Werner knallhart
Vergessen ist die Zeit, in der selbst die Bundesregierung noch die Ansicht verbreitet hatte, Masken seien schädlich, weil man dann mit den Fingern dran fasst und diese dann mit den abgefangenen Aerosolen und Tröpfchen kontaminiert seien. Quelle: dpa

Ausgefallene Grippewelle: Tragen wir Masken auch nach Corona?

Vor gut einem Jahr hätten wir Maskenträger entweder für Hypochonder oder Bankräuber gehalten. Heute ist kaum einer mehr erkältet. Die Grippewelle fällt diese Saison wohl aus. Firmen sollten die neu gelernte Hygiene im Fall der Fälle auch nach der Pandemie zum Vorteil aller im Team hochhalten.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Am Anfang haben ja viele von uns noch den Anspruch an sich selbst gehabt, die Entwicklung der Pandemie auf verschiedenen Ebenen mitzuverfolgen, um auf dem Laufenden zu bleiben. Mittlerweile aber blickt doch keiner mehr durch zwischen 200er-50er-35er-Inzidenz, Schulöffnungs-und-Schulquerlüftungs-Konzepten, Impfgruppen-Zugehörigkeit, Impftermin-Verfügbarkeit und Impfstoff-Wirksamkeit, PCR-, Schnell- und Selbsttest-Zulassungen und den Fristen und Kosten. Das Virus ist auch zu einer News-Zumutung geworden.

Aber es gibt drei Dinge, die sind so schön unerschütterlich logisch und vernünftig: Das 20-Sekunden-Händewaschen, das Handschlag-Tabu und die medizinische Maske. Vergessen ist die Zeit, in der selbst die Bundesregierung noch die Ansicht verbreitet hatte, Masken seien schädlich, weil man dann mit den Fingern dran fasst und diese dann mit den abgefangenen Aerosolen und Tröpfchen kontaminiert seien. Nach dieser Logik müsste man heute auch von der Impfung abraten, weil sich der Arzt mit der benutzten Nadel versehentlich in die Hand pieksen könnte.

Naja, bei allem Hickhack gehen besagte drei Dinge so schön in unsere Hirne rein:

  1. Viren sitzen an Tröpfchen und Aerosolen und FFP2-Masken filtern von denen im Idealfall 95 Prozent aus der Atemluft, im ungünstigeren Fall (Maske sitzt nicht bündig im Gesicht auf) immerhin rund 50 Prozent. Also ergibt eine Maske Sinn. Haken dran. Wo sonst geht das schon so klipp und klar bei dieser Pandemie.
  2. Seife ruiniert dem Coronavirus seine schöne Corona. 1:0 für uns. Zumindest wenn wir 20 Sekunden unserer kostbaren Lebenszeit fürs Händereiben freischaufeln können.
  3. Die Hand zum Schütteln reichen, das ist nur noch etwas für Leute, die im Leben sonst nichts anfassen.

Faszinierend einleuchtend ist auch, dass Masken, Handhygiene und kontaktfreie Begrüßungsrituale auch vor anderen Infektionen schützen. Von Magen-Darm über Grippe bis zur Erkältung, die ja bislang eine Winter-Tradition war, die es rechtfertigte, Erkältungs-Tees, Erkältungs-Badeschaum und Mentholtaschentücher auf den Markt zu schmeißen. Ich weiß ja nicht, wie es bei Ihnen ist. Aber ich wäre sonst am Ende eines Winters bei einem Verbrauch rund 70 Päckchen Tempos rausgekommen. Diesen Winter waren es vielleicht zwei oder drei Päckchen. Letztens musste ich kurz husten. Ich wusste erst gar nicht, wie mir geschieht.

Früher waren Belegschaften wegen Erkältungswellen hart bis an die Grenze der Betriebsfähigkeit ausgedünnt. Ich kenne aber nur einen Menschen, der diesen gerade zu Ende gegangenen Winter mit Erkältung ein paar Tage zu Hause bleiben musste.

All das liegt an weniger sozialen Kontakten und mehr Abstand. Aber natürlich auch an der Maske und der Handhygiene. Und ich könnte mich durchaus an Winter ohne Rotznase, Halskratzen und Druck auf den Kieferhöhlen gewöhnen.

