Solarwatt-Chef Neuhaus „Vorrang für Sonne und Wind muss bleiben“

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„Bevölkerung will raus aus der Kohle“

Klimaschutz sei wichtig, aber die Arbeitsplätze in den Kohlerevieren in Ost und West seien eben wichtiger, meint etwa NRW-Ministerpräsident Armin Laschet von der CDU.
Ich hätte mich sehr gefreut, wenn sich die Politik, genauso wie sie sich jetzt um die Kohlearbeitsplätze Gedanken macht, auch für die vielen Arbeitsplätze eingesetzt hätte, die in den vergangenen Jahren in der Solarindustrie verloren gegangen sind. Haben sie aber nicht. Sind die weniger wichtig? Das verstehe ich nicht. In der deutschen Solarbranche sind in den vergangenen drei bis fünf Jahren bis zu 80.000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Das sind mehr Arbeitsplätze als heute noch in der Kohleindustrie sind.

Direkt und in direkt hängen rund 55.000 Arbeitsplätze in Deutschland an der Kohle. Da bin ich doch völlig erstaunt, dass man mit moralischen Argumenten den Erhalt der Arbeitsplätze in der Kohle rechtfertigt. Aber in der Solarindustrie galten diese Argumente nicht. Dabei geht es bei der Solarindustrie ja nun wirklich um eine Zukunftstechnologie, was man bei der Kohle nicht sagen kann. Was die Politik auch überhaupt nicht zu beachten scheint: Die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland ist eben nicht für den Erhalt der Kohle als Energieträger. Außer den Arbeitern in der Kohlebranche finden sie kaum noch Menschen, die an der Kohle festhalten wollen. Die Bevölkerung will raus aus der Kohle. Das sollte Einfluss haben bei den Verhandlungen in Berlin über die künftige Energie- und Klimapolitik.

Die Solarbranche könnte also mit der Abschaffung der EEG-Umlage leben?
Klar ist, wir müssen an die Kosten der Energiewende ran. Aber klar ist auch, andere Energieträger wie Kohle oder Atomstrom sind über Jahrzehnte staatlich gefördert worden. Das hat nur keiner so richtig gemerkt, weil die Kosten nicht auf die Stromrechnung eines jeden Bürgers umgelegt worden sind, so wie bei den Erneuerbaren. Trotzdem: Das EEG muss überarbeitet werden. Ist eine Förderung der Einspeisung noch notwendig? Ich glaube nicht. Aber der Vorrang für Erneuerbare darf nicht wegfallen, weil es die richtige Energieform ist.

Wenn ich gesellschaftspolitisch überlege, welche die richtigen Energieträger sind, dann sind das eben Sonne und Wind und nicht Kohle, Gas oder Atom. Deshalb muss das Signal gegeben werden durch eine Industriepolitik, die den Erneuerbaren den Vorrang gibt. Dafür müssen diejenigen, die Erneuerbare nutzen, Anreize erhalten und dürfen, etwa für die Nutzung von Sonnenenergie, nicht auch noch bestraft werden. Wir müssen aufhören, das richtige Verhalten von Endverbrauchern zu sanktionieren.

Bestraft beim Einsatz von Erneuerbaren? Das müssen sie bitte erklären.
Wer eine PV-Anlage von mehr als 10 KW auf dem heimischen Dach hat, zahlt Abgaben pro selbstverbrauchte Kilowattstunde. Das ist eine Bestrafung. Wer sich aber eine Ölheizung für sein Haus kauft, und das für die nächsten 15 Jahre mit einem Ölbrennwertkessel tut, erhält staatliche Förderung. Wir belohnen die Nutzung eines fossilen Energieträgers? Das kann doch wohl nicht sein.

Gleichzeitig werden die Erneuerbaren von vielen Politikern negativ belegt. Es wird so getan, als seien die Erneuerbaren mit lauter Problemen behaftet. Das müssen wir zukünftig anders machen. Wir müssen sagen, ja wir können nicht von heute auf morgen zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien umstellen. Wir haben noch eine Zeit x, wo fossile und erneuerbare Energien parallel existieren. Wir müssen einen sozialverträglichen Ausstieg aus der Kohleverfeuerung finden. Aber wir setzen da, wo wir können, positive Signale für den Einsatz von Erneuerbaren und negative für die Nutzung fossiler Energieträger.

Ist Ihr Stromverbrauch zu hoch oder zu niedrig?
Einfamilienhaus ohne elektrische WarmwasserbereitungFür den diesjährigen Stromspiegel hat das Bundesumweltministerium gemeinsam mit Partnern aus Forschung, Wirtschaft und Verbraucherschutz mehr als 160.000 Verbrauchsdaten deutscher Haushalte erfasst. Dank dieser kann nun unter anderem bestimmt werden, dass ein aus vier Personen bestehender Haushalt, der ohne elektrische Warmwasserbereitung nicht mehr als 2900 Kilowattstunden pro Jahr verbraucht, der Kategorie A angehört. Dies entspricht der umweltfreundlichsten Kategorie. Haushalte mit dieser Wertung verbrauchen weitaus weniger Strom als der Durchschnitt. Quelle: dpa
Einfamilienhaus ohne elektrische Warmwasserbereitung Quelle: dpa
Einfamilienhaus mit elektrischer Warmwasserbereitung Quelle: dpa
Aus dem Stromspiegel geht hervor, dass das Umweltministerium für einen Vierpersonenhaushalt mit elektrischer Warmwasserbereitung einen theoretischen Maximalwert von 8000 Kilowattstunden ermittelt hat. Sofern Sie und Ihre drei Haushaltsmitglieder in einem Einfamilienhaus innerhalb eines Jahres sogar über diesem Wert liegen, sollten Sie dringend handeln. Quelle: ZB
Wohnung im Mehrfamilienhaus ohne elektrische Warmwasserbereitung Quelle: dpa
Stromzähler Quelle: dpa
Sollten Bad und Küche mit elektrisch erhitztem Wasser versorgt werden, erhöht sich der Verbrauch um zusätzliche 400 kWh. Das trifft auf etwa ein Drittel aller deutschen Haushalte zu. Sollten Sie unter diesen Umständen im Mehrfamilienhaus mit vier Personen weniger als 2800 Kilowattstunden verbrauchen, befinden Sie sich im optimalen grünen Bereich. Quelle: dpa

Was muss noch reformiert werden beim EEG?
Wir müssen Anreize setzen, damit Erneuerbare genutzt werden. Etwa im Mittelstand durch Steuervorteile. Wir müssen Mieter an den Erneuerbaren partizipieren lassen.

Das Gesetz für Mieterstrommodelle gibt es doch seit kurzem. Damit können auch Mieter von Solaranlagen auf den Dächern profitieren.
Ja, endlich. Aber schauen sie sich mal das Pamphlet an. Das ist ein bürokratisches Ungetüm. Da mögen große Wohnungsgesellschaften genug Leute haben, sich damit auseinanderzusetzen, aber doch nicht ein Besitzer eines Mehrfamilienhauses. Wir machen die Dinge einfach immer viel zu kompliziert.

Wir müssen jenseits der Regularien, die wir vereinfachen müssen, bei der Bevölkerung ein Klima erzeugen, dass klar wird, die Leute haben was davon, wenn sie auf Erneuerbare Energien setzen. Das vernachlässigt die Politik. Die Mehrheit der Leute ist doch für den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Mehrheit ist auch dafür, dass wir die erneuerbaren Energien stärken und fördern. Das ist ein klares Votum und das wird von CDU/CSU und FDP völlig ignoriert.

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