Verwirrspiel um die Staatsmilliarden TUI zahlt Staatshilfen zurück? Da fließt erstmal kein Cent zusätzlich

TUI-Chef Fritz Joussen Quelle: Imago

TUIs Versprechen, erstmals öffentliche Hilfen zurückzuzahlen, führt in die Irre. Ein Blick in die Details zeigt: mehr Geld fließt erstmal nicht.

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Für seine lange gebeutelten Aktionäre hatte TUI-Chef Fritz Joussen am Dienstag eine auf den ersten Blick gute Nachricht: Dem Konzern geht es so gut, dass er am 1. April eine 700 Millionen Euro große erste Tranche der milliardenschweren Staatshilfen zurückzahlen kann.

Zuletzt haben wieder ähnlich viele Kunden gebucht wie im Winter vor der Coronakrise und dabei im Schnitt auch noch 22 Prozent mehr für den Urlaub ausgegeben, so Joussen. Daher „werden wir, wie vereinbart, in einem ersten Schritt zum 1. April dieses Jahres KFW-Kredite in Höhe von etwa 700 Millionen € zurückgeben.“ Prompt titelten fast alle Medien einhellig: „TUI will erste Staatshilfen zurückzahlen.“

Doch der Eindruck führt in die Irre. Denn wer sich die Mitteilung zur Finanztransaktion genauer durchliest, bekommt einen ganz anderen Eindruck. Tatsächlich fließt erstmal kein Cent zusätzlich von dem Reiseriesen aus Hannover zurück an den deutschen Staat. Stattdessen senkt das Unternehmen quasi nur den Höchstbetrag, den es sich bei der staatlichen Förderbank KfW leihen kann – wie bei einem Überziehungskredit für ein Girokonto. „Wir zahlen also nicht zurück, sondern geben einen Teil der Kreditlinie zurück“, bestätigt ein Sprecher. Ab 1. April kann sich der Konzern dann nur noch bis zu 2,15 Milliarden Euro leihen statt wie bisher maximal 2,85 Milliarden. Derzeit hat TUI vom Staatsdispo nur rund 450 Millionen abgerufen. Doch Joussen ließ durchblicken, der Betrag könne bis zum Frühjahr noch deutlich zunehmen.

Bald tilgen möchte die TUI dagegen einen anderen Teil der Staatshilfe. Dabei will Joussen die sogenannte Stille Beteiligung II des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) in Höhe von 671 Millionen Euro loswerden. Joussen ließ stolz durchblicken, dass er die Verbindlichkeiten gegenüber dem Staat eigentlich sofort komplett begleichen könnte. Schließlich verfügt TUI aktuell über flüssige Mittel von gut 3,3 Milliarden Euro. Angesichts der anhaltenden Unsicherheit über die Entwicklung des Reisegeschäfts in der Coronazeit hält der TUI-Chef die Kasse in Richtung Staat jedoch erstmal geschlossen. Das Geld holt er sich lieber über eine umfangreiche Kapitalerhöhung. „Das entspricht … rund 41,35 % des Grundkapitals“, heißt es in den Unterlagen zur Hauptversammlung. Den kleinen Schritt in die Freiheit geht Joussen wohl auch angesichts des erheblichen finanziellen Drucks. Denn auf die stillen Staatsanteile zahlt er recht happige Zinsen von bis zu über zehn Prozent – mehr als TUI bisher jemals als Eigenkapitalrendite schaffte.



Günstiger soll es dagegen bei der verbleibenden, 420 Millionen Euro großen Stillen Beteiligung I laufen. Hier versucht Joussen den WSF zu überreden, seine Hilfe wie vorgesehen in TUI-Aktien umzuwandeln und zu verkaufen. Dabei könne der Staat beim heutigen Börsenkurs von rund drei Euro gut 800 Millionen Euro Gewinn machen. „Ein gutes Geschäft“, wirbt Joussen fast sehnlich. Kein Wunder. Denn wenn der WSF seine Beteiligung in Aktien wandelt, entfallen endgültig die Zinsen von bisher rund 140 Millionen Euro für die beiden Stillen Beteiligungen. Doch ob und wann das passiert, ist offen.

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So wird es wohl noch eine Weile dauern, bis Joussen den deutschen Staat endgültig los ist. „Der TUI-Vorstand arbeitet weiter darauf hin, die Staatshilfen komplett zurückzugeben“, so der Manager heute. Doch ein Versprechen, bis wann das gelingt, mag er derzeit offenbar ebenso wenig geben wie einen genauen Ausblick auf die Zahlen für das gesamte Geschäftsjahr. Allerdings wäre er „schon sehr enttäuscht“, wenn es drei Jahre dauern würde, erklärte Joussen. 

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