Herbalifes fettes Comeback „Die Menschen wissen nicht, was gute Ernährung bedeutet“

Herbalife-Chef John Agwunobi Quelle: Presse

Herbalife-Chef John Agwunobi über den Corona-Boom, das neue Image seiner Firma als Lifestyle-Konzern – und die Kritik an unseriösen Praktiken mancher Verkäufer.

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Herbalife-Chef John Agwunobi, 54, sitzt in seinem Heim-Büro und verströmt prächtige Laune im Video-Interview mit der WirtschaftsWoche. Es läuft gut für sein Unternehmen, das Corona-Jahr 2020 war ein Rekordjahr. Die Menschen konnten im Lockdown weniger Sport treiben, kauften Abnehm-Shakes, Protein-Riegel und Kräutergetränke bei Herbalife ein. Der Umsatz stieg im vergangenen Jahr um 14 Prozent auf 5,5 Milliarden Dollar, der Jahresüberschuss um 20 Prozent auf 373 Millionen Dollar.

Herr Agwunobi, 2020 war das erste Corona-Jahr, die Menschen saßen im Lockdown zuhause, futterten sich Frust-Speck an. Eigentlich kein Wunder, dass 2020 das beste Jahr in der Herbalife-Geschichte war. Sind Sie eigentlich froh über Corona?
John Agwunobi: Ich würde niemals sagen, dass ich die Pandemie herbeigewünscht habe. Zu viele Menschen leiden immer noch unter dem Virus, zu viele sind daran gestorben. Trotzdem: Während der Pandemie haben wir eine steigende Nachfrage nach unseren Produkten gespürt. Allerdings waren wir vorbereitet, da wir schon 2018 eine neue Strategie entwickelt haben: Wir haben in digitale Technik und soziale Medien investiert, die richtigen Produkte und in eine gut funktionierende Infrastruktur. Als Corona kam, konnten wir die geänderten Bedürfnisse unserer Kunden deshalb besser bedienen.

Welche Vorteile hat Ihr Geschäftsmodell in Coronazeiten?
Corona kam zu einem Zeitpunkt, da hat es eine andere Pandemie bereits gegeben: Fettleibigkeit. Corona hat den Trend verstärkt, dass die Menschen sich mehr um ihre Gesundheit kümmern wollen. Die Menschen haben während und nach dem Lockdown nach Gemeinschaften gesucht, um aus Erfahrungen von anderen zu lernen. Diese Gruppen sind eine Säule unseres Geschäftsmodells. Unsere Berater leiten diese Gruppen an und verkaufen unsere Produkte. Das sind 10, 20, manchmal sogar 100 Leute pro Gruppe. Weil sie sich nicht treffen konnten, kamen sie in den vergangenen Monaten virtuell zusammen.

Im Gegensatz zu Konkurrenten wie den Weight Watchers vertreiben Sie Ihre Produkte durch eigene Vertreter und bringen sie nicht ins Supermarktregal. Was ist der Vorteil für Sie?
Viele Supermärkte verkaufen Proteine, Vitamine, Nahrungsergänzungsmittel. Was sie nicht haben: Jemand, der die Kunden berät und unterstützt. Das haben wir mit unseren Beratern. Sie sind Trainer, Betreuer, helfen den Kunden, ihre Ziele zu erreichen – Muskeln aufbauen, Gewicht verlieren, gesünder werden, was auch immer. Unsere Berater sollen nicht nur Produkte von A nach B bringen, sondern ein Partner sein.

Die deutsche Verbraucherzentrale hat die Leistungen von manchen Beratern angeprangert. Diese hätten häufig keine staatliche oder von Fachverbänden anerkannte Qualifikation. „Bei dieser Art des Vertriebs werden im persönlichen Gespräch vielfach unzulässige Gesundheitsversprechen gemacht“, heißt es. Was sagen Sie dazu?“
Ich kenne die konkreten Fälle aus Deutschland nicht, kann dazu nichts sagen. Was ich aber sagen kann: Wir sind jetzt seit 41 Jahren im Geschäft – jedes Jahr sind wir besser geworden. Wir bilden unsere Berater sehr gewissenhaft aus, wir beobachten, was sie tun. Aber wir haben Hundertausende Berater in aller Welt – da gibt es sicher den einen oder anderen, der Dinge tut, die er nicht tun sollte. Wir reagieren sehr schnell, wenn wir solche Fälle mitbekommen. Wenn man ins Internet geht, dann steht da sehr viel Negatives aus unserer Vergangenheit. Aber heute sehen wir das neue Herbalife, wir haben uns die Kritik der Vergangenheit zu Herzen genommen und entsprechend gehandelt.

