Tourismus Warum DER die angeschlagene FTI wohl nicht übernimmt

Angeblich will Rewe den Reisekonzern FTI übernehmen. Doch das würde vor allem Probleme mit sich bringen Quelle: imago images

Eine Fusion zwischen der Rewe-Reisetochter und der angeschlagenen FTI Group macht zwar wirtschaftlich Sinn. Doch sie würde dem Handelsriesen mindestens drei Probleme bescheren, die er derzeit nicht brauchen kann. 

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Für Deutschlands Touristiker begann die Rückkehr aus dem Weihnachtsurlaub mit einem Paukenschlag. „Rewe-Reisetochter will Rivalen FTI übernehmen“, berichtete das “Handelsblatt“ diese Woche. Die Verhandlungen befänden sich in einem fortgeschrittenen Stadium. Zudem soll die DER Touristik genannte Feriensparte der Rewe und die FTI Group in eine gemeinsame Holding kommen. 

Offiziell wollten DER und FTI das nicht kommentieren. Interne Rundschreiben nannten die Pläne „reine Spekulation“. „Wir sind überrascht – besonders darüber, wie konkret die Dinge angeblich schon sein sollen“, so hochrangige Insider des Handelsriesen. In den Aufsichtsgremien der genossenschaftlich organisierten Gruppe sei das Thema bislang noch gar nicht besprochen worden. Trotzdem gibt es offenbar Verhandlungen. So lag im Rest der Branche die Stimmung zwischen skeptisch und entsetzt. „Das machen die hoffentlich nicht“, so ein führender Manager aus dem Reisevertrieb, weil er Risiken für sein Geschäft fürchtet, wenn Gerüchte vom drohenden Ende eines Veranstalters die Kunden verunsichern und durch die Fusion ein Anbieter wegfällt. 

Ob der Deal wirklich kommt, ist offen. Denn ein Blick auf die Details zeigt ein gemischtes Bild. „Es gibt eine schwierige rechtliche Hürde, zwei gute Gründe für den Deal, aber auch drei Risiken, die Finger davon zu lassen“, sagt ein Kenner der Branche. 

Die offensichtlichste juristische Frage ist das Wettbewerbsrecht. „Fraglich erscheint mir, ob eine Fusion von DER Touristik und der FTI Group kartellrechtlich möglich ist, da es sich um die Nummer zwei und die Nummer drei in Deutschland und Europa unter den Touristikkonzernen handelt“, sagt Touristikprofessor der Jade-Hochschule in Wilhelmshaven. Doch mit einem ernsthaften Einspruch der Behörden rechnet keiner in der Branche. „Am Ende bliebe dank Anbietern wie Alltours und Schauinsland die Konkurrenz deutlich größer als in Großbritannien, wo es überhaupt nur drei nennenswerte Anbieter gibt“, so ein Vorstand eines DER-Konkurrenten.

Schwieriger wird die Frage nach der Rolle des deutschen Staats. Über den Wirtschaftsstabilisierungsfond (WSF) hatte FTI wie Lufthansa und TUI Kredite und eine stille Einlage bekommen. Die Hilfe lag bei insgesamt 603 Millionen Euro und kostet über die Laufzeit von sechs Jahren steigende Zinsen bis in den deutlich zweistelligen Bereich. „Diese Zahlungen kann die FTI nie verdienen“, so ein Manager eines anderes WSF-gestützten Unternehmens. „Also wäre sie praktisch unverkäuflich, es sei denn, der WSF verzichtet zumindest auf einen Teil des Gelds.“ 

Das ist jedoch nicht ganz leicht, wissen Experten zum Thema Beihilfen wie Thorsten Hunsalzer, Partner der Wirtschaftskanzlei Gehrke Econ. „Die Kernfrage lautet immer: Was würde ein privater Gläubiger machen? Würden Banken oder andere private Geldgeber in einer vergleichbaren Situation einem Schuldenschnitt zustimmen, darf dies auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds beziehungsweise die KfW tun.“ Ist das nicht der Fall, droht Ärger mit der EU-Kommission.

Zudem könnte der Schuldenschnitt politischen Ärger bringen. „Wenn FTI den bekommt, warum nicht auch andere WSF-Beteiligungen wie TUI oder wir“, so ein Manager eines vom Fond gestützten Unternehmens.

Lesen Sie auch: Wo verantwortungsbewusst Reisende ihren Urlaub buchen

Gelingt eine Lösung bei den Schulden, sprechen zumindest aus Sicht der Rewe mindestens zwei Dinge für den FTI-Kauf. Zum einen dürfte die eine solche Übernahme betriebswirtschaftlich grundsätzlich Sinn machen, glaubt Andreas Jahnke Geschäftsführer für den Reisebereich der Unternehmensberatung Accenture. „Durch realisierbare Synergien in Bereichen wie Einkauf, Marketing, IT oder Teilen der Verwaltung lassen sich signifikante Kosteneinsparungen heben.“ Dank weniger Beschäftigten für die Betreuung der Gäste oder die Planung sowie Mengenrabatten in der Beschaffung können bis zu 20 Prozent vom Umsatz zusammenkommen. Das ist eine Menge Geld für den Tourismus, wo fast alle Anbieter auf weniger als fünf Prozent Umsatzrendite kommen.

