Es war mehr Scherbengericht denn Hauptversammlung. Als Olaf Koch 2012 erstmals als Metro-Chef in Düsseldorf vor seine Aktionäre trat, machten die aus ihrem Unmut keinen Hehl. Das Vertrauen der Investoren sei weg, Metro zum "bloßen Ankündigungsweltmeister" geworden und der Aktienkurs kollabiert, monierten die aufgebrachten Anteilseigner.
"Die Metro Group steckt in einem großen Umbruch", erklärte Koch damals.
Weniger Monate vor dem Aktionärstreffen hatte er den Chefposten in Düsseldorf nach allerlei Personalquerelen von Eckhard Cordes übernommen und dem Unternehmen eine neue Strategie verordnet: Weg vom Mantra des Wachstums um jeden Preis und globalen Expansionsgelüsten. Hin zu einer stärkeren Kundenorientierung und einer Steigerung der Kosteneffizienz.
Warum die Metro sich aufspaltet
Die Geschäfte beim Düsseldorfer Handelsriesen liefen zuletzt nicht gerade berauschend. Die Konkurrenz ist groß und das Unternehmen schrumpft seit Jahren. Immer wieder wurden große Konzernteile verkauft – wie etwa die Warenhäuser Galeria Kaufhof oder das Auslandsgeschäft der Supermarktkette Real. Die Folge: Der Konzern verlor nicht nur den inoffiziellen Titel des größten deutschen Handelskonzerns, er musste auch seine Platz in der höchsten Börsenliga, dem DAX-30, räumen. Die Aufspaltung soll nun zu neuem Schwung verhelfen.
Mehr Wachstum und mehr Börsenwert. Mehr Wachstum, weil die getrennten Unternehmen sich besser auf ihre jeweilige Kundengruppe konzentrieren und dynamischer agieren können. Mittelfristig soll der bereinigte Umsatz bei beiden Gesellschaften um mindestens drei Prozent pro Jahr steigen. Im zurückliegenden Jahr schaffte die Metro als Ganzes weniger als ein Prozent. Mehr Börsenwert, weil Mischkonzerne wie die Metro an der Börse schlechter bewertet werden als klar fokussierte Unternehmen. Tatsächlich hat die Metro-Aktie seit Bekanntgabe der Aufspaltungspläne rund 25 Prozent an Wert gewonnen.
Viele Analysten halten die Teilung für sinnvoll. Laurence Hofmann vom Investmenthaus Oddo sieht mehr Spielraum für Zukäufe und Partnerschaften. Dies hat aus seiner Sicht vor allem Media-Saturn nötig, will die Tochter ihre Stellung als größter Elektronikhändler Europas gegen mächtige Internetriesen wie Amazon auf Dauer verteidigen. Der Lebensmittelteil wiederum dürfte sein Geschäft mit der Belieferung sowie Kooperationen mit Start-Up-Unternehmen für das Hotel- und Restaurantgewerbe ausbauen, erwartet Christian Bruns von der Investmentbank Equinet. Der Experte verspricht sich zudem schnellere Entscheidungen auf Managementebene und insgesamt mehr Transparenz.
Heute vereint die Metro unter ihrem Dach zwei Geschäftsbereiche, die eigentlich wenig gemeinsam haben: die Lebensmittelsparte mit den Metro-Großmärkten und den Real-Supermärkten auf der einen Seite, sowie die Elektroniksparte mit den Ketten Media Markt und Saturn auf der anderen. Nach der Trennung Mitte 2017 sollen diese Sparten als eigenständige Unternehmen getrennte Wege gehen. Dabei behält die Lebensmittelsparte den Traditionsnamen Metro. Die Elektroniksparte erhält den neuen Kunstnamen Ceconomy. Die Elektronikketten selbst werden aber weiter unter den altbewährten Namen Media Markt und Saturn firmieren. Beide Unternehmen werden weiterhin an der Börse notiert sein.
Erst einmal wenig. Denn der Verkauf wird in den Großmärkten ebenso wie bei Real, Media Markt oder Saturn unverändert weitergehen. Auf Dauer würden aber auch die Verbraucher profitieren, meint Koch, weil sich die spezialisierten Gesellschaften besser auf die unterschiedlichen Kundenbedürfnisse einstellen könnten.
Wenig, außer vielleicht den hohen Kosten. Denn Gemeinsamkeiten zwischen den Geschäftsbereichen gibt es kaum. Konzernchef-Koch meint sogar, der Zusammenschluss der Metro-Großmärkte, der Real-Supermärkte und der Elektronikketten Media Markt und Saturn unter einem Dach habe zuletzt die Geschäfte eher behindert als gefördert. Die Aufspaltung ist allerdings nicht billig. Der Konzern beziffert die Kosten auf rund 100 Millionen Euro.
Ja. Die Leitung des Lebensmittelgeschäfts übernimmt Koch selbst, Aufsichtsratsvorsitzender soll der bisherige Metro-Chefkontrolleur Jürgen Steinemann werden. An der Spitze der Elektronikkette wird der Media-Saturn-Chef Pieter Haas stehen. Für den Aufsichtratsvorsitz ist der frühere Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, vorgesehen.
