
Der Kunde bestimmt. Dieses Argument wird immer wieder herangezogen, wenn es darum geht, dass Produkte nicht hergestellt werden, wie es ethisch geboten scheint.
Die gängige Argumentation lautet, dass wenn der Kunde aufhört, T-Shirts für wenige Euro oder Fleisch zum Niedrigpreis zu kaufen, würde sich auf lange Sicht etwas an den Produktionsbedingungen in Bangladesch oder in den Ställen der Fleischproduzenten ändern. Kaufen mit gutem Gewissen – das wollen immer mehr Menschen.
Dass es nicht immer so einfach ist, zeigt sich am Hühnerei. Besonders heute, nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster. Dort wurde erneut darüber gestritten, ob das Töten von Millionen von männlichen Küken verboten werden kann.





Das Landwirtschaftsministerium in Nordrhein-Westfalen hat 2013 per Erlass dies unterbinden wollen. Zwei Brütereien, in denen die männlichen Küken getötet werden, klagen dagegen. Die Richter haben entschieden: Das Töten verstößt nicht gegen den Tierschutz, die klagenden Brütereien dürfen auch weiterhin die männlichen Küken töten.
Die Bundesregierung lehnt ein Verbot grundsätzlich ab und setzt auf technische Lösungen, die 2017 zur Verfügung stehen sollen. Dabei wird bereits vor dem Schlüpfen erkannt, welches Geschlecht der Embryo hat.
Die männlichen Küken der Legehuhnrassen eignen sich nicht für die Produktion von Geflügelfleisch. Deswegen werden sie aussortiert und getötet. Konsumenten, die versuchen Eier von Produzenten zu kaufen, die dies nicht tun, stoßen schnell an die Grenzen.
Küken werden in den Brütereien vergast
Vor allem bei Fleisch oder Milchprodukten sollen Siegel der Verbände wie Demeter, Bioland oder Naturland dem Kunden das Vertrauen geben, dass die Tiere artgerecht gehalten wurden. Doch auch die Eier von Bauernhöfen von Bioland oder Demeter stammen nicht automatisch aus Züchtungen, die die männlichen Tiere überleben lassen.
Für die Landwirtschaft stellt sich das Problem, dass es bislang nicht gelungen ist, eine Rasse zu züchten, die sowohl Eier produziert als auch als Fleischlieferant geeignet ist. Die Verbände Demeter und Bioland haben die „Ökologische Tierzucht gGmbH“ gegründet. In dieser soll ein sogenanntes Zweinutzungshuhn gezüchtet werden, sagt Gerald Wehde von Bioland. Eine rasche Lösung, die das Töten binnen kurzer Zeit unnötig machen würde, ist das allerdings nicht. „Die Angabe eines genauen Datums, wann ein Zweinutzungshuhn "wirtschaftlich" ist, ist schwierig“, sagt Wehde.





Bis dahin können auch die Eier-Produzenten, die wie das Gut Kaiserhof in Düsseldorf mit seinem transportablen Hühnerhof, der täglich auf einer anderen Wiese die Hennen picken lässt, nur auf die Küken von den Brütereien zurückgreifen. "Wir verfolgen das natürlich mit großem Interesse", sagt Jens Sonnen. Denn den Diskussionen über das massenhafte Töten müssen sich vor allem lokale Produzenten stellen. Zwar werden Küken in Deutschland nicht geschreddert, aber in den Brütereien vergast. "Und so hart es sich anhört, die toten Küken werden nicht weggeworfen, sondern weiterverwendet zum Beispiel als Tierfutter für Zoos, Greifvögelstationen und ähnlichem", sagt Sonnen, der dennoch gegen ein einfaches Verbot des Tötens für Küken ist. "Die kleineren Brütereien würden wahrscheinlich aufhören müssen und die großen Brütereien ihre Produktion ins Ausland verlagern", sagt Sonnen.
Nur bei "Bruderhahn" überleben männliche Küken
Die einzige Alternative für Konsumenten ist es derzeit, Eier von Betrieben zu kaufen, die sich dem Konzept "Bruderhahn" verschrieben haben. Dabei werden die männlichen Küken am Leben gelassen. „Da dies unwirtschaftlich ist, wird die Aufzucht der unrentablen männlichen Masthühner über einen höheren Eierpreis subventioniert. Der liegt meist bei 4 Cent pro Ei“, sagt Wehde vom Verband Bioland.
Alternative Ernährungsformen
Flexitarier sind Menschen, die gesundheitsbewusst leben und sich auch so ernähren. Für sie gibt es nicht unbedingt grundsätzliche Bedenken, Fleisch zu konsumieren. Das kommt bei Flexitariern nämlich durchaus auf den Teller - aber nur selten. Und wenn, dann stammt das Tier meist aus artgerechter Bio-Haltung, wenn möglich aus der näheren Umgebung. Flexitarier sind nämlich oft unter den sogenannten Lohas* zu finden. Neben dem Wissen, dass eine einseitig fleischlastige Ernährung für den modernen Stadtmenschen ungesund ist (und manchmal auch der zelebrierten Vorfreude auf den Sonntagsbraten als etwas Besonderem!) sind sich Flexitarier auch der Umweltschädlichkeit extensiven Fleischkonsums bewusst.
