Letzte Woche für Pleite-Airline Ein Herz für Air Berlin

Die Schokoherzen kennt jeder: Doch welche Erinnerungen haben die Menschen an Air Berlin? Nun, da die letzte Woche des Flugbetriebs bevorsteht, blicken Handelsblatt-Leser und -Mitarbeiter zurück. Was von Air Berlin bleibt.

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Was bleibt von Air Berlin – abgesehen von den berühmten Schoko-Herzen? Quelle: dpa

Düsseldorf Das Ende einer Luftfahrt-Ära steht bevor: Am Montag bricht die letzte Woche für die insolvente Fluglinie Air Berlin an. Wenn die beiden letzten Flüge AB6210 und AB6211 am kommenden Freitag um 22.35 Uhr in München und Berlin gelandet sind, stellt die Airline ihren operativen Betrieb ein: Gestartet als Mallorca-Flieger, gehandelt als Lufthansa-Angreifer und – nach 29 Jahren – schlussendlich gescheitert. Auch die Handelsblatt-Leser und -Mitarbeiter haben in diesen fast drei Dekaden unzählige Kilometer mit Air Berlin zurückgelegt. Wir haben sie gebeten, uns ihre Erinnerungen an die Airline aufzuschreiben. Es sind emotionale Beiträge dabei, von empörten und genervten Kunden, aber auch von wehmütigen Vielfliegern.

Der Mensch als Päckchen

„Dass es mit Air Berlin zu Ende geht, zeichnete sich auch für den Laien-Reisenden früh ab: Von Düsseldorf nach Hamburg verkehrte zum Beispiel freitagabends in diesem Jahr keine Maschine der Fluggesellschaft mehr, sondern eine quietschgelbe Propellerkiste der italienischen Post, die natürlich immer zu spät kam und noch viel später wieder abhob. Vielflieger quittierten das Elend bald mit melancholischem Schulterzucken. Gelegenheits-Touristen entgleisten dagegen regelmäßig die Gesichtszüge, wenn der Busfahrer sie grinsend vor dem Schrotthaufen auf der Außenposition verabschiedete.

Aber Beschwerden ließen das Bordpersonal kalt, das kein Deutsch sprach und englisch nur sehr dürftig. In dieser Post-Maschine manifestierten sich alle Air-Berlin-Probleme, die am Ende in die Pleite führten: Planungschaos, radikale Verspätungen und der Glaube, dass Menschen Frachtgut sind wie Amazon-Päckchen. Fairerweise muss man aber auch sagen: Angekommen ist die Maschine immer. Und die Stewardessen waren herrlich Italienisch in ihrer ganzen phlegmatischen Ignoranz.“
Thomas Tuma, stellvertretender Chefredakteur des Handelsblatt

Sitzplatz-Desaster

„Fehlen wird mir das überhebliche Lächeln beim Check-In, wenn man meine Tochter wieder einmal getrennt von mir platziert hat und mir mitteilt, ich hätte reservieren müssen - selbstredend kostenpflichtig.

Claudia König via Facebook

Geld futsch

„Was ich vermissen werde? Mein Geld! Das ich verloren habe und die Zeit, die es mich gekostet hat, in meinem Urlaub, einen neuen Rückflug auf meine Kosten nach Deutschland zu bekommen. Nein, ich werde nichts vermissen. Bye, bye Air Berlin!“
Tanja Konietzni via Facebook