Ebenso wichtig dürfte die größere Produktpalette sein. So würde FTI das vergleichsweise kleine DER-Angebot in wichtigen Urlaubszielen wie Griechenland und Ägypten stärken und neue Kunden aus Frankreich und den Niederlanden bringen. Dazu würden FTI-Reisen den Onlinevertrieb stärken. Das kann DER gut brauchen. Denn zuletzt verlor die Gruppe nach Aussage von Reisebüroketten Marktanteile, nicht zuletzt, weil die Vertriebssysteme für das Internet und die Agenturen nicht richtig funktionierten. 

Die drei Risiken einer FTI-Übernahme

Doch leider würde sich Rewe-Chef Lionel Souque mit dem Deal auch mindestens drei zusätzliche Risiken aufbürden. Zum einen ist unklar, wie viel Wert FTI nach einer Eingliederung den Kölner Genossen wirklich brächte. Dafür sorgt neben der Unklarheit über einen Schuldenschnitt vor allem, dass ein Teil der FTI-Kunden abwandern dürfte. „Allein die Diskussion um eine Übernahme lässt FTI bei vielen bereits wie einen Wackelkandidaten wirken“, beschreibt ein Reisebüromanager die Stimmung der Kunden seit den ersten Fusionsberichten. „Dann buchen Urlauber wie Reisebüros nach Erfahrung mit den Pleiten von Thomas Cook und Air Berlin sicherheitshalber lieber anderswo“.

Souques zweites Problem könnte die Integration von FTI werden. Beide haben bereits jetzt eher zu viele Marken mit geringem Profil. Dazu tat sich das Rewe-Urlaubsgeschäft bisher immer schwer mit dem Eingliedern neuer Teile. Bis die damalige Pauschaltouristik um IST und Jahn Reisen mit den Bausteinanbietern Dertour und Meiers Weltreisen richtig fusioniert war, dauerte es ab den neunziger Jahren mehr als ein Jahrzehnt. „Und FTI würde einen komplexen IT-Umbau erfordern, der über Jahre Kräfte binden könnte“, so ein Konzernkenner. „Dabei läuft das neue Vertriebssystem Atcom zum Frust vieler Reisebüros bisweilen immer noch ruckelig, was DER einiges an Geschäft kostet.“

Schließlich liegen FTI und DER auch bei der Kultur nach Aussagen von Branchenkennern spürbar weit auseinander. Zwar haben beide Unternehmen Führungskräfte, die bereits bei anderen Firmen aus der Branche tätig waren. FTI-Chef Ralf Schiller war sogar mal in der DER-Geschäftsführung. Doch Touristiker, die beide Firmen kennen, halten die DER für eher genossenschaftlich und konzerngeprägt, während sie FTI als mittelständischer und agiler im Denken erleben. 

Diese Probleme kann Souque im Reisegeschäft derzeit eigentlich nicht brauchen. Denn bereits erleben Geschäftspartner eine gewisse Unordnung im Konzern, seit der langjährige Chef Sören Hartmann DER verlassen hat und viele Jobs neu besetzt wurden. „Da erkennen wir keinen klaren Lead mehr“, so ein Geschäftspartner. Zudem gibt es bereits genug Baustellen mit dem dringend nötigen Ausbau des inhaltlich und vor allem technisch blassen Digitalgeschäfts, bei der Betreuung der Reisebüros sowie dem Versuch den Kundenzugang über die vielen Handelsbetriebe nun endlich auch im Reisegeschäft zu nutzen. 

Darum hält die in der Branche gut vernetzte Fachzeitschrift FVW den Deal für ein Risiko und mahnt im Blick auf frühere schiefgelaufene Fusionen der Touristik. „Für Thomas Cook war die schlecht umgesetzte Übernahme des preisaggressiven britischen Konkurrenten My Travel, nach der der gemeinsame Marktanteil deutlich zurückging, der Anfang vom Ende“, so deren Chefredakteur Klaus Hildebrandt.

Exklusive BCG-Analyse Die 10 besten Aktien der Welt

Die politische Weltlage und Sorgen vor weiter hohen Zinsen verunsichern die Börse. Das exklusive Ranking der besten Aktien der Welt – und zehn Titel, die jetzt kaufenswert sind.

Fruchtbarkeitskliniken Warum sich viele Deutsche ihren Kinderwunsch nur in Spanien erfüllen können

Fertilitätskliniken boomen. Viele Paare zieht es nach Spanien, wo vieles möglich ist, was Deutschland nicht erlaubt.

Finanzielle Freiheit Von Kapitalerträgen leben – wie schaffe ich das?

Ein Leser will seinen Lebensunterhalt mit aktivem Börsenhandel bestreiten. WiWo Coach Michael Huber erklärt, worauf man bei diesem Plan achten sollte, und rechnet vor, wie viel Grundkapital dafür nötig ist.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Diese Risiken sind Rewe-Chef Souque sicher bewusst, glaubt ein Kenner des Unternehmens. Wenn dieser die Übernahme trotzdem vorantreibe, dann eher, weil er sie als die auf lange Zeit letzte Chance sehe, sein leicht fest-gefahrenes Reisegeschäft nicht abzustoßen, wie es einige seiner Anteilseigner fordern, sondern nochmal in Schwung zu bringen. „Souque will zukaufen und neben FTI gibt es erstmal keinen anderen, weil weder Alltours noch Schauinsland wohl nie zu haben sein werden“, so ein Insider. „Und selbst wenn die Übernahme hakelig läuft und teuer wird, gerade dann kann er das Geschäft auf eine Art renovieren, die ohne den Deal wohl unmöglich gewesen wäre.“ 
 

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%