Juan de Antonio an - ehemaliger Boston Consulting-Berater und Stanford-Absolvent.
Das Konzept funktioniert vor allem da, wo es weniger Sicherheit auf den Straßen gibt und nicht jeder ein Auto hat. 80 Prozent des Umsatzes kommt deswegen aus Lateinamerika. Den meisten Ärger dagegen gibt es auf dem Heimatmarkt, wo schon seit geraumer Zeit Langestrecken-Car-Share-Firmen wie blablacar die traditionelle Taxi-Branche genervt haben.
Cabify bricht Tabus in einer sehr konservativen Welt
Der aufbrausende Ärger der „taxistas“, die schon mehrere Klagen gegen die Unternehmen geführt und auch einige gewonnen haben, hat auch damit zu tun, dass Spanien bisher für sie ein El Dorado war. Sobald ein Tropfen Regen fiel, stieg der Spanier ins Taxi. Fahrrad fahren in den Städten galt als gefährlich. Es gab einige private Chauffeur-Firmen, ansonsten hatten die offiziellen Fahrer keine Konkurrenz, was sie teilweise auch stur gemacht hat.
Das Radio im Wagen wurde auf den Sender gestellt, den der Fahrer hören wollte – meist die sehr konservative COPE. Wer als Kunde kein Spanisch konnte, hatte Pech gehabt. Englisch konnte fast niemand der Fahrer. Das hat dazu geführt, das Taxifahrer vor der Krise 2008 zum Traumjob für junge Menschen ohne Ausbildung wurde. In Städten wie Barcelona und Madrid gab es deswegen doppelt so viele Taxis wie in vergleichbaren europäischen Städten. Der Kuchen wurde unter sehr vielen geteilt.
Das Szenario hat sich komplett verändert
Das hat sich in den vergangenen Jahren drastisch geändert, auch aufgrund von Firmen wie Cabify, aber auch Entwicklungen wie Car2go, emove oder elektrische Fahrräder haben den klassischen Taxis das Leben schwer gemacht. Spaniens Taxis waren vor der Ankunft von Uber und Cabify zwar billiger als zum Beispiel deutsche oder französische, aber auch ziemlich unflexibel.
„Jetzt müssen sie aus dem Winterschlaf aufwachen, auch mal auf Passagiere warten und teilweise bleibt ihnen nichts anderes übrig als bei der Konkurrenz anzuheuern“, sagt der Madrider Kommunikationsexperte Joaquín Gómez von der Agentur LimeXL, selber Kunde von Cabify.
Was noch erschwerend hinzukommt: Im Zuge der spanischen Immobilienblase stieg der Wert ihrer übertragbaren Lizenzen im gleichen Rhythmus wie der der Häuser. Jetzt will diese allerdings niemand mehr haben, weil sie zu teuer sind und für Cabify Autos keine Lizenz notwendig ist. Zudem arbeitete das Start-up von Anfang an mit Chauffeur-Firmen zusammen, die dem Unternehmen ihre vertraglich gebundenen Fahrer zur Verfügung stellen, womit eine gewisse Stabilität garantiert wird. „Die Fahrer, die nicht bei Firmen angestellt sondern selbstständig sind, müssen zahlreiche Tests absolvieren und ein einwandfreies Polizeizeugnis vorlegen. Auch die Autos werden einer genauen Prüfung unterzogen“, erklärt Juan de Antonio.
Das alles setzt den klassischen Taxifahrer unter Druck. Kinderwagen oder Rollstühle konnten bisher nicht transportiert werden. Cabify bietet das an. Zudem: Kurzstrecken unter fünf Kilometer hasst der klassische Taxifahrer. Es gibt zudem auch heilige Kühe wie die Flughäfen, wo von der alten Riege durchgesetzt wurde, dass ein Standardtarif von 30 Euro als Mindestpreis gilt, egal wo es hingeht.
