Die Initialzündung für die Firmengründung gaben die Großeltern. Sie baten ihren Enkel Jan Dabrowski, ihr Einfamilienhäuschen in Sachen Energiesparen auf Vordermann zu bringen. Zusätzlich wollten sie eine Solaranlage auf dem Dach. Blieb die Frage, wie sich künftig auch in sonnenarmen Zeiten Strom erzeugen ließe. Dabrowskis Idee: Ein kleines Windrad könnte das ganze Jahr über einen relativ stabilen Mix aus Wind- und Sonnenstrom erzeugen. Der Rotor springt ein, wenn die Solaranlage schwächelt: abends, nachts, in den Morgenstunden oder den Wintermonaten.
Zumindest in der Theorie – doch mit den verfügbaren Windmühlen war der 32-jährige Ingenieur Dabrowski unzufrieden: Zu niedrig erschien ihm die Energieausbeute, zu wartungsanfällig die Maschinen. Deshalb entwarf er ein eigenes Windrad und gründete zusammen mit dem Diplom-Kaufmann Martin Riedel Mitte 2011 das Unternehmen Enbreeze.
Kleinwindanlagen für den Hausgebrauch – das ist die Idee, die hinter dem Kölner Start-up steht. Damit folgen die Gründer einem Trend, der immer attraktiver wird, je höher die Stromkosten steigen: dezentrale Stromerzeugung. Die Jungunternehmer setzen auf die Energiewende von unten, also die Unabhängigkeit von großen Versorgern etwa durch Solarmodule oder Kleinwindanlagen. Doch obwohl nach Prognosen des Weltverbandes WWEA die installierte Kleinwindleistung von heute knapp 200 Megawatt auf deutlich mehr als 1000 Megawatt bis 2020 steigen wird (siehe Grafik), tun sich die Minimühlen in Deutschland schwer mit dem Durchbruch. Die Grenze zwischen Groß- und Kleinwindanlage wird üblicherweise bei 100 Kilowatt Leistung gezogen.
Zum einen sorgen eine geringe Einspeisevergütung und eine uneinheitliche Gesetzeslage bei den Genehmigungen der Anlagen, die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sind, für Hemmnisse. Zum anderen schaden schwarze Schafe dem Ruf der Branche: „Wenn der prognostizierte Jahresertrag einer Turbine, die irgendwo im Binnenland auf einem Hausdach aufgestellt werden soll, auf Windgeschwindigkeiten basiert, die nicht mal auf Helgoland herrschen, ist das hochgradig unseriös“, schimpfen Fachleute wie der Bochumer Kleinwindexperte Patrick Jüttemann über unseriöse Anbieter. Das hält viele Hausbesitzer davon ab, sich eine Mühle aufs Dach oder in den Vorgarten setzen zu lassen.
Unbegrenzte Einsatzmöglichkeiten
Ihr Heil suchen viele der gut 30 deutschen Kleinmühlenhersteller daher bislang vornehmlich im Export. Was die Zahl der Hersteller angeht, liegen die Deutschen dabei hinter Produzenten aus den USA und China weltweit auf Platz drei. Für sie spielt die Musik in Ländern wie Kanada, Dänemark, China, den USA, den Niederlanden oder Großbritannien.
Die Briten installierten 2012 im Segment bis 100 Kilowatt mehr als 3700 Windgeneratoren, so der britische Branchenverband für erneuerbare Energien. Insgesamt drehen sich auf der Insel bereits weit mehr als 20.000 Mühlen mit einer Leistung von zusammen 43 Megawatt. Das Umsatzvolumen für den Bau der kleinen Anlagen dort schätzen Experten auf rund 100 Millionen Euro. Den Weltmarkt beziffern sie mit knapp einer halben Milliarde Euro.
In Deutschland gibt es dagegen noch nicht einmal Angaben über die Zahl der aufgestellten Kleinrotoren. Nach Branchenschätzungen sind bundesweit nur rund 10.000 Minimühlen installiert.
Zu den erfolgreichen Exporteuren gehört zum Beispiel Braun Windturbinen aus Nauroth im Westerwald, das nach eigenen Angaben führende deutsche Unternehmen für Kleinwindanlagen mit zehn Mitarbeitern. Von den jährlich produzierten 160 Mühlen bleibt nur jede dritte im Land.
Auf exotische Einsatzorte hat sich Superwind aus Brühl bei Köln spezialisiert. Die kleinen Generatoren mit gerade mal 1,20 Meter Rotordurchmesser kommen beispielsweise bei der US-Küstenwache für die Stromversorgung von Leuchtfeuern oder auf Forschungsstationen in der Antarktis zum Einsatz. 70 Prozent der Jahresproduktion werden exportiert. Und auch Aircon aus Leer verkauft fast ausschließlich ins Ausland. Zuletzt sogar sich selbst: Im Juni 2012 wurden die Ostfriesen vom niederländischen Agrartechnikkonzern und Melkroboterhersteller Lely geschluckt.
