
Das Bieterrennen um die ostdeutsche Braunkohle in der Lausitz geht in eine entscheidende Phase. Interessenten sind nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur bis Mitte März aufgerufen, verbindliche Angebote beim Energiekonzern Vattenfall abzugeben. Danach könnte sich schnell entscheiden, mit wem verhandelt wird. Es gibt momentan wohl vier Interessenten - drei tschechische Unternehmen und den Essener Energiekonzern Steag. Offiziell äußert sich Steag aber nicht zu einem möglichen Angebot für die Anlagen.
Eigner des Ruhrgebietskonzerns sind sieben Stadtwerke aus der Region, deren Vertreter im Aufsichtsrat eine solche Entscheidung mittragen müssten. Umweltverbände mobilisieren seit Wochen vor Rathäusern und der Essener Steag-Zentrale gegen einen möglichen Kauf - mit Erfolg. In den meisten Eigner-Kommunen haben Stadträte sich mit großer Mehrheit dagegen ausgesprochen.
Der sehr hohe CO2-Ausstoß des „Klimakillers“ Braunkohle ist dabei nur ein Argument. Die Kritiker in den Stadträten fragen auch, warum die Zukunft der ostdeutschen Braunkohlegruben ausgerechnet von einem westdeutschen Unternehmen in kommunaler Hand gesichert werden sollte, das wegen des abgestürzten Börsenstrompreises selbst nicht auf Rosen gebettet ist. Das ostdeutsche Revier sei mit Umweltrisiken belastet, die niemand verlässlich beurteilen könne.
Deutschlands Energieriesen im Vergleich
Mit über 122 Milliarden Euro Umsatz und weltweiten Kapazitäten zur Stromerzeugung von 61 Gigawatt im Jahr 2013 ist Eon Deutschlands größter Energiekonzern. Doch den Düsseldorfern machen die Folgen der Energiewende zu schaffen. Das klassische Stromgeschäft wirft wegen des wachsenden Anteils von Sonnen- und Windenergie immer weniger Geld ab. Zudem häufte Eon durch seine Expansion einen Schuldenberg von 31 Milliarden Euro an. Ende 2013 hatte der Konzern 62.200 Mitarbeiter.
Die Gewinne des zweitgrößten deutschen Versorgers sind wegen des niedrigen Börsenstrompreises 2014 rapide geschrumpft. Das betriebliche Ergebnis sank auf 4 Milliarden Euro und lag 25 Prozent unter dem Vorjahreswert. Der Außenumsatz des Konzerns ging von 52,4 auf 48,5 Milliarden Euro zurück. Die Nettoverschuldung von RWE bewegte sich 2014 mit 31 Milliarden Euro auf Vorjahresniveau. Ende 2014 beschäftigten die Essener weltweit knapp 59.800 Mitarbeiter.
Die Nummer drei der Branche will zum Treiber der Energiewende werden. Ende 2013 erzeugte EnBW knapp 20 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien wie Wind, Wasser, Sonne und Biomasse. Bis 2020 soll der Anteil 40 Prozent betragen. Die Karlsruher haben rund 20.000 Mitarbeiter und einen Umsatz von über 20 Milliarden Euro. Unrentable Kraftwerke und niedrige Strompreise sorgten unter dem Strich in den ersten neun Monaten 2014 für ein Minus von über 770 Millionen Euro.
Fallende Preise machten dem schwedischen Konzern 2014 zu schaffen. Der Umsatz sank auf 166 Milliarden Kronen (18 Milliarden Euro). Auch das bereinigte Betriebsergebnis von 2,6 Milliarden Euro fiel geringer aus - teils wegen Rücklagen für den deutschen Atomausstieg. 2015 will das Staatsunternehmen aus Stockholm mit 30.200 Mitarbeitern einen strikten Sparkurs fahren. In Deutschland erwägt Vattenfall einen Verkauf seiner Braunkohle-Sparte in Brandenburg und Sachsen.
Für Vattenfall ist der Moment für die Verkaufspläne des zweitgrößten Braunkohlereviers in Deutschland mit 8000 Jobs denkbar ungünstig. Seit der Pariser Klimakonferenz gerät der fossile Energieträger, der 2015 immerhin noch mehr als ein Viertel der deutschen Kraftwerks-Stromproduktion lieferte, politisch immer stärker unter Druck. Zugleich ist der Börsenstrompreis so stark gefallen, dass selbst die Braunkohle als nach der Atomenergie günstigste fossile Energieform derzeit kaum noch Gewinne erwirtschaftet.
Energiekonzerne wenden sich erneuerbaren Energien zu und benötigen dafür Investitionsmittel - auch einer der Gründe, warum der schwedische Staatskonzern Vattenfall die schmutzige Braunkohle abstoßen will. Bis zum Sommer soll der Verkauf über die Bühne gegangen sein. Wie zu hören ist, könnte die schwedische Politik das letzte Wort in dem Verkaufsprozess haben.
Vattenfall gibt sich beim Bieterverfahren zugeknöpft. Nach dpa-Informationen konnten sich Interessenten vor einiger Zeit Anlagen ansehen. Zum Verkauf stehen vier Kohlegruben in Brandenburg und Sachsen sowie mehrere Kraftwerke.
Neben Steag interessieren sich aus Tschechien die beiden größten Energieunternehmen CEZ und EPH sowie die Czech Coal Group des Milliardärs Pavel Tykac für das Lausitzer Revier. Der teilstaatliche Energiekonzern CEZ hatte unlängst mitgeteilt, bis zum 16. März ein Angebot abzugeben. Auch Tschechiens zweitgrößter Energiekonzern EPH will offenbar eines vorlegen. Zur EPH gehört bereits die Braunkohlegesellschaft Mibrag mit Sitz in Zeitz in Sachsen-Anhalt.
Schon lange fordern Umweltschützer und Grüne wie ein Mantra ein Auslaufen der Braunkohle-Verstromung. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks beharrt auf einem Ausstieg bis 2050 - spätestens. Bis zum Sommer will die SPD-Politikerin dafür einen Klimaschutzplan vorlegen. Einen Umbau in 20 bis 25 Jahren sozialverträglich zu gestalten, hält sie für möglich. Kürzlich stellte sie zudem der Lausitz in Sachsen und Brandenburg eine Bundesförderung in Aussicht, damit in der eher strukturschwachen Region alternative Arbeitsplätze entstehen können.
Die mächtige Industrie-Gewerkschaft IG BCE ist dagegen offen für einen Steag-Deal. Das Unternehmen bringe durch seine lange Erfahrung in der Kohleverstromung alle nötigen Voraussetzungen für einen Weiterbetrieb der ostdeutschen Braunkohle mit, sagte jüngst Gewerkschaftschef Michael Vassiliadis. Die finanziell goldenen Zeiten der Braunkohle seien keineswegs vorbei: Mit der Abschaltung der Atomkraft bis 2022 werde die Verstromung wieder lukrativ - noch rund 15 Jahre ließe sich mit Braunkohle gutes Geld verdienen. Vassiliadis ist nicht nur ein Energiepolitiker mit besten Kontakten zu Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), sondern nebenbei auch Vize-Aufsichtsratschef - bei Steag.