Neue Geschäftsmodelle für den Einzelhandel Wie der Kampf gegen die Online-Konkurrenz gewonnen werden kann

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Von Ikea lernen

Tatsächlich hat der Online-Handel Vorteile, bei denen der stationäre Handel nur schwer mithalten kann und die Shopping-Touren am Computer so attraktiv machen: Man kann jederzeit und notfalls im Schlafanzug shoppen, auch die Auswahl ist größer als im Laden in der Innenstadt. Engpässe bei der Lieferfähigkeit gibt es nicht – was der eine Online-Shop nicht bietet oder was dort gerade nicht lieferbar ist, findet der Konsument einen Mausklick entfernt auf der nächsten Internet-Plattform.

Häufig sind online eingekaufte Artikel zudem noch billiger als im stationären Handel, zumindest ist der Preisvergleich für den Kunden einfacher. Gleichzeitig hat die Beratung durch Fachkräfte, eigentlich die Domäne des stationären Handels, heutzutage an Bedeutung verloren: Online-Kunden verlassen sich lieber auf die Internet-Empfehlungen anderer Kunden. Nur bei komplizierten und erklärungsbedürftigen und meist auch entsprechend teuren Produkten ist Fachberatung noch gefragt.

Mobile Verkaufsschlager
Parfum Smartphone App Quelle: dpa
Flugzeug Smartphone App Quelle: dpa
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Platz 4: DamenbekleidungNicht nur Herrenbekleidung wird vermehrt mobil gekauft – der Anteil der Damenbekleidung, die über das Smartphone gekauft wird, liegt mit 16,4 Prozent noch höher. Ob nun immer mehr Männer die Geschenke für ihre Frau auch vom Sofa aus kaufen, lässt sich anhand der Agof-Studie leider nicht herausfinden. Quelle: dpa

Allerdings gibt es nach wie vor gute Argumente für den Einkauf im Geschäft vor Ort. Punkten kann der stationäre Handel etwa mit dem Einkaufserlebnis – mit einer attraktiven Gestaltung der Verkaufsräume, einer wirkungsvollen Präsentation der Produkte und mit der Möglichkeit, deren Qualität und Anmutung durch Befühlen und Anfassen besser beurteilen zu können: „Touch an Feel spielt vor allem bei Textilien und frischen Lebensmitteln eine wichtige Rolle und spricht für den stationären Handel“, sagt Unex-Berater Daegling.

Doch gerade diesen Vorsprung haben viele Einzelhändler verspielt: „Der Fokus auf die Kosten hat dazu geführt, dass die Kundenbindung immer geringer wird“, sagt Batten & Company-Experte Göbbel. „Damit verliert der Handel ausgerechnet seinen wichtigsten Pluspunkt – statt ein positives Einkaufserlebnis zu bieten, werden dem Kunden lange Wartezeiten an der Kasse zugemutet, wer Fragen zum Produkt hat, sucht vergebens nach einem fachkundigen Verkäufer.“

Hinzu kommt: „Der Kunde von heute unterscheidet nicht mehr zwischen online und stationär, dennoch hat der Handel die Integration der verschiedenen Vertriebskanäle versäumt“, kritisiert Göbbel, „warum kann ich zum Beispiel nicht im Laden abholen, was ich auf der Online-Plattform des Händels bestellt habe?“ Von solchen Angeboten ist der stationäre Handel noch weit entfernt, bislang sind die Prozesse nicht auf den Kunden ausgelegt, das Kundenerlebnis bleibt auf der Strecke. Göbbel: „Auf Dauer ist das kein nachhaltiges Geschäftsmodell.“

Raus aus der Misere

Gibt es einen Ausweg aus der Misere? „Der intelligente Einsatz neuer Technologien ermöglicht eine Kundenbindung an die Handelsmarke, wie sie traditionell zwischen Fachverkäufer und Kunden bestand“, fordert Daegling. Als Positiv-Beispiel nennt der Berater Ikea: „Das Unternehmen identifiziert seine Kunden über die Family-Karte in allen Kanälen und macht ihn so zum Teil der eigenen Community. Im Gegenzug ist der Kunde bereit, Ikea als Händler sein Vertrauen zu schenken und bleibt der Marke treu.

