Northvolt Deutschland Sind die Subventionen für die Batteriefabrik zu viel des Guten?

Zwei Mitarbeiter der Firma Northvolt gehen über eine Baustelle im Kreis Dithmarschen. Hier soll die Northvolt-Batteriefabrik für Elektroautos entstehen. Zum offiziellen Baustart am Montag wird auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erwartet. Quelle: dpa

Northvolt gibt den Startschuss für den Bau seiner Batteriezellenfabrik in Heide. Dass dafür Millionen an Subventionen fließen, bleibt nicht ohne Kritik. Ist der Staat zu spendabel?

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Mit dem symbolischen ersten Spatenstich für die Batteriefabrik Northvolt beginnt im schleswig-holsteinischen Heide ein Milliardenprojekt. Bis zu einer Million Batteriezellen für Elektroautos sollen hier künftig gebaut werden. Doch obwohl das schwedische Unternehmen stolze 4,5 Milliarden Euro an der Nordseeküste investieren will, tragen auch Bund und Land einen nicht unerheblichen Teil der Kosten: Die Fördermittel belaufen sich auf 902 Millionen Euro. Ist die öffentliche Hand hier zu großzügig?

Ja, sagt Moritz Schularick, Präsident des Kieler Instituts für Wirtschaft. Man habe sich „in einen Subventionswettlauf drängen lassen“, kommentiert Schularick. „Vermutlich wäre Northvolts Investment auch mit weit weniger Subventionen lohnend gewesen“. Das viele Staatsgeld freue nur die Anteilseigner, aus Sicht des Steuerzahlers fehle das Geld an anderer Stelle, meint Schularick.

Ein Blick auf die Gesamtausgaben der öffentlichen Hand für Subventionen zeigt: Die Tendenz ist deutlich steigend. Dies geht aus dem alle zwei Jahre erscheinenden Subventionsbericht des Bundes hervor, der zuletzt im September 2023 vorgelegt wurde. Die Gesamtsumme der veranschlagten Subventionen soll demnach sukzessive von 24 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf 48 Milliarden Euro im Jahr 2024 ansteigen. Auch wenn im Jahr 2021 rund 6 Milliarden Euro und im Jahr 2022 rund 7,6 Milliarden Euro nicht abgerufen wurden, ist die Tendenz klar.

Northvolt baut in Heide eine Großfabrik. Der Besuch im erstem Werk des schwedischen Batteriezellenherstellers zeigt: Es ist eine Riesenchance für die Region. Aber es drohen auch Wachstumsschmerzen.
von Florian Güßgen, Stefan Hajek

Schaulaufen in Heide

Angesichts der Fördersumme verwundert es kaum, dass zum offiziellen Baustart neben Northvolt-Chef Peter Carlsson nicht nur Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), sondern auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erwartet werden. In Regierungskreisen ist von einem Leuchtturmprojekt für die Energie- und Verkehrswende die Rede. Der Standort in einer Region mit einem Überangebot an Windenergie biete beste Voraussetzungen für die Erzeugung von grünem Strom.

Das Unternehmen will nach eigenen Angaben nicht weniger als die „grünste Batterie der Welt in Serie“ produzieren. Die Fabrik soll geklärtes Abwasser aus der Region zur Kühlung nutzen. Wärme aus der Produktion könnte in ein mögliches Fernwärmenetz der Stadt Heide eingespeist werden. Auch eine Anlage zum Recycling von Altbatterien aus ausrangierten Elektroautos ist geplant.

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Für das Land ist die Fabrik ein klarer Erfolg: Endlich wird nicht mehr nur darüber geredet, dass der reichlich vorhandene Ökostrom Industrie anziehen könnte, sondern es passiert auch. „Die Fabrik wird einen Schub für das ganze Land Schleswig-Holstein und insbesondere für die Westküste bringen“, hofft Landeswirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (CDU). Gemeinsam mit dem Bund wolle das Land die logistischen Voraussetzungen für den Betrieb schaffen. Die Region Dithmarschen könne mit der Fabrik und den bereits vorhandenen Forschungseinrichtungen sowie der reichlich vorhandenen grünen Energie zur Kompetenzregion für die Energiewende werden.

