Werner knallhart

Die neue Lockerheit der Chefs

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Und was ist mit dem Duzen?

Wer die Krawatte weglässt, macht einfach mal was Neues. Und weil Schlips weg und Knopf auf sowas von Silicon Valley Style ist und die deutsche Autoindustrie beim aufkommenden Elektro-Zeitalter vom unkonventionellen Pioniergeist der Amerikaner ruhig mal einen tiefen Zug einatmen sollte, setzt Daimler-Chef Zetsche ein starkes Zeichen. Wer bei der Krawatte die Konventionen ignoriert, der sagt auch beim Autobauen nicht so leicht: "Des henn ma aber immer scho so gmacht."

Ich lege mich fest: Die fehlende Krawatte ist kein Zeichen von mangelndem Respekt, solange man auch dem anderen zubilligt, sie abzulegen. Krawattenpflicht ist etwas für stilunsichere Angsthasen. Das Gleiche gilt für Kostümchen, Strumpfhosen und hochhackige Pumps. Es spricht aber auch nichts dagegen, all dies freiwillig zu tragen. Gewöhnen wir uns doch einfach an ein bisschen mehr Abwechslung. Warum nicht auch auf Bällen?

Und was ist mit dem Duzen?

Letztendlich passt das Du doch perfekt zu einem Konzern, der einen Vornamen hat: Otto. Und dessen Logistiksparte einen Vornamen hat: Hermes. Die Duz-Vorreiterrolle steht Otto also gut zu Gesicht. So gesehen.

Kollegen von der WirtschaftsWoche haben den Otto-Chef wegen seiner Offensive im Interview gefragt, ob die Otto-Gruppe denn keine anderen Sorgen habe. Ich kann mir allerdings keine noch so großen Sorgen und Krisen vorstellen, die es verbieten würden, eine solche hausinterne Charme-Offensive zu starten.

Man kann Schraders Idee als anbiedernd empfinden, als aufgesetztes Rumgekumpel, aber eines ist es nicht: unfreundlich. Jemand, der so etwas anbietet, ist mir erstmal sympathisch.

Ich kenne einen privaten Fernsehsender, da duzen sich alle Mitarbeiter. Nur der Geschäftsführer wollte stets gesiezt werden, außer von wenigen ausgewählten Kollegen. So wird die Anrede zum Politikum. Das Du als emotionales vierzehntes Gehalt für die Lieblinge.

Chefs wischen Bedenken zum Geschäftsführer-Sie ja gerne mit Humor vom Tisch: "Sie Arschloch" gehe einem nicht so leicht über die Lippen wie "du Arschloch". Es spricht für Otto-Chef Schrader und seine Mitarbeiter, dass ihn diese Bedenken nicht ausgebremst haben.

Meist ist das Sie als Zeichen von Respekt gedacht. Flüchtlinge erzählen, dass sie es demütigend finden, von Hinz und Kunz geduzt zu werden, etwa vom Busfahrer. Sie sehnen sich nach Anerkennung und haben gerade erst im Sprachkurs gelernt: Fremde Erwachsene siezt man höflich.

Affig ist es auch, wenn der Chef oder die Chefin den Azubi duzt, sich selber aber siezen lässt. Das Gleiche bei Lehrern, die ihre fast erwachsenen Schüler duzen, sich das Geduze sich selbst gegenüber aber verbitten.

Siezen ist wie die Krawatte aber auch ein Zeichen von Zugeknöpftheit. Und Duzen ein Zeichen von entspanntem Vertrauen - wie ein offener Hemdkragen.

Und was spricht nochmal gegen entspanntes Vertrauen?

Ich lege mich fest: Wer als in der Hierarchie Übergeordneter allen seinen Kollegen gemeinsam das Du anbietet, kann nichts falsch machen. Und er zeigt, dass es ihm auf das Wir-Gefühl ankommt.

Jetzt muss der Zetsche-Dieter auch noch bei Daimler das kollektive Du anbieten. Das wäre genauso naheliegend wie bei Otto. Mercedes ist auch ein Vorname.

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