Zumal die orange-farbene Kundenkarte der Schweden vom Kunden nicht nur als Bezahlkarte genutzt wird. Ikea-Family-Mitgliedern werden Sonderrabatte eingeräumt, sie können sich per Mail informieren lassen, wenn bestimmte, im Einrichtungshaus ausverkaufte Artikel wieder lieferbar sind, sie werden über Events in den Häusern informiert oder in den Restaurants zum kostenlosen Kaffee eingeladen.

Von den Ikea-Erfahrungen können auch andere stationäre Handelsketten lernen. „Der Handel muss auf seinen Flächen ein Kundenerlebnis schaffen – mit den richtigen Produkten, der richtigen Beratung, den richtigen Mitarbeitern und den dazu passenden und am Kunden ausgerichteten Prozessen“, sagt Göbbel.

Deutschlands teuerste Einkaufsstraßen
Platz 10Die Fußgängerzone Grimmaische Straße in Leipzig rangiert mit einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 120 Euro pro Monat auf dem zehnten Platz der teuersten Shoppingmeilen Deutschlands. Quelle: dpa
Platz 9Auf den Nürnberger Einkaufsstraßen Ludwigsplatz / Hefnersplatz / Karolinenstraße liegen die durchschnittlichen Sätze für ein Ladenlokal bei 160 Euro pro Quadratmeter. Quelle: dpa
Platz 8Bekannt für Politklüngel und Hochdeutsch: In Hannover kostet eine Gewerbeimmobilie etwa auf der Georgstraße im Schnitt 195 Euro pro Quadratmeter. Quelle: Creative Commons-Lizenz
Platz 7 / 6Auf der Königstraße in Stuttgart tummeln sich zur Spitzenzeit 11.335 Personen. Mit durchschnittlich 250 Euro pro Quadratmeter Ladenfläche müssen Händler hier rechnen. Quelle: dpa
Platz 7 / 6Auch auf der Kölner Schildergasse bezahlen Händler 250 Euro für den Quadratmeter Ladenfläche. Quelle: dpa
Platz 5Auf der Spitaler Straße in Hamburg tummeln sich zu Spitzenzeit 9840 Personen. In Sachen Ladenmiete sind bis zu 275 Euro pro Quadratmeter fällig. Quelle: Gemeinfrei
Platz 4Rang vier geht an die Kö in Düsseldorf. Wer hier seinen Laden neben Armani, Gucci oder Chanel platzieren will, legt dafür im Schnitt 285 Euro monatlich pro Quadratmeter hin. Quelle: dpa/dpaweb

Das wichtigste Instrument zur Identifizierung des Kunden in allen Vertriebskanälen ist eine Kundenkarte, auch gegen Prämien einlösbare Treuepunkte und die Möglichkeit, an der Ladenkasse mobil zu bezahlen, helfen dabei, den eigenen Kunden zu erkennen und mehr über sein Konsumverhalten zu erfahren.

„Wer dann auch noch die Präsentation der Waren optimiert, macht Einkaufen wieder zu einem positiven Erlebnis und hat die Chance, aus den Marken-treuen Kunden in einen Händler-treuen Kunden zu verwandeln“, beschreibt Berater Daegling den Weg aus der Krise. „Dieser Kunde steigt dann auch irgendwann auf die Eigenmarke des Händlers um und trägt damit zur Verbesserung der Rendite bei.“ Die Baumarktkette Hornbach, die DM-Drogeriemärkte oder die Lebensmitteleinzelhandelskette Edeka sind Beispiele für erfolgreiche Veränderungsprozesse.

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