Im Gegenteil. Zurzeit ist das Aufspalten oder Abspalten bei deutschen Konzernen geradezu in Mode. Die Energieriesen Eon und RWE spalteten sich kürzlich jeweils in zwei Teile auf, um das wenig zukunftsfähige Geschäft mit konventionellen Kraftwerken vom lukrativeren Zukunftsgeschäft um Ökostrom, Vertrieb und Netzbetrieb zu trennen. Und der Pharma- und Pflanzenschutzkonzern Bayer brachte 2015 seine Kunststoffsparte als Covestro an die Börse, um sich stärker auf das lukrativere Geschäft mit der Gesundheit für Mensch, Tier und Pflanze zu konzentrieren.
Fünf Jahre sind seither vergangen. Doch von großer Euphorie war auch bei der heutigen Hauptversammlung in der Düsseldorfer Stadthalle wenig zu spüren. Stattdessen: höflicher Applaus, eine Reihe kritischer Nachfragen und lautstarke Störmanöver.
Koch will den Elektrohandel von den Lebensmitteln trennen
Denn Koch präsentierte seinen Aktionären einen tiefgreifenden Umbauplan: die Aufspaltung des Konzerns in einen Lebensmittelspezialisten und in die Elektronikhandelsholding Ceconomy mit den Flaggschiffen Media Markt und Saturn. Erhält Koch bei der heutigen Hauptversammlung die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit für seine Pläne, wird der Lebensmittelhandel rund um die Metro-Großmärkte und die SB-Warenhauskette Real im Sommer abgetrennt. Auch das Immobilienvermögen der Metro wird dort gebündelt.
So entsteht ein Unternehmen mit rund 37 Milliarden Euro Jahresumsatz und mehr als 150.000 Mitarbeitern in 35 Ländern. Die Anteilseigner der "alten" Metro sollen Aktien dieser neuen Gesellschaft erhalten. Das Zuteilungsverhältnis beträgt 1:1 – für jede Metro-Stammaktie gibt es also eine Stammaktie des Lebensmittelhändlers.
Die Aktionäre hätten die Möglichkeit, "eine vollkommen neue Episode" in der Unternehmensgeschichte zu starten, warb Koch um die Zustimmung der Aktionäre für die Trennung. Die beiden Unternehmensteile würden durch die Trennung besser und schneller werden, versprach der Manager. Denn für beide Gesellschaften werde es "weniger Ablenkung durch eine gemeinsame Konzernstruktur geben, die keine Synergien geboten hat."
Den Auftakt der Fragerunde machte Alexander Elsmann von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), der den "Transformationsmarathon" der vergangen Jahre rügte. Schließlich sei Metro in Sachen Wachstum und Marge trotz allen Umbaus nicht vorangekommen. Auch die nun eingeleitete Aufspaltung allein würde nicht ausreichen, um das Geschäft in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Dennoch unterstütze er den Schritt.
Die größten Lebensmittelhändler Deutschlands
Bartells-Langness
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 3,09 Milliarden Euro (Schätzung)
Globus
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 3,23 Milliarden Euro
Rossmann
Umsatz mit Lebensmitteln in Deutschland: 5,18 Milliarden Euro
dm
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 6,33 Milliarden Euro
Lekkerland
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 8,98 Milliarden Euro
Metro (Real, Cash & Carry)
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 10,27 Milliarden Euro (Schätzung)
Aldi (Nord und Süd)
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 22,79 Milliarden Euro (Schätzung)
Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland)
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 28,05 Milliarden Euro (Schätzung)
Rewe-Gruppe
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 28,57 Milliarden Euro (Schätzung)
Edeka (inkl. Netto)
Umsatz mit Lebensmitteln 2015: 48,27 Milliarden Euro
Quelle: TradeDimensions / Statista
Vor allem die Entwicklung der SB-Warenhaustochter Real sei "alles andere als ein Brüller", kritisierte Jella Benner-Heinacher, Vertreterin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Auch die mit der Aufspaltung verbundenen Kosten von rund 100 Millionen Euro knöpften sich mehrere Redner vor. Der Kölner Investor Karl-Walter Freitag sprach gar von einem Vergütungs- und Gebührenschlachtfest. Auch sonst fand Freitag, der dank seiner Auftritte bei Hauptversammlungen auch als „Vorstandsschreck“ bekannt ist, deutliche Worte. Die Aktienkursentwicklung von Metro sei "so spannend wie Opel-Fahren", der Kurs stehe dort, wo er schon vor 20 Jahren stand. Insgesamt sei die Performance mit dem Prädikat "nicht ausreichend" noch sehr lobend beschrieben.
Rund 50 Minuten machte Freitag in ähnlicher Manier weiter und teilte lautstark und nach Kräften aus, bevor ihn Metro-Aufsichtsratschef Jürgen Steinemann stoppte. Bei der Beantwortung der Fragen setzte Freitag wiederum mit Zwischenrufen nach. "Ich lese jetzt vor und Sie hören zu", entgegnete Koch leicht gereizt. Gut möglich, dass das Fragefeuerwerk der Vorbereitung sogenannter Anfechtungsklagen dient. Das Ziel: die Aufspaltung zu verhindern oder zumindest zu verzögern und damit den Druck auf das Management zu erhöhen. Derlei juristische Manöver sind ohnehin absehbar.
So berichtet das "Manager Magazin", Media-Saturn-Minderheitsgesellschafter Erich Kellerhals habe bereits eine Anfechtungsklage vorbereitet, sollten die Metro-Aktionäre den Spaltungsplänen zustimmen. Davon ist auszugehen. Die Großaktionäre der Metro hatten sich bereits vor dem Treffen für die Aufspaltung ausgesprochen. Koch kann also auf die Unterstützung der wichtigsten Anteilseigner bauen, wenn es in den nächsten Stunden zur Abstimmung kommt.