Küken töten bleibt erlaubt Glückliche Eier sind schwer zu finden

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat entschieden: Das massenhafte Töten männlicher Küken ist mit dem Tierschutzgesetz vereinbar. Wer das als Kunde durch seinen Einkauf verhindern möchte, hat es nicht leicht.

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Die umstrittene Praxis, männliche Küken nach dem Schlüpfen zu töten, verstößt laut Gericht nicht gegen das Tierschutzgesetz. Quelle: dpa

Der Kunde bestimmt. Dieses Argument wird immer wieder herangezogen, wenn es darum geht, dass Produkte nicht hergestellt werden, wie es ethisch geboten scheint.

Die gängige Argumentation lautet, dass wenn der Kunde aufhört, T-Shirts für wenige Euro oder Fleisch zum Niedrigpreis zu kaufen, würde sich auf lange Sicht etwas an den Produktionsbedingungen in Bangladesch oder in den Ställen der Fleischproduzenten ändern. Kaufen mit gutem Gewissen – das wollen immer mehr Menschen.

Dass es nicht immer so einfach ist, zeigt sich am Hühnerei. Besonders heute, nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster. Dort wurde erneut darüber gestritten, ob das Töten von Millionen von männlichen Küken verboten werden kann.

Wo es Essen ohne Gentechnik gibt
Verbraucher wollen keine Gentechnik. Etwa 83 Prozent der deutschen Verbraucher lehnen nach einer Forsa-Umfrage (Juni 2012) gentechnisch veränderte Lebensmittel ab. Ein Grund, warum es hierzulande kaum Lebensmittelhersteller gibt, die Zutaten aus Gen-Pflanzen direkt verarbeiten. Nicht ganz so erfreulich schaut es hingegen bei tierischen Artikeln wie Fleisch, Eiern und Milch aus, denn 80 Prozent der Gen-Pflanzen landen am Ende im Tierfutter. Quelle: dpa
Die Umweltorganisation Greenpeace präsentiert in ihrer neuen Broschüre „Essen ohne Gentechnik“ die Ergebnisse einer spannenden Untersuchung. Die Experten haben getestet, ob Markenhersteller bei tierischen Produkten Gen-Pflanzen im Tierfutter einsetzen und zeigen, welche Supermarktketten auf Produkte ohne Gentechnik setzen. Quelle: dpa
Platz 1: AlnaturaDer südhessische Bio-Händler Alnatura schneidet am besten ab. Hier werden nur Produkte aus biologischer Produktion verkauft, die frei von Gentechnik sind. Die Naturkostkette vertreibt auch Bio-Lebensmittel unter einer eigenen Marke, die auch in Partnerschaft mit anderen Händlern wie dm, Tegut und Budni verkauft werden. In der ökologischen Landwirtschaft sind Gentechnik in Lebensmitteln oder im Tierfutter sowie chemisch-synthetische Spritzmittel tabu. Auch die Tierhaltung erfolgt nach strengeren Kriterien und Kontrollen. Quelle: dpa
Platz 1: DennreeDer Bio-Großhändler Dennree, der seinen Hauptsitz im Nordbayrischen Töpen hat, teilt sich den ersten Platz mit Alnatura und setzt ebenfalls keine Gen-Pflanzen ein; auch in der Tierfütterung nicht. Mit einem Umsatz von 420 Millionen Euro hat Dennree im vergangenen Jahr ein zweistelliges Wachstum von 12,8 Prozent erreicht. Das 1974 gegründete Unternehmen gilt als Bio-Pionierunternehmen und startete damals mit vier Bio-Milchprodukten in den Handel. Inzwischen sind täglich gut 200 firmeneigene Lkws unterwegs, um über 1.300 Naturkostfachgeschäfte in Deutschland, Österreich, Luxemburg und Südtirol/Italien mit inzwischen über 11.000 Artikeln zu beliefern. (Foto: Dennree GmbH) Quelle: PR
Platz 2: TegutDie deutsche Supermarktkette Tegut legt viel Wert auf Bio-Ware und Produkte ohne Gentechnik. Kunden, die in einem Tegut-Markt einkaufen, erkennen das an dem Logo auf den Produkten. Die Firma hat als erste Kette ihre Eigenmarken bei Milch, Sahne, Schmand und Joghurt mit dem „Ohne Gentechnik“-Siegel ausgezeichnet und betreibt sogar eine eigene Fleischerei für Schweineprodukte. Unter der Eigenmarke „LandPrimus“ garantiert Tegut eine gentechnikfreie Fütterung. Andere Eigenmarken, bei deren Herstellung auf Gentechnik verzichtet wird, sind „tegut...Bio“, „Herzberger Bäckerei“ und „Rhöngut“. Außerdem alle Eiermarken. Quelle: dpa
Platz 3: Aldi NordBio-Lebensmittel vom Discounter sind beliebt und müssen nicht mehr teuer sein. Inzwischen gibt es auch bei Aldi eine Menge Natur-Lebensmittel. Im Greenpeace-Ranking landet Aldi Nord auf dem dritten Platz, weil der Konzern seit zehn Jahren bei der Geflügelfütterung auf Gentechnik verzichtet. Nur bei Schweine- und Rindfleisch könnte das Engagement wohl noch etwas mehr sein. Mit „Gut Bio“ bietet Aldi Nord eine Eigenmarke an, bei deren Herstellung auf den Einsatz von Gentechnik verzichtet wird - das gilt auch für alle Eiermarken. Bei Hähnchen- und Putenfleisch sind es die Marken „Bauernglück“ und „Farmfreude“. Quelle: dpa
Platz 4: Aldi Süd Identisch sieht es bei dem Discounter Aldi Süd aus, der ebenfalls mit zusätzlichen Bio-Produkten mehr Kunden in seine Filialen locken will. Vor zehn Jahren hat sich das Unternehmen bei der Geflügelfütterung von Gentechnik verabschiedet. Nachholbedarf besteht jedoch noch bei Schweine- und Rindfleisch. Aldi Süd hat mit der Eigenmarke „bio“ ein garantiert gentechnikfreies Produkt im Regal. Außerdem sind alle Eiermarken gentechnikfrei. Quelle: dpa

