
Die Baumarktkette Praktiker wurde vor allem durch ihren Werbeslogan „20 Prozent auf alles, außer Tiernahrung“ bekannt. Andauernde Verluste führten vor zwei Jahren dazu, dass die Einzelhandelskette mit zuletzt gut drei Milliarden Euro Umsatz zahlungsunfähig wurde und Insolvenz anmelden musste. Rund 220 Läden der Marken Praktiker und Max Bahr wurden geschlossen, 20.000 Mitarbeiter verloren ihren Job.
Ob die rund 450 Lebensmittelmärkte der Marke Kaisers Tengelmann und deren etwa 16.000 Mitarbeiter ein ähnliches Schicksal erwartet, steht noch in den Sternen. Weil die Läden seit 15 Jahren keinen Gewinn mehr erwirtschaften, soll die Kette an Edeka verkauft werden. Allerdings müsste das Bundeskartellamt dem Deal zustimmen, was wegen eines Einspruchs des Wettbewerbers Rewe aber immer unwahrscheinlicher wird.
Was bei Praktiker und Kaisers überregionale Aufmerksamkeit erregt, spielt sich bei vielen namenlosen Einzelhandelsfachgeschäften im Stillen ab: Jahrelanges Siechtum durch stagnierende Umsätze führt schließlich zur Schließung. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist vor allem in kleineren und mittleren Städten nicht zu übersehen: Der stationäre Fachhandel ist verschwunden, geblieben sind nur Billigketten und Discounter.
Die größten Discounter der Welt 2014
Dollar Tree belegt den zehnten Platz unter den weltgrößten Discountern. Das US-Unternehmen erzielte 2013 einen Umsatz von 6,2 Milliarden Euro.
Auch aus Skandinavien kommt ein Discounter, der es unter die Top Ten der weltgrößten geschafft hat: Rema 1000 gehört zum Konzern Reitangruppen. 2013 setzte das Unternehmen 6,8 Milliarden Euro um.
Der US-Discounter Family Dollar verkaufte 2013 Waren im Wert von 8,2 Milliarden Dollar und belegt damit weltweit den achten Platz unter den größten Discountern.
Auch der siebtgrößte Discounter der Welt findet sich auf der Iberischen Halbinsel: Biedronka stammt aus Portugal und wird von JMR Jerónimo Martins Retails betrieben. 2013 setzte die Kette 8,3 Milliarden Euro um. Zum Vergleich: Aldi erwirtschaftete im gleichen Zeitraum mehr als den siebenfachen Betrag.
Die sechstgrößte Discountkette der Welt stammt aus Spanien. Das Unternehmen mit dem Namen Dia (zu Deutsch „Tag“) setzte 2013 11,4 Milliarden Euro um.
Auf dem fünften Platz findet sich wieder ein deutsches Unternehmen: Der Discounter Penny, der zur Rewe-Gruppe gehört. 2013 betrug der Umsatz des Discounters laut Ranking von Planet Retail 12,1 Milliarden Euro.
Erst an vierter Stelle ist ein nicht-deutsches Unternehmen zu finden. Die US-Kette Dollar General verkaufte 2013 Waren im Wert von 13,9 Milliarden Euro.
Mit großem Abstand folgt der drittgrößte Discounter der Welt: Netto. Die Kette gehört zur Edeka-Gruppe und erzielte 2013 14,2 Milliarden Euro Umsatz.
Der Discounter Lidl, der zur Schwarz Gruppe gehört, belegt im Ranking der weltgrößten Discounter den zweiten Platz. 2013 betrug der Brutto-Außenumsatz der Supermarktkette 59 Milliarden Euro.
Aldi ist die Nummer eins im Ranking von Planet Retail (Juni 2014) im weltweiten Discounter-Markt. 2013 machte das deutsche Unternehmen einen Brutto-Außenumsatz von 61,1 Milliarden Euro.
Wer ist Schuld an dieser Entwicklung? Amazon und das Internet – hauptsächlich jedenfalls. Doch der Erfolg des mächtigen Online-Händlers ist nur eine der Ursachen. „Ein Teil der Probleme ist selbst verschuldet“, sagt Tobias Göbbel, Managing Partner Unternehmensberatung Batten & Company aus München. „Durch eigene Versäumnisse hat der stationäre Einzelhandel seinen Niedergang noch beschleunigt.“
Batten & Company ist auf Beratung im Einzelhandel spezialisiert, Göbbel leitet den Bereich Retail Excellence und hat die Ursachen der sinkenden Flächenproduktivität vieler Einzelhandelsgeschäfte untersucht. „Die Leute kaufen nicht weniger, sie kaufen woanders, ein Teil der Umsatzverluste ist an den Online-Handel gegangen, der Rest an andere stationäre Wettbewerber, die mehr für ihre Kunden tun.“
Die Fehler der Händler
Zwei Studien von Göbbel und seinen Kollegen haben die Stärken und Schwächen von Textileinzelhandelsketten und mit Elektronik-Fachgeschäften analysiert. So unterschiedlich die verkauften Produkte, so ähnlich ist das, was in den Läden falsch läuft: „Beratung ist Glücksache, weil zu wenig Personal vorhanden oder gerade anderweitig beschäftigt ist, die Läden wirken verstaubt und wenig einladend.“ Die Chance, den Kunden aktiv zum Kauf weiterer Artikel zu animieren, wird ebenso wenig genutzt wie das Potenzial einer eigenen Internet-Präsenz. Der Berater: „Ein Großteil der Händler ist nicht in der Lage, den Kunden den Mehrwert des eigenen Online-Kanals zu vermitteln.“
Doch nicht nur die Kunden zieht es immer weniger in traditionelle Einzelhandelsgeschäfte, wo die Produkte vieler Herstellermarken auf einer Fläche verkauft werden. „Auch die Markenhersteller sind häufig unzufrieden über die Präsentation ihrer Produkte und eröffnen darum immer mehr eigene Shops, die den Handel zusätzlich unter Druck setzen“, sagt Benno Christian Daegling, Geschäftsführer der Unex Management Consulting in Hamburg.
Nicht nur Mode-Label wie Boss oder Bogner machen so dem Einzelhandel mit eigenen Monomarkenshops Konkurrenz, auch für andere Produkte gibt es ähnliche Entwicklungen, wie die Nivea-Flagshipstores in Hamburg und Berlin oder die mittlerweile in jeder deutschen Großstadt vertretenen Nespresso-Läden zeigen: „Für mich ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis es auch Bosch-Heimwerkershops oder Grohe-Bad-Studios gibt“, sagt Daegling.
Wie sein Kollege Göbbel ist auch Daegling auf die Beratung des Einzelhandels spezialisiert und kennt die Probleme der Branche genau. Und auch der Unex-Berater sieht sein eigenes Klientel kritisch: „Viele Einzelhändler haben sich in eine Sackgasse manövriert. Auf den Verlust von Kunden und Umsatz reagieren sie mit Kostenreduktion, sie wechseln in günstigere Standorte, reduzieren ihr Personal oder investieren nicht mehr in dessen Qualifikation. Das merkt der Kunde, weitere Umsatzverluste sind die Folge, die Abwärtsspirale dreht sich weiter.“