Übergewichtige Menschen fühlen sich häufig von anderen schikaniert. Die Debatte um „Bodyshaming“ hat sogar dazu geführt, dass Ihr Mitbewerber, den wir alle noch als Weight Watchers kennen, nennt sich heute nur noch WW nennt und das „Weight“, Gewicht, vermeidet. Wie sensibel sind Sie bei dem Thema?
Wir haben unsere Sprache verändert: Heute sind wir eine Firma für gesunden Lifestyle. Wir sagen: Esst gutes Essen, macht regelmäßig Sport. Und dann, um eure Ergebnisse zu verbessern, nehmt unsere Produkte. Für manche bedeutet ein gesunder Lifestyle eben Gewichtverlust. An manchen Punkten in unserem Leben haben viele dieses Thema. Und für manche bedeutete das früher Scham –  gerade deshalb sind unsere Gruppen so wichtig. Es geht nicht um Abnehmen, sondern um langfristige Veränderungen hin zu einem gesünderen Lebensstil – begleitet von einer Community mit gleichen Zielen. Wir sind nicht nur eine Gewichts-Management-Firma, sondern auch eine Sporternährungsfirma. Unsere Sporternährungs-Sparte wächst am schnellsten. Ein Geschäft, das nicht nur Athleten anspricht, sondern jeden, der einen aktiven Lebensstil führen möchte.

Sollen Kinder und Jugendliche Ihre Produkte nehmen?
Unsere Produkte sind für Erwachsene gemacht. Wir richten auch unsere Werbung nicht an Kinder. Aber wir haben den „Dinoshake“ – einen Vitamin- und Protein-Shake für Kinder in manchen Märkten, beispielsweise in den USA, im Sortiment.

Es gibt so viele Apps und Blogs in Ihrem Gewerbe. Welchen Platz soll Herbalife da überhaupt noch haben?
Es stimmt: Fit zu sein, kann man ganz einfach schaffen:  gute Ernährung, Sport treiben. Das Problem ist nur: Die Menschen wissen nicht, was gute Ernährung bedeutet, das Thema ist zu komplex. Wenn man da googelt, sagt der eine Experte, dass man Eier essen soll. Der nächste, dass man keine Eier essen soll. Das Thema sollte jedoch nachhaltig gesehen werden, ein Leben lang. Kein Hin und Her, wie bei den Diäten aus dem Internet. Wir haben das Wissen, wir haben die Experten. Wir wollen keine Doktoren sein oder Ernährungswissenschaftler. Sondern Gruppen anleiten, die durch Crowd-Sourcing jeden unterstützen und bei den individuellen Zielen voranbringen.

Welche Rolle spielt Deutschland bei Herbalife?
Deutschland ist einer unserer zentralen strategischen Märkte für die Zukunft. Wir sind hier bislang aber eher unterrepräsentiert und freuen auf das große Potenzial dieses wichtigen Marktes. Wir sind sehr darauf fokussiert, mit unseren Produkten und Geschäftsmöglichkeiten die Menschen im ganzen Land zu erreichen.

Wie sind Sie eigentlich mit Herbalife in Kontakt gekommen?
Ich bin Kinderarzt von Beruf und habe die meiste Zeit meiner Karriere im öffentlichen Gesundheitswesen in den USA gearbeitet. Danach habe ich für Walmart gearbeitet und war dort für die wirtschaftliche Entwicklung der Gesundheitsprodukte zuständig. Eines Tages hat mich jemand gefragt, ob ich schon Herbalife kenne – und ich kannte die Firma nicht. So bin ich hingefahren und habe die Geschäftsführer getroffen, das war vor fünf Jahren. Sie haben mich zu einem Gruppentreffen mitgenommen. Da haben sich die Berater ausgetauscht und angespornt. Ich saß in einer Ecke, schaute zu und war beeindruckt. So bin ich selbst zu Herbalife gekommen.

Was erwarten Sie für dieses Jahr? Ist der Corona-Boom schon bald zu Ende?
Unser erstes Quartal war ein Rekord-Quartal. Mit unserer Strategie sind wir weiterhin erfolgreich. Wir sind sehr optimistisch für die Zukunft.

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Wenn wir uns jetzt alle gesund ernähren und bewegen, dann braucht man Firmen wie Herbalife nicht mehr, oder?
Wir waren schon immer Verfechter von guten Nahrungsmitteln. Alleine eine gute Ernährung zu schaffen, kann aber sehr schwierig sein. Ich glaube, dass es immer eine Nachfrage nach unseren Dienstleistungen geben wird. In unserer hektischen Welt ist es doch immer schwieriger geworden, sich gesund zu ernähren: Kinder zur Schule bringen, ins Büro rennen, abends das Fußballspiel im Fernsehen schauen. Manchmal ist es schwer, bei diesem Alltag alles zu bekommen, was der Körper braucht. Wenn hier noch mangelhaftes Wissen oder knappe Budgets dazu kommen, können wir helfen.

Welche Herbalife-Produkte benutzen Sie?
Ich nutze Herbalife 24 Rebuild Strength – ein Protein-Shake, der jeden Tag meine Muskeln repariert, nachdem ich im Fitnessstudio war. Und mein Lieblingsprodukt: Beta Heart, das Hafer-Beta-Glucan enthält und den Cholesteringehalt im Blut verringert.

Mehr zum Thema: Der Kampf gegen Homeoffice-Pfunde beschert Herbalife Rekordumsätze. Nun will der US-Konzern den Vertrieb ausbauen – vor allem in Deutschland. Verbraucherschützer sind alarmiert.

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