Wir wissen, wie hässlich diese Masken sind. Aber wir wissen auch, wie hässlich Erkältungen sind. Angenommen, wir sind uns da einig: Wäre es uns zum Beispiel wert, in der Erkältungs- und Grippezeit von Fall zu Fall eine FFP2-Maske zu tragen? Im Betrieb, auf der Fahrt dorthin oder im Flugzeug auf Dienstreise? Alles auf Basis von herzensguter Freiwilligkeit. Höchstens ein wenig Sozialdruck wäre noch akzeptabel. Im Sinne von: Wenn die aus dem Marketing bei einer leichten Erkältung eine Maske tragen, dann machen es die aus der Buchhaltung am Ende auch. Reziprozität. Wie du mir, so ich dir.

Und es gibt doch diese leichten Anflüge von Erkältung, bei der man merkt, irgendwas steckt in mir, aber zu Hause bleiben muss ich deshalb noch lange nicht. Das waren immer die wunderbaren Ekelkonstellationen, bei denen die Erkältung in der Firma bislang zur Welle wurde. Wenn der eine hustet, dass sich die anderen schon umdrehen. Heute sähen wir vor unserem geistigen Auge die Aerosole anfliegen. Wenn wir künftig die FFP2 zücken, wäre allen gedient.

Schon klar. Wer die Maske nach Corona trägt, macht sich zum Außenseiter und zeigt an: Ich bin wahrscheinlich infektiös. Fragen werden kommen: Warum kommst du dann überhaupt rein? Aber andererseits: Das haben wir bislang doch auch gemacht. Nur rücksichtsloser - ohne Maske.

Von asiatischen Ländern wie Japan oder Thailand lernen, heißt lernen, gesund zu bleiben. Denn dort tragen die Menschen schon lange medizinische Masken, wenn sie den Eindruck haben, andere in der Öffentlichkeit anstecken zu können. Ganz selbstlos also. Das ist von uns doch nicht zu viel verlangt? Freiwillig aufgesetzt wird die FFP2 so sogar zum vor sich her getragenen Symbol von echter Nächstenliebe. Es zwingt einen ja keiner.

Weil wir uns aber mittlerweile daran gewöhnt haben, Millionen von Menschen mir halb bedecktem Gesicht zu sehen, ist die Hürde nicht mehr hoch. Im Jahr 2019 hätte man uns für vom OP-Tisch gesprungen oder kriminell gehalten. Im Jahr 2022 wird ein Maskenträger wahrgenommen werden als entweder nett oder vorsichtig (wenn er die Maske etwa in der Erkältungszeit in der vollgestopften U-Bahn trägt). Beides gar nicht so unsympathisch.

Ich glaube, zu Portemonnaie, Handy und Schlüsselbund wird sich als das vierte Hab-ich-alles-dabei-Utensil bei vielen die Maske gesellen. Zumindest von Oktober bis März. Und im Flugzeug, im Bus, bei überfüllten Messen, in Meetings, im Einkaufszentrum. Wir haben die Dinger zu Hause, im Handschuhfach und in Büroschränken.

Das interessiert WiWo-Leser heute besonders

Geldanlage Das Russland-Risiko: Diese deutschen Aktien leiden besonders unter dem Ukraine-Krieg

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine belastet die Börsen. Welche deutschen Aktien besonders betroffen sind, zeigt unsere Analyse.

Krisenversicherung Warum Anleger spätestens jetzt Gold kaufen sollten

Der Krieg in der Ukraine und die Abkopplung Russlands von der Weltwirtschaft sind extreme Inflationsbeschleuniger. Mit Gold wollen Anleger sich davor schützen – und einer neuerlichen Euro-Krise entgehen.

Flüssigerdgas Diese LNG-Aktien bieten die besten Rendite-Chancen

Mit verflüssigtem Erdgas aus den USA und Katar will die Bundesregierung die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland mindern. Über Nacht wird das nicht klappen. Doch LNG-Aktien bieten nun gute Chancen.

 Was heute noch wichtig ist, lesen Sie hier

Und es wäre doch clever, wenn Personalabteilungen sich die niedrige Hemmschwelle zunutze machen würden. „Tragt bitte Maske, wenn der Hals kratzt. Keine Hemmungen. Und wir füllen die Desinfektionsspender wieder auf.“ Das dürfte logischerweise den Krankenstand senken. Das könnte uns alle Milliarden sparen. Und sogar Menschenleben retten. Wenn es am Ende heißt: „Auch die Grippewelle 2021/22 ist wieder ausgefallen.“
Wir können die Idee ja mal sacken lassen. Solange wir die Dinger noch tragen, weil wir es müssen.

Dem Autor auf Twitter folgen:



© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%