Möglicher Rettungsschirm wegen Gaskrise Wird der Staat Stadtwerke vor der Pleite retten?

Braucht es einen staatlichen Rettungsschirm für die deutschen Stadtwerke? Viele Bürgermeister meinen: ja. Das Bundeswirtschaftsministerium scheint noch nicht überzeugt. Quelle: imago images

Der Bund hat den Gasgroßhändler Uniper mit Milliarden gerettet, doch auch die Stadtwerke als kommunale Energieversorger leiden unter der Gaskrise. Viele Politiker fordern einen Rettungsschirm, doch das Bundeswirtschaftsministerium zögert.

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Der 29. Januar 2022. Im Schloss Schönau am Hochrhein versammelt sich der Aufsichtsrat der Stadtwerke Bad Säckingen zur Krisensitzung. Der Überfall Russlands auf die Ukraine ist bei den meisten Deutschen zwar noch kein Thema, doch die Erdgaspreise sind Anfang des Jahres schon hoch. So hoch, dass der kommunale Energieversorger aus dem Süden Baden-Württembergs daran zu Grunde zu gehen droht.

Die Lage ist desolat. Zur Sitzung im Januar erscheint bereits ein Insolvenzanwalt. Bad Säckingens Bürgermeister Alexander Guhl (SPD) ist verzweifelt. „Die extreme und dramatische Situation“, so formuliert es Guhl intern, „sei unvorstellbar“. Guhl mutmaßt, die kommunale Daseinsvorsorge sei in Gefahr - aber er könne sich nicht vorstellen, dass die Stadtwerke Bad Säckingen mit der drohenden Pleite alleine dastünden.

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Mittlerweile fordert der Bürgermeister öffentlich einen staatlichen Rettungsschirm für die deutschen Stadtwerke. Ansonsten drohe Putins Wirtschaftskrieg viele kommunale Versorger und damit viele Bürger in den Abgrund zu reißen. Beim Deutschen Städtetag rennt Guhl damit offene Rathauspforten ein. Der Präsident des Städtetags, Markus Lewe, forderte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa): „Die Stadtwerke müssen in den Rettungsschirm für Unternehmen einbezogen werden. Wir fordern die Bundesregierung dringend auf, ein Insolvenzmoratorium auf den Weg zu bringen und mögliche Insolvenzen von Stadtwerken mit Liquiditätshilfen abzufangen.“

Und was meint Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck? Er erteilte diesem Vorhaben jüngst eine Absage. Es entspreche nicht dem föderalen Staatsaufbau, dass der Bund für Stadtwerke zuständig ist. Vielmehr müssten die Länder und Kommunen handeln, sagte Habeck. Im Bundeswirtschaftsministerium verweist man auf Paragraf 29 des Energiesicherungsgesetzes. Demnach seien finanzielle Sicherungsmaßnahmen „grundsätzlich auch zu Gunsten von Stadtwerken möglich“, solange „sich der vom Bund angestrebte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen lässt“. Aber: Ein Rechtsanspruch auf Rettung in der Not bestehe nicht. Der Einzelfall entscheide.

Die Chefs einiger Bundesländer denken da anders. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hält den Ruf nach einem Rettungsschirm für Stadtwerke für „absolut berechtigt“. Die Gesellschaft habe ein Interesse daran, dass die Stadtwerke weiterhin als „stabiler Anker“ fungieren können. In Bayern sieht man das mittlerweile ähnlich. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) unterstützt seinen Kollegen aus Niedersachsen. Söder meint: Wenn der Bund Uniper mit Milliarden rette, müsse auch den Stadtwerken geholfen werden.

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In Nordrhein-Westfalen befindet sich Söders Forderung indes bereits in der Umsetzung. Das Land spannt einen Schutzschirm über seine Stadtwerke, ein kommunaler Energieversorger hat darunter auch bereits Schutz gesucht. „Die Stadtwerke müssen handlungsfähig bleiben. Deshalb prüfen wir mit Hochdruck, wie wir die erforderliche Liquidität für die vorausschauende Beschaffung der Stadtwerke sichern können“, teilt das zuständige Ministerium für Kommunales und Heimat auf Anfrage mit. Die Landesregierung NRWs strebe eine „bundeseinheitliche und faire Lösung“ an, bei der man die Lasten gleichermaßen verteilen wolle.

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In Bayern heißt es (trotz Söders Vorpreschen) vom Wirtschaftsministerium des Freistaats: Man plane aktuell keinen Schutzschirm für die Stadtwerke. Zudem habe sich noch kein kommunaler Energieversorger mit Bitte um Hilfe an die Landesregierung gewandt.

Das Land Brandenburg wiederum gibt sich skeptisch, ob das Bundesland überhaupt seine Stadtwerke aus eigener Tasche retten könne. Die Stadtwerke „umfänglich finanziell abzufedern“ sei einem Landeshaushalt nach Corona nicht zuzumuten. Über mögliche Pläne des Bundes spekuliere man nicht.

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Und in Bad Säckingen? Dort fordert Bürgermeister Alexander Guhl öffentlich Hilfe für die örtlichen Stadtwerke vom Bund oder dem Land Baden-Württemberg. Das Finanzministerium in Stuttgart widerspricht: Derzeit sei ein Schutzschirm nicht geplant. Die Bad Säckinger wurden selbst tätig. Die Gemeinde rettete mit einer Finanzspritze von elf Millionen Euro die Stadtwerke vor der Pleite. Doch noch muss dem Vorhaben die Rechtsaufsicht am Landratsamt zustimmen. Ausgang: ungewiss.

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