Ändert sich das Luxus-Verständnis auch, weil sich mittlerweile selbst ein Mitglied der Mittelschicht eine Loius-Vuitton-Tasche leisten kann?
Distinktion, Abgrenzung, spielt immer eine Rolle im Luxus. Wenn sich viele ein Produkt leisten können, verliert es bei einer gewissen Elite an Wert. Das ist natürlich das Dilemma der großen Konzerne. Die möchten einerseits wachsen, die aufstrebende Mittelschicht bedienen. Gleichzeitig möchte man sich die Exklusivität bewahren. Manche Konsumenten wenden sich von den alten Luxus-Konzernen ab und suchen sich neue Reviere, um sich vom Rest wieder abzugrenzen.
Dass Luxus-Hersteller gerade gute Geschäfte machen, liegt also daran, dass die Mittelschicht zuschlägt?
Kann man so sagen, global gesehen wächst die Mittelschicht. Und die Elite wendet sich von dem ab, was zur Masse geworden ist. Sie versuchen, aus dem Weniger ein Mehr zu machen. Genau das führt auf der Produktebene zu einer Verschlichterung. Auf Erlebnisebene führt es dazu, dass ich Genuss aus dem Einfachen schöpfen will.
Entsteht gerade ein neuer Markt oder versuchen sich die alten Konzerne dem anzunähern?
Beides. Es sind alte Unternehmen, die diese Zeichen erkennen und sich weiterentwickeln. Sie setzen dann noch stärker auf Handwerk, Erlebnisse und Dienstleistungen rund um ihre Produkte. Es sind aber auch neue Unternehmen, die vielleicht gar nicht so sehr unter dem Label Luxus laufen möchten.
Zum Beispiel?
Der englische „Quiet Shop“ im Warenhaus Selfridges präsentierte Markenprodukte von Levis, Heinz oder Marmite ohne Logos. Es zählte das Design, nicht der Schriftzug. Ein weiteres Beispiel sind dickwandige, schlicht wirkende Keramikschalen des japanischen Töpferers Kichizaemon. Die sehen ganz schlicht aus, kosten aber zwischen 30.000 und 140.000 Euro. Mitunter versteckt sich der neue Luxus sogar ganz. Die Manufaktur Nymphenburg hat ein Porzellanset für 29.500 Euro im Angebot, bei dem sich das handgemalte Dekor an der Unterseite befindet. Damit es nicht ganz verborgen bleibt, wird ein Esstisch mit integriertem Spiegel mitgeliefert.
Klingt nach Einzelbeispielen.
Natürlich. Das sind die Vorreiter. Es ist noch eine Nische, die sich noch nicht auf die Masse ausgedehnt hat. Dann ginge ja auch wieder die Exklusivität verloren. Aber andere werden sich daran orientieren.
Müssen wir uns denn nun Sorgen um die Produzenten von 100.000-Euro-Uhren und Nobel-Fahrzeugen machen, die den Prunk in den Vordergrund stellen?
Die werden sicher noch einige gute Jahre vor sich haben. Es gibt viele wachsende Märkte, die sie bedienen können. Nur sind die nicht mehr unbedingt in Westeuropa. Die alten Luxus-Unternehmen werden noch Zeit haben, sich an die veränderten Bedingungen anzupassen. Ausruhen können sie sich dennoch nicht. Die Eliten auf den neuen Märkten werden sich vermutlich schneller an dem neuen Luxusverständnis im Westen orientieren als ihnen lieb ist.