Agent Provocateur Luxusindustrie hat Dessous lange vernachlässigt

Seite 2/2

Eine ganz besondere Herausforderung

Hatten die Kunden Hemmschwellen, ein Dessousgeschäft zu betreten?

Ja, weil sie sich unwohl fühlen, weil sie denken, sie seien keine 20 Jahre mehr jung und hätten keine perfekten Körper. Die Realität ist aber, dass wir alle Produkte in allen Größen anbieten und Einzelteile verkaufen – es gibt von jedem Modell für jeden Körper das passende Stück. Wir haben 27 verschiedene Größen für BHs.

Viele Ihrer Produkte sehen aus, als benötigten sie eine Bedienungsanleitung, um sie anzulegen, mancher BH kostet 1000 Euro. Das kann man doch nicht im Alltag tragen.

In manche kommt man nur umständlich rein, aber dafür haben wir Modelle, die ganz normal im Alltag getragen werden. Diese Linien machen etwa 40 Prozent unseres Geschäfts aus.

Wer trägt denn BHs mit bunten Rüschen oder knalligen Farben im Büro?

Die ausgefeilteren Dinge sind sicher für spezielle Gelegenheiten – Urlaube oder Parties. Aber in unserem Shop im Finanzviertel in London kaufen auch Partnerinnen von Goldman Sachs ihre Wäsche fürs Büro.

Bankerinnen, die in Ihrer Unterwäsche Millionengeschäfte abwickeln?

Eine Reihe von Kundinnen, die konservative Kostüme oder Kombinationen von Armani oder Gucci tragen wählen darunter unsere farbenfrohen Modelle. Sie fühlen sich gut darin. Es macht sie mental an.

Bitte?

Gut sitzende Unterwäsche, die nicht kneift und schön ist, lässt sie aufrechter gehen und gibt Ihnen Selbstbewusstsein. Männer kennen den Effekt, wenn sie beim Sport sehr enge Funktionswäsche mit Kompression tragen – sie fühlen sich schneller und muskulöser.

Es klingt, als seien verruchte Dessous eine Vernunftsentscheidung. Dennoch gibt es in einigen Ihrer Boutiquen neutrale Tüten für Kunden, die nicht wollen, dass jeder sieht, wo er gekauft hat.

Haben wir die?

Ja, in New York.

Oh, das wusste ich nicht. Aber die USA sind speziell, da muss man mehr Rücksicht nehmen als in Europa. Wir hatten lange keine Chance, einen Shop in Texas zu eröffnen. Die Malls wollten uns nicht, sie sind familiengeführt, sehr konservativ. Ich konnte dann einer 70jährige Besitzerin einer Mall unsere Shops am Rodeo Drive und die in einer der luxuriösesten Malls der Staaten in Bal Harbour in Miami vorstellen. Dann sagte sie: „Es wäre mir eine Ehre, wenn sie bei mir in der Mall vertreten wären.“ Und heute ist der Shop ein großer Erfolg. Der Bedarf ist da und es geht darum, einige Empfindlichkeiten der Menschen zu berücksichtigen.

Dennoch heißt es, dass der Hauptanteilseigner Ihres Unternehmens, 3i, seine Anteile verkaufen will. Endet da eine Ehe unglücklich?

Sie halten in etwa 70 Prozent der Anteile, der Rest liegt in den Händen des Managements, zum Teil auch meinen. Sie haben sich von Goldman Sachs beraten lassen und sind zu der Überzeugung gelangt, dass noch Wachstum in dem Markt möglich ist. Derzeit stehen also keine Verkaufsgespräche an. Ich vermute, dass sie noch einige Jahre dabei bleiben und es dann verkaufen. Das gehört zum Geschäftsmodell von Private Equity. Aber sie sind zufrieden mit der Marke.


Die Liste der Unternehmen, die 3i sonst besitzt, klingt wenig erotisch.

Nein, sie sagen mir auch immer, dass sie neben all dem gefrorenen Fisch oder Hydrauliksachen mit uns einen großen Vorteil haben: In 75 Prozent aller Fälle, in denen wir erwähnt werden, wird auch 3i genannt. Die Wirtschaftszeitungen nutzen die Gelegenheit, zu einem Artikel über 3i auch ein Motiv aus unserem Portfolio zu zeigen. Und wir sind eines ihrer kleinsten Investments, wenn es um Geld geht. Es hat ihrem Image geholfen. Am Anfang haben sie ein wenig mit sich gerungen, über Slips und Strümpfe zu reden, aber nun scheinen sie stolz zu sein.

Wie kam es überhaupt dazu?

Das war wohl mein Fehler. Ich hatte in das Unternehmen investiert. Die beiden Gründer ließen sich scheiden und konnten nicht mehr zusammenarbeiten und suchten selber einen Käufer. Ein Freund von mir, mit dem ich Tennis spielte, war Direktor bei 3i und ich rief ihn an und erzählte ihm, dass ich in diese kleine, verrückte Company investiert hätte, eine Marke mit viel Potential. Einen Tag später rief er zurück. Es war aber zu der Zeit eine sehr überraschende Vereinigung.

Sie expandieren nun mit einer preiswerteren Wäsche-Linie, die im Gegensatz zur Kernlinie auch im normalen Handel zu bekommen sein soll. Warum nicht erst was für Männer?

 Wir wurden oft gefragt, aber ich habe kein Interesse. Die Boutiquen haben eine Atmosphäre, die sich an Frauen richtet. Wenn wir eine Ecke mit Männerunterhosen hätten, würde das die ganze Stimmung verändern. Und der Bedarf ist bei Männern nicht so groß. Männer haben eine Marke Unterhosen, die sie mögen – und das reicht ihnen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%