Das Landwirtschaftsministerium in Nordrhein-Westfalen hat 2013 per Erlass dies unterbinden wollen. Zwei Brütereien, in denen die männlichen Küken getötet werden, klagen dagegen. Die Richter haben entschieden: Das Töten verstößt nicht gegen den Tierschutz, die klagenden Brütereien dürfen auch weiterhin die männlichen Küken töten.

Die Bundesregierung lehnt ein Verbot grundsätzlich ab und setzt auf technische Lösungen, die 2017 zur Verfügung stehen sollen. Dabei wird bereits vor dem Schlüpfen erkannt, welches Geschlecht der Embryo hat.

Die männlichen Küken der Legehuhnrassen eignen sich nicht für die Produktion von Geflügelfleisch. Deswegen werden sie aussortiert und getötet. Konsumenten, die versuchen Eier von Produzenten zu kaufen, die dies nicht tun, stoßen schnell an die Grenzen.

Küken werden in den Brütereien vergast

Vor allem bei Fleisch oder Milchprodukten sollen Siegel der Verbände wie Demeter, Bioland oder Naturland dem Kunden das Vertrauen geben, dass die Tiere artgerecht gehalten wurden. Doch auch die Eier von Bauernhöfen von Bioland oder Demeter stammen nicht automatisch aus Züchtungen, die die männlichen Tiere überleben lassen.

