„Draufhauen ist ein Auslaufmodell“ So laufen Einkaufsverhandlungen im Handel

Dr. Kiran Mazumdar, promovierter Ökonom, ist Geschäftsführer und Mitgründer der internationalen Einkaufsberatung Inverto. Quelle: Presse

Kiran Mazumdar ist Geschäftsführer der internationalen Einkaufsberatung Inverto. Im Interview erzählt er, wie Handelskonzerne kleinere Mittelständler zermürben und gegen große Markenhersteller nicht zu vorlaut auftreten dürfen.

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Herr Mazumdar, Edeka verbündet sich mit anderen europäischen Handelsunternehmen zu einer Einkaufsgemeinschaft, um dem Markenhersteller Nestlé Rabatte abzuringen. Kann das gut gehen?
Edeka hat sich mit Partnern zusammengeschlossen, um die eigene Marktmacht zu erhöhen. Aber Nestlé ist ein noch stärkerer Gegenspieler. Alleine ist Edeka im internationalen Kontext ein Fliegengewicht, im Verbund bei der Einkaufsallianz AgeCore ein Mittelgewicht. Aber Nestlé ist ein Schwergewicht. Für Edeka wird es nicht leicht, den Kampf zu gewinnen.

Warum geht Edeka dann überhaupt so mutig voran?
AgeCore hat einen neuen Chef, der möglicherweise Kenntnis darüber hat, dass andere Handelskonzerne bessere Konditionen erhalten. Es ist verständlich, dass man nicht schlechter behandelt werden möchte als die Wettbewerber. Aber das reicht nicht, um Nestlé zu Zugeständnissen zu bewegen. Es gibt keine Leistung ohne Gegenleistung.

Was heißt das?
Meist verhandeln Handelskonzerne und Lebensmittelhersteller von Ende Oktober bis Ende Januar. Es geht um die Konditionen für das kommende Geschäftsjahr. Die Verhandlungen laufen über viele Runden. Zunächst werden auf oberster Managementebene die Kopfkonditionen festgelegt. Ein Beispiel: Macht ein Handelskonzern mit den Marken eines Herstellers ein Prozent mehr Umsatz, könnte der Zulieferer ihm etwa einen Rabatt von 0,1 Prozent gewähren. Danach gehen die Verhandlungen aber erst richtig los. Denn dann geht es um die Basiskonditionen. Die Handelskonzerne müssen dem Hersteller darlegen, wie sie es schaffen wollen, mit den Produkten den geplanten Mehrumsatz zu machen. Sie müssen den Lieferanten Gegenleistungen anbieten, etwa Sondervermarktungen zur Grillsaison. Das ganze Jahr wird dann im Vorfeld mit konkreten Verkaufsaktionen durchgeplant. Je mehr Ländergesellschaften eingeschaltet sind, desto länger dauert so ein Prozess.

von Mario Brück, Henryk Hielscher, Christian Schlesiger, Volker ter Haseborg

Und Markenhersteller sitzen grundsätzlich am stärkeren Hebel?
Es kommt auf die Stärke der Marke an und weniger auf die Größe des Unternehmens. Für die Handelskonzerne sind bestimmte Artikel überlebenswichtig, um Kunden in die Filialen zu locken. Solche ´Eck-Artikel` sind für den Handel unverzichtbar. Wenn ein Supermarkt während der Weltmeisterschaft in Russland keine Chio Chips und Funny Frisch anbieten kann, dann werden viele Verbraucher ihren kompletten Einkauf eben dort erledigen, wo sie die Chips für den Fußballabend bekommen. Der Hersteller Intersnack hatte für dieses Jahr sicher eine gute Verhandlungsposition. Jeder Markenhersteller versucht, solche Eck-Artikel aufzubauen. Für den Lebensmittelkonzern Nestlé sind das etwa Wagner-Pizza, Maggi, Thomy und Smarties. Die dürfen in keinem Sortiment eines Supermarktes fehlen.

Dennoch haben das Bundeskartellamt und die Monopolkommission vor zwei Jahren vor der Marktmacht von Edeka gewarnt. Wie kann das sein?
Edeka hat gegenüber Herstellern von schwachen Marken eine große Einkaufsmacht, die Edeka implizit ausspielen wird. Es kommt daher regelmäßig vor, dass die Unternehmen, die sich schlecht behandelt fühlen, beim Markenverband um Schützenhilfe bitten. Die Interessenvertretung der Markenhersteller schaltet sich dann in den Verhandlungsprozess ein, legt etwa in einem Brief Beschwerde bei dem jeweiligen Händler ein. Das alles ist aber Teil der zahlreichen Verhandlungsspielchen.

Genauso wie das Brüllen, wenn man mit dem Angebot der Gegenseite nicht einverstanden ist? Lidl soll ja als Verhandlungspartner besonders harsch vorgehen.
Die Zeiten haben sich verändert. Draufhauen ist ein Auslaufmodell. Den Typ Einkaufsmanager, der in Verhandlungen laut wird, um seine Konditionen durchzusetzen, gibt es kaum noch. Früher gab es so manche schwarze Schafe, heute hat sich das Einkaufsmanagement professionalisiert.
Was raten Sie einem Mittelständler, der mit seiner Marke im Sortiment eines Handelskonzerns aufgenommen werden möchte?
Im Prinzip läuft es ab wie bei einem Start-up. Der Unternehmer muss seine Marke pitchen. Es muss schnell klar werden, welchen Deckungsbeitrag die Handelskette mit der Marke erwirtschaften kann, und welchen langfristigen Wert die Marke für den Händler bedeutet. Im Idealfall ist eine Marke ein Frequenzbringer, der eine bestimmte Klientel in die Filialen lockt.

Das sind die größten Lebensmittelhändler

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