Wird Rewe nun den Zuschlag kriegen?
Der Kölner Handelskonzern hat sein Übernahmeangebot zumindest noch einmal erneuert. Gegenüber der Bild-Zeitung sagte Rewe-Chef Alain Caparros, dass er weiterhin bereitstehe. „Rewe würde die Arbeitsplätze sichern, bestehende Tarifverträge übernehmen und die betriebliche Mitbestimmung in vollem Umfang garantieren.“
Dass es zu einer Blockübernahme durch Rewe kommen wird, bezweifelt Handelsexperte Funder aber: „Da das Gericht die Ministererlaubnis für Edeka einkassiert hat, dürfte Rewe auch keine besseren Aussichten haben.“ Zumal die Aspekte, die die Monopolkommission bei einer Fusion mit Edeka monierte, auch für Rewe gelten dürften: Die Marktmacht des zusammengeschlossenen Unternehmens wäre in Berlin, Bayern und Nordrhein-Westfalen zu groß und die Position bei Verhandlungen mit Lieferanten zu stark.
Ministererlaubnis
Formell muss nach dem Gesetz für Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) mindestens einer der Beteiligten eines Fusionsprojekts nach dessen Untersagung durch das Bundeskartellamt die Ministererlaubnis beantragen. Er kann dies innerhalb von einem Monat nach der Zustellung des Verbots der Wettbewerbswächter tun. Innerhalb von vier Monaten nach Eingang des Antrags soll der Minister entscheiden. Wird eine Erlaubnis erteilt, kann sie mit Bedingungen und Auflagen verbunden sein. Die Entscheidung ist aber gerichtlich anfechtbar.
Voraussetzung für einen solchen Antrag ist ein öffentliches Interesse an dem Zusammenschluss. Nach dem GWB muss die Fusion gesamtwirtschaftliche Vorteile bieten und/oder durch ein "überragendes Interesse" der Allgemeinheit gekennzeichnet sein. Diese übergeordneten Vorteile müssen die Nachteile für den Wettbewerb aufwiegen, wegen derer das Bundeskartellamt sein Veto einlegte. Auch die Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen auf Auslandsmärkten soll berücksichtigt werden.
An dem Verfahren für eine Ministererlaubnis werden auch Personen und Gruppen beteiligt, deren Interessen durch die Fusion erheblich berührt werden. Dazu gehören etwa Arbeitnehmer, Verbände, aber auch Konkurrenten. Vor einer Entscheidung über eine Ministererlaubnis muss die Monopolkommission - ein Expertengremium, das die Bundesregierung bei Wettbewerbsfragen berät - eine Stellungnahme abgeben. Deren Einschätzung ist allerdings nicht bindend. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Zudem muss es eine öffentliche mündliche Anhörung geben.
Seit Schaffung des Instruments und damit seit 1974 wurde in 21 Fällen eine Ministererlaubnis beantragt. Die Erfolgsbilanz ist gemischt. Wiederholt wurde eine Erlaubnisantrag im Verlauf des Verfahrens wieder zurückgezogen. Zuletzt war ein Zusammenschluss im Krankenhausbereich - Uniklinikum Greifswald/Kreiskrankenhaus Wolgast - im Jahr 2008 vom Minister genehmigt worden. Der bislang letzte spektakuläre Fusionsfall, bei dem eine Ministererlaubnis den Weg - wenn auch mit Auflagen - freimachte, war der der Energiefirmen E.ON und Ruhrgas im Jahr 2002. Dagegen wurde 2003 ein Antrag für ein Zusammengehen der Verlage Holzbrinck/Berliner Verlag zurückgezogen, nachdem die Monopolkommission im Zuge des Verfahrens empfohlen hatte, die Ministererlaubnis zu versagen.
Was wird nun aus Kaiser’s Tengelmann?
Schon im Vorfeld drohte Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub indirekt mit einem Aus für die Supermarktkette, sollte die Fusion mit Edeka nicht zustande kommen. Ohne eine Einigung gebe es für Kaiser’s Tengelmann „verschiedene Möglichkeiten, aber keine sympathischen“.
Der Betriebsratsvorsitzende bei Kaiser’s Tengelmann, Volker Bohne, machte gegenüber der Berliner Zeitung bereits im Februar deutlich, was das heißen könnte: „Dann wird Tengelmann sämtliche Filialen schließen.“
Ob es soweit kommt? Eher nicht. Wahrscheinlicher ist, dass Kaiser’s Tengelmann zerschlagen wird. „Die Übernahme durch mehrere, hoffentlich kleinere Anbieter ist die wahrscheinlichste Option“, sagt Funder.
Auch Kartellrechtler Jörg Karenfort von der Kanzlei Dentons hält eine Aufspaltung für das wahrscheinlichste Szenario. „Was wir beobachten ist ja die klassische kartellrechtliche Konstellation. Wenn etwas fusionskontrollrechtlich nicht geht, dann wird nur der Teil verkauft, der wettbewerblich unbedenklich ist“, sagt der Jurist.
In der Vergangenheit hatte bereits die Handelsgruppe Coop mit Sitz in Kiel, die unter der Marke Sky zahlreiche Märkte in Norddeutschland betreibt, Interesse an den Kaiser’s Tengelmann-Märkten in Berlin und Brandenburg signalisiert. „Coop hat schon länger ein Auge auf Berlin geworfen“, sagte im vergangenen Jahr eine Unternehmenssprecherin gegenüber der WirtschaftsWoche.
Ein anderer Teil der Filialen könnte an das hessische Handelsunternehmen Tegut gehen. „Sollte es bei Kaiser’s Tengelmann Bewegung geben, sind wir an den bayrischen Märkten interessiert und würden gerne in die Verhandlungen einstiegen“, sagte Geschäftsführer Thomas Gutberlet ebenfalls im vergangenen Jahr. Auch der Tegut-Eigner, die Schweizer Handelsikone Migros, hatte bereits Interesse angemeldet.
Was wird im Falle einer Zerschlagung aus den Mitarbeitern?
Bis zu 8000 Mitarbeiter könnten ihren Job verlieren, sollte die Fusion nicht zustande kommen – das hatte Tengelmann-Chef Haub mehrfach angedroht. „Aus Sicht der Tengelmann-Mitarbeiter war der Gerichtsentscheid schlecht“, vermutet auch Funder. „Im Falle einer Zerschlagung wird es kaum mehr eine Arbeitsplatzgarantie geben.“
Schon das Ursprungsangebot von Edeka sah ein Restrukturierungsprogramm inklusive Arbeitsplatzverlusten bei Kaiser’s Tengelmann vor. „In Summe gibt es im deutschen Lebensmitteleinzelhandel zu viel Einkaufsfläche “, sagt Funder. „Es kann also durchaus zu einer Marktbereinigung kommen.“ In der Konsequenz heißt das: einzelne Kaiser's-Tengelmann-Filialen könnten geschlossen werden.
Höchstwahrscheinlich trifft das vor allem Filialen in Nordrhein-Westfalen. Dort ist der Restrukturierungsstau sowie die Konkurrenz am höchsten.