Werner knallhart

Wenn die Post seltener zustellt, muss das Porto sinken!

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Wozu brauchen wir die tägliche Post-Zustellung überhaupt?

Deshalb jetzt die Frage, vor der alle Briefträger Angst haben: Wozu brauchen wir dann die tägliche Zustellung?

Das fragt sich die Deutsche Post auch - und hat in den vergangenen Wochen mal regional getestet, was die Kunden dazu sagen, wenn sie nur noch an wenigen Tagen der Woche oder sogar nur am Samstag die Post bekommen (Letzteres interessant für Leute, die die ganze Woche unterwegs sind). Die Ergebnisse stehen noch aus. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass da alle Testkunden tränenüberströmt vorm leeren Briefkasten standen und sich in die gute alte Zeit zurück gewünscht haben.

Es gibt nur einen Haken: Die Dienstleistung Briefzustellung wird vom Versender bezahlt. Er ist der Vertragspartner der Post. Auf die tägliche Zustellung verzichten konnte beim Experiment der Post aber der Empfänger.

Was, wenn der Absender einer sehr wichtigen Botschaft in letzter Sekunde und mit wehenden Haaren dem Angestellten der Post den Brief noch unter dem sich schon schließenden Rollladen vor der Eingangstür der Postfiliale entgegen wirft, damit der ja am nächsten Montag ankommt, ohne zu wissen, dass der Empfänger längst erklärt hat: „Och Gottchen, Samstagzustellung reicht mir“?

Das wäre so, als würde der vom Ehemann bestellte Geigenspieler zum Dinner im Kerzenschein ohne Geige erscheinen mit der Begründung: „Ich kenne Ihre Frau, die mag keine Streicher.“

Nein, nein, es kann für die vom Absender bezahlte Dienstleistung nicht allein Maßstab sein, was der Empfänger gut findet. Warum überlässt man aber die Entscheidung nicht dem Absender? Zum Beispiel: „Liebe Post, stelle den Brief gerne ein paar Tage später zu, wenn sich der Empfänger bereits generell mit einer seltenen Zustellung einverstanden erklärt hat.“

Aber auch: „Bitte schnell zustellen, egal, was der Empfänger generell wünscht.“

So hat der Empfänger das letzte Wort über die von ihm bezahlte Dienstleistung. Und so ähnlich lief es auch jetzt beim Post-Experiment: Einschreiben und Eilbriefe etwa wurden da immer unverzüglich zugestellt. Aber die kosten ja auch mehr. So geht das nicht! Der Absender muss für seine Geduld natürlich entlohnt werden. Ich zahle doch keine 70 Cent für Schneckenpost.

Es braucht dann eben auch ein neues Porto-Modell. Wie wäre es mit einem neuen Porto von 45 Cent für die Bummel-Briefe (wie heute schon die Postkarte)? Und von mir aus 90 Cent für Standardbriefe, die dann so schnell zugestellt werden wie heute immer. Ich wette: Dann steigt Deutschland im großen Stil auf Schneckenpost um. Oder lässt es gleich ganz mit den Briefen.

Die Post könnte dann unterbeschäftigte Briefzusteller zu DHL-Boten umschulen, die in den schicken posteigenen Elektro-Vans die Amazon-Päckchen ausliefern. Denn die DHL-Kollegen können Unterstützung sicherlich gut gebrauchen.

Anders als der Brief hat das Paket seine große Zeit ja noch vor sich. Deshalb brauchen wir auf Dauer dann auch mal große Paketkästen neben der Wohnungstür statt kleiner Briefkästen. In Paketkästen passt künftig am Samstag dann auch der angestaute Werbebrief-Wust der ganzen zurückliegenden Woche.

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