Für die Landwirtschaft stellt sich das Problem, dass es bislang nicht gelungen ist, eine Rasse zu züchten, die sowohl Eier produziert als auch als Fleischlieferant geeignet ist. Die Verbände Demeter und Bioland haben die „Ökologische Tierzucht gGmbH“ gegründet. In dieser soll ein sogenanntes Zweinutzungshuhn gezüchtet werden, sagt Gerald Wehde von Bioland. Eine rasche Lösung, die das Töten binnen kurzer Zeit unnötig machen würde, ist das allerdings nicht. „Die Angabe eines genauen Datums, wann ein Zweinutzungshuhn "wirtschaftlich" ist, ist schwierig“, sagt Wehde.

Chlor-Hühnchen contra Pferde-Lasagne
Chlor-Hühnchen Quelle: dpa
 Keimbombe verzehrfertiger Salat Quelle: Fotolia
Radioaktiv bestrahlte Lebensmittel Quelle: Fotolia
H-Milch Quelle: REUTERS
Hormon-Fleisch Quelle: AP
Gentech-Gemüse Quelle: AP
 Rohmilchkäse Quelle: AP

Bis dahin können auch die Eier-Produzenten, die wie das Gut Kaiserhof in Düsseldorf mit seinem transportablen Hühnerhof, der täglich auf einer anderen Wiese die Hennen picken lässt, nur auf die Küken von den Brütereien zurückgreifen. "Wir verfolgen das natürlich mit großem Interesse", sagt Jens Sonnen. Denn den Diskussionen über das massenhafte Töten müssen sich vor allem lokale Produzenten stellen. Zwar werden Küken in Deutschland nicht geschreddert, aber in den Brütereien vergast. "Und so hart es sich anhört, die toten Küken werden nicht weggeworfen, sondern weiterverwendet zum Beispiel als Tierfutter für Zoos, Greifvögelstationen und ähnlichem", sagt Sonnen, der dennoch gegen ein einfaches Verbot des Tötens für Küken ist. "Die kleineren Brütereien würden wahrscheinlich aufhören müssen und die großen Brütereien ihre Produktion ins Ausland verlagern", sagt Sonnen.

Nur bei "Bruderhahn" überleben männliche Küken

Die einzige Alternative für Konsumenten ist es derzeit, Eier von Betrieben zu kaufen, die sich dem Konzept "Bruderhahn" verschrieben haben. Dabei werden die männlichen Küken am Leben gelassen. „Da dies unwirtschaftlich ist, wird die Aufzucht der unrentablen männlichen Masthühner über einen höheren Eierpreis subventioniert. Der liegt meist bei 4 Cent pro Ei“, sagt Wehde vom Verband Bioland.

Alternative Ernährungsformen

Das Problem ist, dass es bislang kaum flächendeckend diese Eier zu kaufen gibt. Die Verbraucherzentrale NRW hat eine Liste von allen Betrieben, samt Lege-Codes im Internet, mit den Bezugsquellen. In einer Stadt wie Köln mit mehr als einer Million Einwohnern, sind es laut Verbraucherzentrale derzeit 10 Bio-Supermärkte wie denn’s und Alnatura.

Auch die großen Supermarktketten wie Rewe und Edeka Rhein-Ruhr, haben derartige Projekte. Rewe reklamiert für sich, in rund 600 Märkten die Eier der Marke „Spitz und Bube“ zu führen. Laut der Verbraucherzentrale bietet Edeka Rhein-Ruhr an, dass Kunden auf Nachfrage in einer der 700 Verkaufsstellen Eier der Marke „Haehnlein“ zu bekommen, die ebenfalls auf das Töten von männlichen Küken verzichtet.

Dem Kunden, der seinen Teil mit einem höheren Preis dazu beitragen möchte, das Töten zu verhindern, bleibt derweil nur, für die Eier für sein Omelett oder Kuchen unter Umständen weit zu fahren und beim Händler vor Ort danach zu fragen. Der Kauf von Eiern aus dem Bioladen oder dem Bauernhof vor den Toren der Stadt, reicht nicht unbedingt.

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