*Menschen, die einen gesundheitsbewussten und nachhaltigen Lebensstil pflegen (Lifestyle of Health and Sustainability)
Freeganer zeichnen sich weniger durch strenge Regeln der Form "Das darf ich essen - das darf ich nicht essen" aus, als durch den Willen, mit dem Ort ihres Nahrungsmittelbezugs ein Zeichen zu setzen. Freeganer gehen nicht in den Supermarkt, sondern dahinter. Sie holen sich ihr Essen aus dem Müll der Supermärkte und Discounter und setzen sich damit gegen die Wegwerfgesellschaft und Lebensmittelverschwendung ein.
Frutarier pflegen eine besonders strenge Form der pflanzenbasierten Ernährung. Die Ernte der von ihnen gewählten Pflanzen(-bestandteilen) darf den Gesamtorganismus der Pflanze weder beschädigen noch seinen Tod zur Folge haben. Manche Frutarier verzehren Äpfel beispielsweise nur als Fallobst. Knollen etwa (wie Kartoffeln) sind nicht erlaubt: Sie sind der Energiespeicher der Kartoffelpflanze und daher für sie auf Dauer lebenswichtig.
Lacto-Vegetarier nehmen keine Eier zu sich. Milchprodukte dürfen neben Lebensmitteln nicht-tierischen Ursprungs aber verzehrt werden.
Ovo-Lacto-Vegetarier praktizieren eine relativ weit verbreitete und im täglichen Leben eher unkomplizierte Form des Vegetarismus. Neben rein pflanzlichen Produkten wie Obst oder Gemüse nehmen Ovo-Lacto-Vegetarier auch Eier und Milchprodukte zu sich, also Lebensmittel, für deren Gewinnung keine Tiere geschlachtet werden müssen.
Keine Milchprodukte, aber Eier (und pflanzliche Speisen) dürfen Ovo-Vegetarier zu sich nehmen. Unter anderem eine Lösung etwa für Vegetarier, die kein moralisches Problem mit dem Verzehr von Eiern haben, aber an einer Lactose-Intoleranz leiden.
Pescetarier sind Menschen, deren Ernährungsplan Fisch (je nach Ausprägung auch Weichtiere, Milch und/oder Eier) und vegetarische Kost kombiniert. Pescetarismus ist oft, wie andere alternative Ernährungsformen auch, mit einem Unbehagen der Massentierhaltung gegenüber verbunden.
Vegane Ernährung bedeutet: Weder Fisch noch Fleisch, noch Eier oder Milchprodukte stehen auf dem Speiseplan. Stattdessen gibt es Obst und Gemüse. Für die Eiweißversorgung nutzen Veganer (wie viele andere Vegetarier übrigens auch) pflanzliche Proteine, enthalten etwa in Tofu (Sojaeiweiß) oder Seitan (Weizeneiweiß - Gluten). Strengen Veganern ist der Veganismus aber mehr als eine Ernährungsform: Sie lehnen die Nutzung von Tieren (und daher auch tierischer Produkte) ab. Das heißt für einen strengen Veganer: Neben den oben aufgezählten Produkten meidet er auch Honig und Wachsprodukte, Kosmetika mit tierischen Inhaltsstoffen sowie Leder. Wer streng vegan orientiert ist, kann im Supermarkt nicht einfach zu Fertig-Produkten greifen - oft verstecken sich in der langen Zutatenliste solcher Gerichte Milchpulver, Butterreinfett oder Hühnerei-Eiweißpulver. Ein strenger Veganer braucht daher ein gewisses Maß an Durchhaltevermögen und Akribie.
Das Problem ist, dass es bislang kaum flächendeckend diese Eier zu kaufen gibt. Die Verbraucherzentrale NRW hat eine Liste von allen Betrieben, samt Lege-Codes im Internet, mit den Bezugsquellen. In einer Stadt wie Köln mit mehr als einer Million Einwohnern, sind es laut Verbraucherzentrale derzeit 10 Bio-Supermärkte wie denn’s und Alnatura.
Auch die großen Supermarktketten wie Rewe und Edeka Rhein-Ruhr, haben derartige Projekte. Rewe reklamiert für sich, in rund 600 Märkten die Eier der Marke „Spitz und Bube“ zu führen. Laut der Verbraucherzentrale bietet Edeka Rhein-Ruhr an, dass Kunden auf Nachfrage in einer der 700 Verkaufsstellen Eier der Marke „Haehnlein“ zu bekommen, die ebenfalls auf das Töten von männlichen Küken verzichtet.
Dem Kunden, der seinen Teil mit einem höheren Preis dazu beitragen möchte, das Töten zu verhindern, bleibt derweil nur, für die Eier für sein Omelett oder Kuchen unter Umständen weit zu fahren und beim Händler vor Ort danach zu fragen. Der Kauf von Eiern aus dem Bioladen oder dem Bauernhof vor den Toren der Stadt, reicht nicht unbedingt.