Northvolt baut seine Fabrik auf einer Fläche von 110 Hektar in den Gemeinden Lohe-Rickelshof und Norderwöhrden. 2026 soll die Produktion beginnen. Die Bedeutung der Fabrik geht weit über den Norden hinaus: Die deutsche Automobilindustrie will insgesamt unabhängiger von den dominierenden Zulieferern aus Asien werden.

Auf das Wie kommt es an

Auch das IfW hält die Förderung von Northvolt grundsätzlich für wichtig. „immerhin geht es hier um eine Schlüsseltechnologie zur grünen Transformation. Es ist besser, wenn der Staat in die Technologien von morgen investiert, statt zu versuchen, alte Industriezweige künstlich am Leben zu halten“, sagt Schularick. Allerdings sei aus wissenschaftlicher Sicht nicht ganz klar, unter welchen Umständen sich Subventionen lohnen. „Gezielte Förderung von Forschung und Entwicklung könnte die erfolgreichere Alternative sein.“

Er könne die Ansiedlung aus Sicht der Versorgungssicherheit und des Wissenszugangs nachvollziehen, aber eine solche Förderung wie in Heide müsse auch begleitet werden. Wer grüne Technologien mit fast einer Milliarde Euro fördere, müsse auch bereit sein, fossile Technologien gehen zu lassen. Wer 3000 Arbeitsplätze anziehe, müsse auch Infrastruktur und Wohnraum für die Fachkräfte bieten.

Northvolt-Chef Carlsson hatte zwischenzeitlich signalisiert, der Bau in Heide könnte sich verzögern. Als Gründe nannte er die vergleichsweise hohen Strompreise in Deutschland und höhere Subventionen in den USA. Das Unternehmen hatte stets die Standortvorteile der Westküste Schleswig-Holsteins betont. Dort wird an Land und auf dem Meer viel Windstrom erzeugt – den die Fabrik in großen Mengen benötigt.

Natrium-Ionen-Batterie

Seit 2021 liefen vor Ort Gespräche über die Ansiedlung, Anfang des Jahres genehmigte die EU-Kommission schließlich die Fördermittel und Garantien für das Projekt. Sie unterstützen den Bau der Batteriefabrik mit rund 700 Millionen Euro. Hinzu kommen mögliche Garantien über weitere 202 Millionen Euro. Von den Fördermitteln entfallen rund 564 Millionen Euro auf den Bund und bis zu 137 Millionen Euro auf das Land Schleswig-Holstein.

Das schwedische Unternehmen verfügt nach eigenen Angaben über einen Auftragsbestand von mehr als 50 Milliarden Dollar. Zu den Kunden gehören der Volkswagen-Konzern, BMW, Scania und Volvo Cars. Im schwedischen Västerås befindet sich ein Forschungs- und Entwicklungscampus für Batteriezellen. Ab 2022 wird das Unternehmen auch in einer Fabrik im schwedischen Skellefteå produzieren.

Branche sieht Förderung als nötig an

Der Elektro-Verband ZVEI sieht die Bundesrepublik bereits in einem Subventionswettlauf mit China, „will Deutschland also bei wichtigen Projekten in den Transformationstechnologien mitspielen und gleichzeitig wirtschaftlich unabhängiger werden will, muss auch Deutschland mit Subventionen arbeiten.“ Natürlich müsse die Förderung einzelner Unternehmen und Branchen gut überlegt sein, aber global stünden im Batteriebereich alle Zeichen auf Subvention.