„Sylt, Mallorca, Currywurst“

Eine Airline mit Herz

„Was bleibt von „der Airline mit Herz“, wenn nicht das Herz? Während die Lufthansa nun Air Berlin in Gänze verschlingt, ging die Liebe der Fluggäste schon immer durch den Magen. Stück für Stück verschenkte das Unternehmen sein Herz, in Schokoladenform. Und, obwohl erst Mitte der 2000er von der übernommenen Fluggesellschaft DBA, nun, übernommen, ist das rote Schmankerl zur Säule, zum Sinnbild, zum gewissen Extra Air Berlins geworden. Flugbegleiter, die beim Ausstieg aus Körbchen oder Pappkarton die Süßigkeit verteilten, um den Passagieren etwas von Herzen zu geben. Ein romantischer Gedanke. Air Berlin endet unromantisch. Über Unzuverlässigkeit und Service motzten die Fluggäste schon länger, so marode war das Unternehmen, dass sich Sanierer wie Hartmut Mehdorn am Schokokern die Zähne ausbissen. So wurde aus Kostengründen auch der Herzenshersteller gewechselt, von der Manufaktur Rausch ging es vor zwei Jahren zum Schweizer Fabrikanten Lindt. Die Herzen, sie sanken materiell im Wert, ideell blieben sie was, was Air Berlin von Billigfliegern wie Ryanair und Germanwings abhob.

Verteilt werden sie seit Verkündung der Insolvenz nicht mehr. Und die, die es noch gibt, haben Sammlerwert. In den Kleinanzeigen eines großen Internetauktionshauses findet sich eins für 12.500 Euro. Nicht abgebissen, aus einem tierfreien Nichtraucherhaushalt. Das Scherzangebot ist eine Überspitzung der Angebote, die für die kleinen Schokoladennaschereien Stückpreise von 500 Euro aufrufen. Auch ich habe noch ein solches Herz. Es bunkert sicher im Kühlschrank. Eines Tages, wenn alles gut läuft vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums, werde ich hineinbeißen und wehmütig zurückdenken. Nicht an Air Berlin selbst. Was ich mochte, waren die Kurzstreckenflüge mit Turboprop-Maschinen und die Zuverlässigkeit, mit der die Fluggesellschaft diese Strecken bediente. Sonst beschränkte sich das emotionale Verhältnis auf Ärger über Verspätungen und Freude über den quietschniedliche Pilotenbär aus dem Bordkatalog. Woran ich zurückdenken werde: Dass es einmal eine Fluggesellschaft gegeben haben wird, die sich über solche Kleinigkeiten Gedanken gemacht hat. Dass es einmal eine Fluggesellschaft gab, die ihren Imperfektion umarmt hat und jedem Fluggast am Ende ein kleines Dankeschön überreichte, was viele Unzulänglichkeiten dämpfte. Eine Airline, die versucht hat, die Preise niedrig zu halten, während sie Passagiere so wenig wie möglich wie Fracht zu behandeln.“
Alexander Möthe, Handelsblatt-Redakteur

Das eine Baguette vor 13 Jahren

„Ich bin schon ewig nicht mehr mit dieser Airline geflogen, aber was ich vermissen werde, sind die leckeren Baguettes, die es vor 13 Jahren gegeben hat. Klingt jetzt vielleicht etwas lustig, aber das ist meine schönste Kindheitserinnerung. Wir sind viel geflogen und meistens war das Essen in den Flugzeugen grässlich! Ich glaube vor 13 Jahren war der Service noch gut. Das ist aber auch schon eine Weile her!“
Pauline Rohn via Facebook

Caterer, bitte melden!

„Viel besser und typischer für die Airline war die Currywurst. Man weiß nicht so genau, ob sie wirklich ein Rezept des Sylter Sansibar-Eigentümers Herbert Seckler war, oder ob der rührige Wirt einfach seinen Namen dafür verkauft hat. Aber die Currywurst bei Air Berlin - die war eben auch Symbol für diesen ganzen Größenwahn des einstigen Airline-Chefs Joachim Hunold. Sein Bermuda-Dreieck hieß Sylt, Mallorca, Currywurst. Billig meets Luxus. Das ging am Ende eben schief. Dabei brachte einen die Currywurst im Flieger sogar jenen Kegelausflügen und Junggesellinnen-Abschieden näher, die sich auf eine Woche Komasaufen in Palma freuten, während man selbst im Anzug danebensaß auf dem Weg zu einem Geschäftstermin. Die ersten Schokoherzen wurden ja längst bei E-Bay versteigert. Für die Mikrowellen-geeignete Currywurst-Portion starte ich hiermit die Auktion und biete 10 Euro. Caterer bitte melden: tuma@handelsblatt.com“