Legale Grenzen ausreizen und besseren Service anbieten
Und genau hier hat Cabify das Feuer gezündet. Das von dem Argentinier Mariano Silverya in Spanien gemanagte Unternehmen fährt inzwischen zum halben Preis in die Stadt und wirbt dafür schon im Flughafen. „Letztlich schneiden sich die Taxifahrer mit diesem Mindestpreis ins eigene Fleisch. Sie werden zum Luxusgut“, glaubt der Madrilene Álvaro Rodríguez, der inzwischen entweder sein Auto vor dem Flughafen gratis parkt und mit der Metro reinfährt oder auch Cabify oder Uber nutzt. Das ärgert natürlich die konservative Konkurrenz, deswegen ziehen sie immer wieder gegen Cabify vor Gericht und protestieren lautstark auf der Straße. „Aber das ist halt auch, wie ein Markt funktioniert“, sagt Rodríguez.
Die meisten offiziellen Taxifahrer sehen das anders: Sie sind Selbstständige, die eine teure Lizenz erworben haben. Sie müssen sich zudem an vorgegebene Tarife halten. Während sie sich am Flughafen bei Ankunft in eine Schlange einreihen müssen und vielleicht erst nach 15 Minuten einen Gast haben, kommt Cabify auf Anruf direkt vorgefahren.
Lateinamerika ist der Wachstumsmarkt schlechthin
Doch auch wenn Spanien der Heimatmarkt von Cabify ist, das richtige Geld kommt aus Lateinamerika, wo die Einnahmen derzeit monatlich um 30 Prozent zulegen. In der Region hat Cabify aufgrund der kulturellen Nähe einen klaren Vorteil. 80 Prozent des Umsatzes kommt bereits aus Ländern wie Brasilien oder Mexiko, wo die Sicherheit oberste Priorität hat und offizielle Straßen-Taxis einen schlechten Ruf genießen. „Uber und Cabify haben uns wieder Sicherheit gegeben“, sagt die Mexikanerin Maria Fernanda Gómez, für die ohne diese Apps mobilitätstechnisch gar nichts mehr geht.
Der klare Sicherheitsvorteil: Cabify akzeptiert nur Kreditkartenzahlungen und gezahlt wird nicht im Auto, sondern über die App oder Internet. „Es lohnt sich also nicht, den Fahrgast auszurauben, weil er sehr oft gar kein Geld oder Portemonnaie bei sich trägt,“ sagt Gómez. Hinzu kommt, dass der Stadtverkehr in Metropolen wie Mexico City chaotisch und sehr ermüdend ist. Mit dem eigenen Auto ist man schnell verloren. All das half, dass Cabify in diesen Märkten ein rasantes Wachstum hinlegte.
Das Geld kommt aus Spanien und Japan
Die Expansion von Cabify, die auch irgendwann nach Deutschland führen soll, wird inzwischen sogar von Spaniern finanziert. Die Tochter des Chairman der BBVA-Bank, Beatriz Gónzalez, managt Seaya, einen Risikokapitalfonds, der derzeit den beginnenden Hype von App-Firmen wie Cabify, Glovo oder restaurantes.com mitfinanziert. 2013 gegründet setzte die Chefin Gónzalez schon ein Jahr später auf Cabify. Unterstützt wird sie bei ihren Entscheidung von Michael Kleindl, einem bereits in Spanien angesehenen deutschen Investor in digitale Unternehmen. Der Fonds kaufte 45 Prozent der Firma für acht Millionen US-Dollar. Das zog auch internationale Investoren an.
Der japanische Online-Shop Rakuten investierte in den vergangenen zwei Jahren weitere 132 Millionen US-Dollar in Cabify. Die Japaner, die inzwischen zu den zehn größten Internetunternehmen der Welt gehören, sind auch der Hauptinvestor bei Lyft, eine starke US-Konkurrenz für die Spanier. Bisher arbeitet man jedoch noch Hand in Hand und das Auftreten im Markt ist sehr ähnlich, sogar die Firmen-Farben und die Webseite assoziieren mehr Nähe als Wettbewerb.
Für Ernesto Gutiérrez Tamargo, Partner von der Kanzlei Crowe Howarth in Madrid, sieht Spanien rosigen Zeiten entgegen. „Diese positive Entwicklung von Cabify und der hiesigen Start-up-Szene macht deutlich, dass wenn spanische Geldgeber sich trauen, die das beste Marketing für das Land ist und folglich Investition von anderen Unternehmen nach sich zieht. Hier in Spanien sitzen genauso viele talentierte Leute wie in den USA. Sie brauchen nur die richtigen Mentoren.“ Cabify hat sie gefunden.