Aus Sicht der Industrie sei der Bau von Northvolt ein wichtiger Schritt, um in der Versorgung unabhängiger zu werden, aber man dürfe bei der Fokussierung auf die Produktion das Ökosystem rund um die Hersteller nicht aus den Augen verlieren. Forschung und Entwicklung dürften nicht vernachlässigt werden, so der ZVEI. Hier habe Deutschland mit dem „Dachkonzept Batterie“ eigentlich eine international einzigartige Strategie, die aber aus Sicht des Verbandes durch die Kürzungen im Haushalt gefährdet sei. Im Zuge des Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts hatte die Bundesregierung die Forschungsförderung massiv gekürzt.

Diese Ansicht vertritt auch Gregor Grandl, Industrieexperte der Unternehmensberatung Porsche Consulting. Während er Fördermittel grundsätzlich als hilfreiches Instrument zur Unterstützung des Aufbaus eines Batterie-Clusters ansieht, sieht auch er in der Zusammenarbeit der Unternehmen entlang der Liefer- und Produktionskette in Europa noch Entwicklungspotenzial – vor allem in den Bereichen Material, Rohstoffe, Maschinen und Anlagen. Hier gelte es, Rahmenbedingungen zu schaffen und Risiken zu reduzieren, „beispielsweise der mittelständisch geprägte Maschinenbau braucht geeignete Strukturen und Möglichkeiten der finanziellen Risikoabsicherung, um das starke Wachstum zu stemmen.“

Aber auch an anderer Stelle sieht Grandl Veränderungsbedarf: Die hohen Kosten für Energie und Bürokratie könnten von großen europäischen Playern besser getragen werden. Die chronische Rohstoffknappheit des Kontinents erfordere zudem eine Kreislaufwirtschaft, in der alte Batterien wiederverwertet werden. „Mittelfristig wird es dafür EU-Regelungen geben, aber entscheidend ist, dass jetzt das Gesamt-Cluster inklusive der Sub-Cluster entsteht anstatt Abhängigkeiten von anderen“, sagt der Experte.

Doch nicht nur westliche Konzerne, sondern mit CATL in Erfurt auch die Chinesen bauen in Europa Kapazitäten in der Batteriefertigung auf. Der Branchenverband sieht das jedoch entspannt: „CATL ist Teil der Versorgung mit Batterien und ergänzt die Anstrengungen der EU zum Aufbau einer eigene Batterieindustrie“, heißt es. Perspektivisch werde China auch in Zukunft ein dominanter Marktteilnehmer bleiben.

Subvention ist nicht gleich Subvention

Die Förderung von Zukunftstechnologien durch den Bund macht nur einen kleinen Teil der Gesamtausgaben des Bundes aus. Laut Subventionsbericht werden für das laufende Jahr rund vier Milliarden Euro für die Förderung der Mikroelektronik, rund 2,5 Milliarden für die Förderung von Wasserstoffprojekten und etwas über 900 Millionen Euro für Habecks Klimaschutzverträge für die Industrie veranschlagt. Den mit Abstand größten Anteil hat dagegen die Förderung der Energieeffizienz in Gebäuden mit 18,7 Milliarden Euro.

Die Förderung des Wohnungswesens ist mit 22,3 Milliarden Euro nicht nur insgesamt fast so hoch wie die Förderung der gewerblichen Wirtschaft mit 26,9 Milliarden Euro, sondern macht mit einem Sprung von 8,4 Milliarden Euro auf knapp 20 Milliarden Euro in den Jahren 2022 und 2023 auch den Löwenanteil am Wachstumstrend der Subventionen des Bundes aus.

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Der Anteil der Subventionen am nominalen Bruttoinlandsprodukt wird nach Angaben des Bundes in den Jahren 2023 und 2024 voraussichtlich bei jeweils 1,6 Prozent liegen. In den letzten zwanzig Jahren war dieser Wert nie höher, in den Jahren 2014 bis 2018 lag die Quote nur bei 0,7. Betrachtet man das tatsächlich ausgezahlte Subventionsvolumen, so zeigt sich ab 2018 ein steiler Anstieg von rund 6 auf über 20 Milliarden Euro im Jahr 2022.

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Mit Material der Nachrichtenagentur dpa

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