Dabei sind die Einsatzmöglichkeiten kleiner Mühlen nahezu unbegrenzt. Ohne Anschluss an ein öffentliches Stromnetz können sie Bestandteil jeder autarken Insellösung sein: auf Yachten, Tankern oder Berghütten, neben abgelegenen Ferienhäusern, Strandcafés oder Forschungsstationen. Im Schwarzwald werden beispielsweise Hybridsysteme aus Solarmodulen und Windturbinen gebaut, um Mobilfunkmasten mit Strom zu versorgen.
Auch Greenpeace setzt auf die Kombination Sonne und Wind: Auf dem Dach ihres Ende September frisch bezogenen Hauptquartiers in der Hamburger Hafencity ließen die Umweltschützer neben einer Solaranlage auch drei Windmühlen des Wiener Herstellers Cleanvertec mit einer Leistung von jeweils 12,5 Kilowatt montieren. Doch obwohl Fotovoltaik und Kleinwindkraft aufgrund ihrer komplementären Stromerzeugung gut zusammenpassen, gibt es hierzulande bisher nur wenige Projekte. Der Grund, da sind sich Experten einig, ist vor allem den Problemen bei den Herstellern der Kleinwindanlagen geschuldet. Im Klartext: Am Markt tummelt sich viel Schrott.
Kunden fürchten ungünstige Windverhältnisse
„Viele dieser windigen Hersteller verlangen Vorkasse und verschwinden schnell wieder vom Markt“, klagt Dietmar Braun, Technischer Leiter beim Westerwälder Mühlenbauer Braun Windturbinen, über die schwarzen Schafe. „Durch das schlechte Image verlieren auch wir Aufträge.“ Das Familienunternehmen entwickelt seit mehr als 20 Jahren Kleinwindkraftanlagen bis 10 Kilowatt und zählt zu den führenden europäischen Herstellern.
Die Branche stehe noch am Anfang, konstatiert Experte Jüttemann: „Natürlich läuft da noch einiges schief.“ Der Geograf, ehemaliger Projektmanager des Wissenschaftsparks in Gelsenkirchen und bei der EnergieAgentur NRW, ist einer der wenigen Fachleute für Kleinwindanlagen in Deutschland und betreibt das Web-Portal www.klein-windkraftanlagen.com.
Ein weiteres Problem: Zwar gibt es in Deutschland zahlreiche Anbieter, doch keine eigenen Zertifizierungen für kleine Mühlen wie in Großbritannien oder den USA. Und auch diese Zertifizierungen sind teuer und aufwendig. „Kosten von rund 100.000 Euro sind für ein kleines Unternehmen nicht tragbar“, sagt Superwind-Chef Klaus Krieger. Eine Zertifizierung dürfe pro Anlage nicht mehr als 20.000 Euro kosten.
Die Zurückhaltung der Kunden in Deutschland liegt auch an den ungünstigen Windverhältnissen in vielen Gegenden. Für den wirtschaftlichen Betrieb einer Kleinanlage braucht es laut Paul Kühn, Leiter Standortbewertung beim Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) in Kassel, mittlere Windgeschwindigkeiten von 5,5, besser noch 6,0 Metern pro Sekunde. Und die gebe es hierzulande meist nur an den Küsten, allenfalls noch in einigen Lagen der Mittelgebirge. Dennoch, registriert auch IWES-Forscher Kühn, steigt das Interesse an den Minimühlen, vor allem bei Landwirten und Gewerbetreibenden. Diese Klientel haben auch die Enbreeze-Gründer im Blick, deren Turbinen zwischen 40.000 und 50.000 Euro kosten.
Riedel und Dabrowski lassen sich daher auch nicht vom Essener Stromriesen RWE abschrecken, der sich aus der Miniwindbranche zurückgezogen hat. Die RWE-Tochter Innogy, spezialisiert auf Stromerzeugung aus Wind, Solar oder Wasser, hat Ende September ihre Beteiligung am britischen Kleinwindunternehmen Quiet Revolution nach fünf Jahren wieder verkauft. Den Bereich Kleinwind werde RWE Innogy nicht weiter ausbauen, heißt es aus Essen.
Mit Abris Lelbach haben die Enbreeze-Gründer einen neuen Geldgeber gefunden, der sich mit seiner Industrieholding an Enbreeze beteiligt. Der ehemalige Berater der Treuhandanstalt kaufte 1998 die Elektrotechnikfirma Elpro in Ostberlin, die unter anderem Bahnstrecken mit Strom versorgt. Im Februar soll dann eine Zehn-Kilowatt-Turbine in die Pilotphase gehen. Mit der Mühle, so Riedel, ließen sich im Jahr mindestens 20.000 Kilowattstunden Strom erzeugen. Ein Vier-Personen-Haushalt verbraucht im Schnitt 5000 Kilowattstunden. Im August 2014 wollen Riedel und Dabrowski mit der Serienproduktion beginnen. Riedel: „50 Mühlen sollten es 2014 schon sein.“