Luftverkehrsbranche Ist die Steuer auf Flugtickets ein Jobkiller?

Zehntausende Jobs könnten entstehen, sollte die Steuer auf Flugtickets wegfallen. Das ist das Ergebnis einer Studie der Luftverkehrsbranche. Unklar ist allerdings, ob eine Jamaika-Koalition mitziehen würde.

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An deutschen Airports werden für Langstreckentickets 41 Euro Steuer fällig. Quelle: dpa

Berlin Die Zahlen sind beeindruckend. 12.300 neue Arbeitsplätze versprechen die Experten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PWC) bis 2020 in Deutschland. Bis 2030 sollen es sogar neue  26.000 Jobs sein. Voraussetzung: Die Steuer auf Flugtickets in Deutschland müsste abgeschafft werden.

„Der Zeitpunkt, diese Zahlen zu präsentieren ist gut gewählt, gerade verhandeln hier in Deutschland die Parteien ihr mögliches Programm“, sagte  Thomas Reynart, der Geschäftsführer des europäischen Airline-Verbandes A4E bei der Präsentation der Studie am Montag in Berlin: „Alles was in dem wettbewerbsintensiven Markt an Kosten oben drauf kommt, ist eine echte Herausforderung für die Branche.“

Seit Anfang 2011 wird die sogenannte Luftverkehrsabgabe in Deutschland erhoben. Wer von einem deutschen Flughäfen abhebt, muss zahlen: aktuell 7,47 Euro für die Kurzstrecke, 23,32 Euro für die Mittelstrecke und 41,99 Euro  für die Langstrecke. Im vergangenen Jahr betrugen die dadurch erzielten Steuereinnahmen über eine Milliarde Euro.

Der 2010 erfolgte Beschluss, die Abgabe einzuführen, war ein Schock für Airlines und Flughäfen. Sie fühlten sich massiv benachteiligt, denn fast zeitgleich hatte die damalige Regierung die Abwrackprämie zur Stützung der Autoindustrie beschlossen. Zudem ist die deutsche Steuer die zweithöchste Abgabe dieser Art in den EU-Ländern, nur in Großbritannien langt die Regierung noch mehr zu. In den meisten EU-Ländern gibt es eine solche Abgabe erst gar nicht.

Die Folgen der Steuer werden seit Jahren diskutiert. Kritiker warnen vor allem vor der Abwanderung von Passagieren. Gerade grenznahe Flughäfen seien davon betroffen. Tatsächlich führte die Einführung einer solchen Abgabe in den Niederlanden im Jahr 2008 dazu, dass die Passagierzahlen an einigen niederländischen Airports um bis zu zehn Prozent zurückgingen. Viele Fluggäste wichen auf grenznahe Flughäfen wie Weeze, Düsseldorf oder Brüssel aus. Nach nur einem Jahr wurde die Steuer wieder abgeschafft. Eine ähnliche Erfahrung machte man in Dänemark, wo die 2005 eingeführte Abgabe 2007 wieder gekippt wurde.


PWC: Gesenkte Steuer könnte an andere Stelle Einnahmen bedeuten

Ob sich eine mögliche neue Bundesregierung aus CDU/CSU, Grüne und FDP zu einer Abschaffung durchringen würden, ist offen. Denn die Steuer wurde öffentlich auch gerne als Ökoabgabe und Ausgleich  für die Emissionen im Luftverkehr vermarktet. Zuletzt hatte die Branche ihre Lobbyarbeit bei der nun abgewählten Großen Koalition deutlich zurückgefahren.

Unter einem Finanzminister Wolfgang Schäuble war eine Abschaffung der Abgabe ein aussichtsloses Unterfangen. Auch aktuell muss die Branche wohl dicke Bretter bohren. Schon jetzt ist absehbar, dass die unterschiedlichen Wünsche der vier  potentiellen Koalitionspartner viel Geld kosten.

Dennoch ist Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des deutschen Luftfahrtverbandes BDL, optimistisch, dass sich etwas in Sachen Luftverkehrsabgabe tun wird: „Natürlich ist  die komplette Abschaffung das Optimum, aber schon der Einstieg in eine Abschaffung wäre ein großer  Fortschritt.“

Um den Bemühungen, die lästige Abgabe endlich loszuwerden, frischen Schwung zu verleihen, hat die Branche dieses Mal einen anderen Ansatz gewählt. Wurde bislang vor allem die Wettbewerbsverzerrung durch die Steuer betont, blickt man nun auf den volkswirtschaftlichen Effekt. Die klare Botschaft: Eine Abschaffung der Abgabe kann einnahmeneutral für den Staat erfolgen.

So prognostizieren die Experten von PWC bis 2030 ein in Summe um 67 Milliarden Euro höheres Bruttoinlandsprodukt (BIP) für Deutschland. Pro Senkung der Abgabe um einen Euro würden Mehreinnahmen aus anderen Steuerquellen wie etwa der Einkommenssteuer in Höhe von 1,08 Euro entstehen. „Das ergibt sich etwa dadurch, dass die Airlines die Abschaffung der Steuer in dem wettbewerbsintensiven Umfeld sofort an die Passagiere weitergeben, die das wieder investieren“, begründete Laura Gatz-Schulz von PWC diese Prognose. Auch würden mehr Besucher nach Deutschland kommen.

Alleine zwischen 2018 und 2020 würden Touristen befreit von einer Ticketsteuer 1,6 Milliarden Euro mehr im Land lassen. Im gleichen Zeitraum würden 24,6 Millionen zusätzliche Passagiere in Deutschland das Flugzeug besteigen und 10,5 Millionen zusätzliche Touristen das Land besuchen. Dabei berücksichtigte PWC in seiner Rechenmodell auch negative Effekte etwa durch die Verlagerung von Verkehren von anderen Verkehrsträgern wie der Bahn. 

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