Thomas Tuma, stellvertretender Chefredakteur des Handelsblatt


Tor zur Welt und ein Stück Heimat

Keine Konkurrenz

„In einigen Wochen werden wir die Konkurrenz wohl schmerzlich vermissen, wenn Lufthansa sich den Kaufpreis über teure Tickets wiederholt. Ein Witz, dass das Kartellamt bei ein paar Tengelmann-Filialen ein großes Rad dreht, bei der Übernahme einer Airline und entsprechenden entstehenden Monopolstrecken aber beide Augen zudrückt.“

Christian Kallaehne via Facebook

Tor zur Welt und ein Stück Heimat

Air Berlin war für mich in Berlin mein Tor zur Welt. Egal ob innerdeutsch oder international, ich habe unzählige Flüge mit der Airline erlebt. An fremden Flughäfen war Air Berlin ein Stück Heimat, sobald ich den Flieger betreten habe. Beim Landeanflug in Tegel hat mir das Panorama unserer schönen Hauptstadt jedesmal „Willkommen zu Hause“ zugerufen. Die Schokoherzen haben als als Notreserve oder charmantes Last-Minute Mitbringsel immer gute Dienste geleistet. Und ganz besonders werde ich das Kabinenpersonal vermissen. Charmant, freundlich und immer für ein bisschen Smalltalk zu haben, haben sie der Airline bis zum bitteren Ende loyal zur Seite gestanden und sich klaglos den Ärger der Passagiere angehört - meinen tiefsten Respekt dafür, insbesondere für den Knochenjob in den letzten Monaten. 

Philipp Friedlein via Facebook

Tolle Zeit

„Ich sage Danke AB für eine tolle Zeit mit dir. Du hast mich und meine Familie immer von A nach B geflogen.“

Jewgenij Protas via Facebook

Komfortable Statusvorteile

„Als Vielflieger mit AB Goldstatus werde ich die Stausvorteile vermissen, mit denen das Fliegen deutlich komfortabler war als bei vielen anderen. Und die Crews waren immer total persönlich und nett.“

Henning Adam via Facebook

Romantischer Wochenend-Trip

Einen Flug mit der Air-Berlin-Tochter Niki werde ich nie vergessen – vor allem deswegen, weil es ein Überraschungsurlaub war. Meine damalige Verlobte (inzwischen Ehefrau) hat wochenlang ohne mein Wissen einen Trip nach Alicante geplant. Der Flug ging früh morgens – also musste sie mit mir nach meiner Spätschicht die Zeit bis zum Abflug irgendwie totschlagen, ohne dass ich Verdacht schöpfe. Sie hatte kurz zuvor Geburtstag gehabt und ich dachte eigentlich, dass ich sie mit einem nächtlichen Kinobesuch überraschen würde. Zumindest hatte ich das so mit ihrer besten Freundin ausgeheckt. Doch das mit dem Kinobesuch war eigentlich von Anfang an ihre Idee gewesen, um die Zeit bis zum Überraschungsflug zu überbrücken. Ich ahnte die ganze Zeit wirklich nichts, obwohl mein gesamtes Umfeld eingeweiht war. Umso größer war die Überraschung, als ich nach dem Kinobesuch völlig unerwartet zum Düsseldorfer Flughafen chauffiert wurde und mir kurz nach der Ankunft mein Pass und meine schon fertig gepackte Reisetasche in die Hand gedrückt wurden: „Wir fliegen in ein paar Stunden nach Spanien!“ Es war das schönste lange Pfingstwochenende meines Lebens.

Anis Micijevic, Handelsblatt-Redakteur

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