London Die Deutsche Post peilt im wichtigen Weihnachtsgeschäft einen neuen Rekord in ihrem boomenden Paket-Geschäft an und will in Europa weiter expandieren. Als Marktführer in Deutschland wollen die Bonner die „Vereinten Paket-Nationen von Europa“ aufbauen, sagte die neue Post-Finanzchefin Melanie Kreis, in einem am Sonntag veröffentlichten Interview der Nachrichtenagentur Reuters. Im kommenden Jahr wolle die Post Pakete auch in Spanien und Portugal zustellen und ihr Netz in Europa damit ausbauen.
„Wir liefern in Deutschland im Durchschnitt bis zu vier Millionen Pakete pro Tag aus, vor Weihnachten werden es mehr als acht Millionen sein. Dies wäre ein neuer Rekord“, sagte Kreis. Zuwächse im vierten Quartal könnten der Post helfen, ihr Jahresziel zu erreichen: Der Konzern will den operativen Gewinn (Ebit) 2016 auf 3,4 bis 3,7 (Vorjahr: 2,41) Milliarden Euro steigern. „Für das Gesamtjahr haben wir eine klare Guidance, und wir tun alles, um sie zu erreichen“, betonte Kreis.
Die Post will weiter vom florierenden Online-Handel profitieren und ihr Zustellnetz für Pakete in Europa ausbauen: „Spanien und Portugal wollen wir im nächsten Jahr in unser Paket-Netz integrieren“, kündigte Kreis an. Der Konzern ist im Paket-Geschäft aktuell in 18 europäischen Ländern aktiv. „Wir arbeiten an den weißen Flecken, die es dort in Europa noch auf der Karte gibt“, sagte Kreis. In Spanien und Portugal habe die Post bereits eine Tageszustellung im Express-Bereich – „wir können dies auch mit Paketen leisten“. Weitere Schritte könnten folgen: „Wir wollen auf Basis unserer starken Position in Deutschland die 'Vereinten Paket-Nationen von Europa' aufbauen.“
Der Briefmarkt in Zahlen
Dank E-Mail und Smartphone schreiben die Deutschen immer seltener Briefe. In diesem Jahr stellen die Briefdienste nur noch etwa 15,7 Milliarden Briefe zu. Vor fünf Jahren waren es noch 16,4 Milliarden Briefe, berichtet die zuständige Bundesnetzagentur in ihrem Tätigkeitsbericht.
Die meisten dieser Briefe stellt die Deutsche Post zu. Ihr Marktanteil liegt bei 87,3 Prozent, berichtet die Bundesnetzagentur. Damit hat sich die Situation in den vergangenen fünf Jahren nur leicht verändert: 2010 kamen die Konkurrenten der Deutschen Post gemeinsam auf etwa 10 Prozent Marktanteil, heute sind es 12,7 Prozent.
Trotz der sinkenden Briefzahlen: Der Umsatz des Marktes ist kaum geschrumpft. Vor fünf Jahren lag er noch bei rund 9 Milliarden Euro, 2015 liegt er bei etwa 8,7 Millionen Euro. Den Großteil davon erwirtschaftet die Deutsche Post. Nur etwa 1,1 Milliarden Euro Umsatz machen die Konkurrenten.
Grund für den fast gleichbleibenden Umsatz sind auch Preiserhöhungen: 55 Cent kostete vor fünf Jahren noch die Briefmarke für einen Standardbrief bei der Deutschen Post. Seit dem hat der Bonner Konzern das Porto in drei Schritten auf 62 Cent erhöht. Im kommenden Jahr wird das Porto auf 70 Cent steigen.
Für Großkunden ändern sich die Preise nicht so stark, auch, weil die Post ihnen Rabatte gewährt. Doch wenn die Post das Porto erhöht, heben oft auch die Konkurrenten die Preise an.
