Ein junger Krabbenfischer gerät in Not, kämpft um seine Zukunft, findet einen wackeren Mitstreiter und wird schließlich gerettet – es klingt fast nach einem Märchen, was sich in den vergangenen Tagen an der Nordseeküste ereignet hat. Am Montagabend hatte der Hamburger Insolvenzverwalter Arno Doebert im Berufsnetzwerk LinkedIn einen Beitrag mit der Überschrift: „Investor:in gesucht!“ gepostet. Er berichtete über die Insolvenz des Krabbenfischers André Eckholdt, die er betreut. Über den harten Job des jungen Mannes und die leuchtenden Augen des Fischers und seines Decksmannes, die „unbedingt weitermachen“ wollten – trotz widrigster Umstände.
Kaum war der LinkedIn-Post veröffentlicht, nahm das Märchen „Vom Fischer und seinem Verwalter“ seinen Lauf. Zehntausende Nutzer sahen den Beitrag, hunderte kommentierten ihn, teilweise mit kreativen Crowdfunding-Ideen zur Unterstützung des Fischers und seines Kutters, der „SU 24 Birte“. Die Resonanz habe ihn komplett überrascht – „es war schlicht unmöglich, auf alle Hilfsangebote und Anfragen zu reagieren“, sagt Doebert. Tatsächlich wuchs die „Krabben-Crowd“ immer weiter an und so berichtete die WirtschaftsWoche am Dienstagvormittag über die ungewöhnliche Investorensuche.
Diesen Artikel wiederum las Wolfram Simon-Schröter, Vorstandssprecher der Berliner Zeitfracht-Gruppe – und entschloss sich zur Soforthilfe. Die Opus Marine GmbH, ein Unternehmen der Gruppe, übernimmt die „Birte“, teilten Zeitfracht und Doeberts Kanzlei Reimer Rechtsanwälte am Donnerstag mit. Die Insolvenz des kleinen Familienunternehmens sei damit abgewendet. Die Transaktion ermögliche es Kapitän Eckholdt, seinen Insolvenzantrag zurückzunehmen. Gleichzeitig sollen er und sein Decksmann unbefristete Arbeitsverträge erhalten und können das Familienunternehmen unverändert weiterführen.
„Es war uns als Familienunternehmen und Nordsee-Fans ein persönliches Bedürfnis, dieses kleine Unternehmen zu retten und zum Erhalt von Arbeitsplätzen und einer sympathischen Branche beizutragen“, wird Simon-Schröter in einer Pressemitteilung zitiert. Seine einzige Bedingung lautet: „Jeden Monat ein Pfund frische Krabben. Und meine Führungskräfte und ich werden definitiv mitfahren. Die Arbeit an frischer Luft hat noch niemandem geschadet.“
Inzwischen sei die Transaktionssumme auf einem Treuhandkonto eingegangen, teilt die Kanzlei Reimer mit. Auch die regelmäßig erforderliche technische Abnahme der „Birte“ durch die Berufsgenossenschaft verlief am Donnerstag erfolgreich. Mit einem solchen Ausgang hat auch Krabbenfischer Eckholdt nicht gerechnet: „Ich bin allen Beteiligten sehr dankbar für das, was hier geschehen ist“, sagt er. Das Fischen sei sein „Lebenstraum“.
Für Insolvenzverwalter Doebert schien die Rettung der „Birte“ zunächst ein rechtlich heikles und finanziell unmögliches Unterfangen. Denn die Krabbenfischerei gilt küstenweit als notleidend. Folglich war es äußerst unwahrscheinlich, für das Schiff überhaupt einen Geldgeber zu finden. Doch der LinkedIn-Post und die Berichterstattung darüber brachten die Wende: „Das ist ein modernes Märchen“, sagt Doebert.
Lesen Sie hier die ursprüngliche WiWo-Geschichte zur Insolvenz: Insolvenzverwalter sucht Investor (mit Vorliebe für Nordseekrabben).