Bäckerhandwerk Wo es in Deutschland noch gutes Brot gibt

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Die deutsche Brotvielfalt

So unterschiedlich die Ansätze von Weber und Baier auch sind, eines haben die beiden schwäbischen Bäcker gemeinsam: ihren hohen Anspruch an die Qualität. Ihre Brote enthalten Wasser, Mehl, Hefe und Sauerteig, das ist alles – in Deutschland mittlerweile eine Seltenheit. Mehr als 70 Zusatzstoffe wie Aminosäuren, Enzyme und Stabilisatoren sind offiziell erlaubt. Zwei Drittel der Backwaren entstehen industriell, wandern in Supermarkt oder Discounter in den Einkaufskorb. Deutschlands größter Bäcker heißt Edeka. Das Unternehmen erwirtschaftete 2015 mit Brötchen, Brezeln und Broten einen Umsatz von 600 Millionen Euro.

Abends essen wir heute Pizza und Nudeln. Aber dafür mampfen wir plötzlich mittags im Restaurant Stullen. Das ist die goldene Post-Starbucks-Ära in Deutschlands Bäckereien.
von Marcus Werner

3200 verschiedene Brotsorten gibt es in Deutschland, so viele wie in keinem anderen Land. Die Unesco hat die deutsche Brotvielfalt, durch Kleinstaaterei entstanden, zwar zum Weltkulturerbe ernannt – doch das tägliche Brot der Deutschen hat mit Sortenfülle und Genuss meist wenig zu tun. Viele Kunden greifen aufgrund der unschlagbar niedrigen Preise zur Industrieware. „Wenn eine ungelernte Kraft einen industriell gefertigten Teigling in den Ofen schiebt, dann können wir nicht mithalten“, sagt Daniel Schneider, Geschäftsführer des Zentralverbands des deutschen Bäckerhandwerks.

Die industrielle Konkurrenz verdrängt das Handwerk. In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Zahl der Bäckereien in Deutschland auf rund 12 000 halbiert. Jede Woche geben im Schnitt fast neun Betriebe auf. An dem Niedergang ist allerdings nicht nur die Industrie schuld, die Handwerksbetriebe sind mitverantwortlich. Qualität spielt für sie oft keine Rolle mehr. „Deutsche Bäcker rühmen sich, dass sie den niedrigsten Mehlpreis bezahlen“, sagt Baier. „Französische Bäcker rühmen sich, dass sie mit dem besten Weizen arbeiten.“

Die sieben Erfolgsfaktoren gesunder Ernährung

In Frankreich bietet ein Starbäcker wie Eric Kayser der Industrie Paroli, indem er Brot zur Delikatesse erhebt. Wie ein Modedesigner veredelt er seinen Namen (und seine Produkte) mit dem Zusatz „Paris“ und weist selbstbewusst darauf hin, dass er auch Filialen in London und New York betreibt. In Deutschland denken die meisten Bäcker lieber klein und setzen auf Chemie statt Glamour. Technische Enzyme sorgen dafür, dass auch weniger gute Weizensorten verarbeitet werden können und die Backeigenschaften das ganze Jahr über konstant bleiben. Backmittelhersteller wie die Ulmer Spatz, eine Tochter des internationalen Marktführers CSM, versprechen Bäckern den „Wachstumsschub für Ihr Brotgeschäft“, wenn sie vorproduzierte Mischungen anrühren wie Schuhbecks Gewürzkruste, für die der bayrische Sterne-Koch mit Gesicht und Namen wirbt. Das Konzept ist immer dasselbe: Plakate und Produkt-Banderolen können die Bäcker mitbestellen.

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