In der Bundesrepublik hatte die Post nach eigenen Angaben im Paket-Geschäft einen Marktanteil von rund 44 Prozent – nach 39 Prozent im Jahr zuvor. Die Post will Wettbewerbern wie UPS oder Hermes dabei Marktanteile abjagen. Kreis erwartet, dass der Paketmarkt in Deutschland weiter zulegt: „Wir gehen weiter davon aus, dass der Paketmarkt in Deutschland jährlich zwischen fünf und sieben Prozent wachsen wird. Und wir wollen schneller wachsen als der Markt.“
Immer mehr Kunden bestellen ihre Waren im Internet bei Online-Händler von Amazon bis Zalando. Amazon testet indes Modelle, Pakete selbst zuzustellen – der US-Konzern lässt Drohnen fliegen, stellt Paket-Stationen in Großstädten auf, eröffnet Verteilzentren und arbeitet selbst an Modellen für die Zustellung von Bestellungen noch am gleichen Tag.
Was die Post mit ihrer Strategie 2020 erreichen will
Auch der Kohlenstoffdioxid-Ausstoß soll verringert werden: Bis 2020 will die Post ihre Energie-Effizenz um 30 Prozent verbessern. Vor kurzem kaufte der Dax-Konzern zum Beispiel den deutschen Elektroauto-Entwickler Streetscooter auf.
Die Aktie Gelb soll weiter steigen: Post-Chef Frank Appel möchte zur ersten Wahl für Anleger werden. Zwischen 40 und 60 Prozent des Nettogewinns sollen die Aktionäre jährlich als Dividende ausgeschüttet bekommen.
Auch die Kundenzufriedenheit soll steigen - auf über 80 Prozent. Nach Recherchen der WirtschaftsWoche beschwerten sich allerdings vor allem deutsche Großkunden zuletzt über die Briefzustellung.
Der Gewinn ist die wichtigste Ziellinie in der Strategie 2020: Bis zum Ablauf der Frist will Appel fünf Milliarden Euro Plus machen. Dazu müsste er pro Jahr den Gewinn um acht Prozent steigern. Die Brief- und Paketsparte, die ihren Umsatz vor allem in Deutschland macht, soll drei Prozent Gewinnsteigerung pro Jahr dazu beisteuern - das Expressgeschäft, die Logistik- und Speditionssparten müssen zehn Prozent mehr im Jahr verdienen.
Kein anderer Dax-Konzern hat so konkrete und zugleich so ehrgeizige Ziele.
In Deutschland hat der durch den Onlinehandel ausgelöste Paketboom die Deutsche Post weit nach vorne getrieben. Jetzt will der Bonner Konzern diesen Effekt auch in den Schwellenländern mitnehmen: Bis 2020 soll sich der Marktanteil in diesen Regionen von 22 auf 30 Prozent erhöhen. Der Fokus liegt dabei auf Brasilien, Indien, China, Russland und Mexiko.
Auch bei den Mitarbeitern möchte die Post die erste Wahl sein. Ziel des Vorstand ist es, in den Mitarbeiterbefragung eine Zustimmungsquote von über 80 Prozent zu erlangen. Zuletzt lag die Quote bei ungefähr 70 Prozent.
Amazon könnte also vom Großkunden zum Konkurrenten werden. Kreis reagiert gelassen: Die Post verfüge in Deutschland über eine starke Position, Amazon wolle die Wünsche der Kunden erfüllen, die Post helfe dabei. „Amazon ist ein wichtiger Kunde, mit dem wir eng zusammenarbeiten. E-Commerce ist aber mehr als Amazon“, betonte die Finanzchefin. „Wir haben auch viele kleinere Kunden, die für starkes Wachstum sorgen. Wir sind von keinem Kunden abhängig“, machte Kreis klar. Das Geschäft des Konzerns hänge nicht an Amazon: „Kein Kunde macht mehr als zwei Prozent des Gruppenumsatzes aus – auch Amazon nicht.“