Ölmarkt Trickst die OPEC mit den Förderzahlen?

Der Ölmarkt leidet unter Intransparenz. Experten halten manche Daten der OPEC für geschönt. Ausgerechnet ein kleines Start-up will Klarheit schaffen.

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Erdölraffinerie in Saudi-Arabien. Quelle: Getty Images

Gelangweilt patrouilliert der Soldat der österreichischen Streitkräfte vor der Glasfassade der Organisation der Ölexportierenden Länder (OPEC) in der Wiener Innenstadt. Viel zu bewachen hat er nicht. Planmäßig treffen die Ölminister der Golfstaaten und anderen Förderländer nur zwei Mal jährlich in der Wiener Zentrale zusammen. Der wahre Schatz der OPEC kann mit Gewehren zudem kaum gesichert werden: Er besteht aus Bits und Bytes und enthält die Förderdaten der ölreichsten Länder der Erde.

Jeden Monat veröffentlicht die OPEC, wie viel Erdöl ihre 14 Mitgliedsländer fördern. Besonders seit das mächtige Kartell im vergangenen November enge Förderlimits beschlossen hat, haben diese Zahlen an Relevanz gewonnen. Denn sie sind Teil der Bildung des Ölpreises, der den Motor der Weltwirtschaft am Laufen hält oder zum Stottern bringt.

Was Sie über den Ölpreis wissen müssen

Doch die Zahlen der OPEC machen Kritiker zunehmend stutzig. Andreas Goldthau von der Universität London bemängelt etwa angebliche Rechenspiele bei der Senkung der Ölförderung. So lässt die Organisation bei manchen ihren Statistiken ganze Zeilen weiß und trickst womöglich mit einem Referenzwert bei der Senkung der Ölproduktion. „Einige Rechnungen der OPEC sind schlicht nicht korrekt“, sagt Goldthau.

Doch nicht nur die Validität mancher OPEC-Statistik steht in der Kritik. Auch die Verzögerung, mit der diese Daten herausgegeben werden, wollen viele in der Branche nicht mehr hinnehmen.

Auf der sozialen Plattform Twitter hat sich bereits eine Art Gegengesellschaft aus Wissenschaftler und Brancheninsidern zur OPEC zusammengefunden. Hinter dem Kürzel OOTT und dem entsprechenden Hashtag (#OOTT) verbirgt sich die „Organisation of Oil-Trading Tweeters“.  

Die möglichen Lücken und Fragezeichen, die die Opec in ihren Statistiken hinterlässt, werden in diesem Forum von einer Fachgemeinde besprochen.

"Uns langweilen die OPEC-Gerüchte"

Auch Goldthau tauscht sich in diesem Forum mit Gleichgesinnten aus. Was das Fachpublikum erregt, sind etwa die weißen Zeilen, welche die OPEC in manchen ihrer Statistiken lässt. Als die OPEC im vergangenen November etwa die Förderkürzung beschloss, ließ sie die Zeilen zu ihren Mitgliedsländern Libyen und Nigeria einfach leer. Weil die beiden Krisenstaaten von den Förderkürzungen ausgenommen waren, wurden sie in der Statistik ignoriert.

Besonders trickreich sei laut Goldthau der „Referenzwert“ der OPEC-Förderstatistik von November 2016. Dieser sei nämlich keineswegs ident mit der monatlichen Förderung der einzelnen Mitgliedsländer, sondern liege etwa im Fall von Angola oder dem Iran deutlich darüber. „Die Senkung der Ölförderung wird aber von diesem Referenzwert berechnet. De facto senkte etwa der Iran in diesem Zeitraum seine Förderung überhaupt nicht, sondern erhöhte sie sogar“, schlussfolgert Goldthau. So könnten etwa dem Iran, der nach dem Wegfall der Sanktionen wenig Interesse an einer Förderreduktion hatte, durch solche Zahlenspiele laut Goldthau die Förderkürzungen schmackhaft gemacht worden sein.

Die OPEC ließ eine schriftliche Anfrage der WirtschaftsWoche zu den fragwürdigen Zahlen unbeantwortet.

Was den Ölpreis bestimmt

Zwei Engländer haben unterdessen ein Start-up gegründet, mit dem sie Ölförderung durch täglich aktualisierte Daten der weltweit verkehrenden Öltanker darstellen.

„Uns langweilten die OPEC-Gerüchte und auch ihre Verzögerung der Daten. Deshalb beschlossen wir, die Daten selbst zu tracken und zu analysieren“, sagte Samir Madani gegenüber der WirtschaftsWoche. Zusammen mit Lisa Ward entwarf Madani die Website tankertrackers.com, die einmal täglich die weltweiten Daten zur Ölverschiffung publiziert. Bis zu sechs Millionen Menschen pro Tag verfolgen laut Madani die Analysen der kleinen Projektplattform.

Begonnen hatte das Duo – Madani arbeitet in der Verbraucherindustrie, Ward ist in der Finanzbranche tätig – dabei relativ klein: Zuerst analysierten sie aus Interesse die Daten des Ölhafens von Louisana. Mittlerweile fließen die Daten von Häfen und Schiffen rund um den Globus in ihre Daten ein. Mit der Aufbereitung dieser Informationen über Twitter wollen sie Analysten und Investoren helfen, ein „größeres Bild“ zu bekommen.

Obwohl das Projekt noch die Züge eines Hobbys hat, konnten die Gründer schon erstaunliche Erfolge verbuchen: So sagte Tankertrackers in diesem Jahr laut eigenen Aussagen die Reduzierung der Exporte von Saudi Arabien in die USA voraus – und zwar zehn Tage, bevor die Reduzierungen griffen. Zudem habe Tankertrackers als erste über die Reduktion der schwimmenden iranischen Öllager berichtet.

Markant unterscheiden sich Tankertrackers auch in ihren monetären Zielen von der angestammten Ölbranche. Zwar plant das Duo, seine Website künftig kostenpflichtig zu machen. Doch noch werden Besucher auf ihrer Internetseite kostenfrei bedient. Für Kunden, die jetzt schon unbedingt etwas zahlen wollen, haben Madani und Ward einen Hinweis auf ihrer Seite platziert. „Wir wollen euer Geld nicht. Wir fühlen uns viel besser, wenn ihr es Einrichtungen für Kinder in Konfliktzonen spendet.“

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