
Mit großen Augen bleiben die Passanten vor dem Laden stehen. Auf den ersten Blick scheint es eine neue Fleischerei zu sein - weiße Kacheln an der Wand, Wurst in der Vitrine, eine Retro-Waage auf dem Tresen. Doch über dem Schaufenster in der Kreuzberger Bergmannstraße steht: „Der vegetarische Metzger“. Für manche ist da die Verwirrung erst einmal groß.
Drinnen wird Veganes und Vegetarisches aufgetischt, bevor an diesem Freitagabend die Eröffnung ansteht: Es gibt Hähnchengeschnetzeltes, Burger, Wurst. Sieht aus wie Fleisch, riecht wie Fleisch, ist aber keins. Auch zerlegt oder verwurstet wird hier nichts: Die Fleischimitate stammen aus industrieller Produktion, in den Glasschränken liegt Abgepacktes.
Die Geschäftsführer David Meyer, Florian Tenfelde und Martin Koltermann sprechen von einem Premium-Produkt, mit dem sie den deutschen Markt von Berlin aus erobern wollen: Vegetarier, Veganer - aber vor allem jene, die es werden wollen. Die drei vertreiben exklusiv das Sortiment der holländischen Firma „The Vegetarian Butcher“, wollen es auch in Supermärkten platzieren und noch diesen Herbst ein Restaurant in der Revaler Straße in Berlin-Friedrichshain eröffnen.
Auch wenn etwa ein Veggie-Metzger in Frankfurt laut Medienberichten nur 15 Monate existierte - die Zahlen sprechen für die Berliner: Bundesweit hat sich der Umsatz mit veganen und vegetarischen Lebensmitteln zwischen 2010 und 2015 mehr als verdoppelt, nach Angaben des Kölner Instituts für Handelsforschung (IFH) auf 454 Millionen Euro. Veganismus ist längst ein Lifestyle-Trend. Berlin bietet von der Pizzeria bis zur Crêperie die gesamte kulinarische Bandbreite in vegan.
Neben einem Veggie-Metzger in der Schweiz bietet auch der ein oder andere Berliner Laden selbst gemachte Wurst, Burger-Patties oder Braten an. Bisher grenzen sie sich aber meist klar von der echten Fleischbranche ab und beschreiben sich zum Beispiel als „Seitanmanufaktur“ - Seitan ist Fleischersatz aus Gluten. In Kreuzberg dagegen verschwimmen die Grenzen. „Schmeckt normal“, sagt eine Nicht-Vegetarierin beim Kosten und scheint überzeugt. Ein veganer Passant beißt ins sehnige „Hähnchen“ und fühlt sich an Hähnchenhaut erinnert. Das Grinsen der Geschäftsführer wird breiter.
Das sind die besten Bio-Fleischersatzprodukte
Als einziges Produkt erhält „Gut Bio Soja-Schnitzel“ von Aldi Nord die Note „gut“. Es kostet 1,85 Euro pro 175 Gramm, hat einen niedrigen Salzgehalt und schneidet auch in den anderen Kategorien überdurchschnittlich gut ab.
Quelle: Ökotest
Alberts Lupinenschnitzel von Purvegan hat es auf den zweiten Platz geschafft und erhält ebenfalls die Note „befriedigend“. 200 Gramm kosten 3,99 Euro. Der Mineralölanteil ist stark erhöht. Dafür liegt der Salzgehalt im Rahmen.
Der Paprika-Veggie-Aufschnitt von Alnatura erhält ebenfalls die Note befriedigend. Der Salzgehalt ist mit 2,9 Gramm pro 100 Gramm laut den Testern zu hoch – dafür war kein Mineralöl nachzuweisen und es sind auch sonst keine weiteren Mängel auszumachen. Kostenpunkt: 2,49 Euro pro 125 Gramm.
Auf Rang vier steht das „Veggie Life Power Hacksteak“ von Tofutown. 210 Gramm kosten 3,49. Trotz erhöhtem Mineralölanteil erhält es die Note „befriedigend“.
Wie die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) berichtet, stehen vor allem die Flexitarier, die statt zum Fleisch häufiger mal zu veganen oder vegetarischen Alternativen greifen, hinter dem Veggie-Boom in Deutschland. Das zeigt auch der Erfolg des Wurst-Markenartiklers Rügenwalder Mühle, der inzwischen mit mehreren fleischlosen Wurstsorten und etwa Tiefkühl-Schnitzel die Supermarktregale füllt. Ein Drittel des Sortiments sollen die Alternativen in Zukunft ausmachen, gibt die Firma den Kurs vor.
Eine Nachfrage nach vegetarischen Fleischalternativen spüren auch die herkömmlichen Metzger, vor allem beim Partyservice, wie Gero Jentzsch, Sprecher des Deutschen Fleischer-Verbands, sagte. Bisher seien es einzelne Betriebe, die Imitate im Angebot hätten. Das Bestreben der neuen Veggie-Anbieter, sich aus Marketing-Gründen der traditionellen Ästhetik, den Begriffen und der Bilderwelt des Fleischerhandwerks zu bedienen, findet Jentzsch „bemerkenswert“.
Diese Fleischersatzprodukte fallen durch
Das Naturgut Bio-Veggie Schnitzel von Penny erhält die Note „mangelhaft“. Der Mineralölanteil ist sehr stark erhöht. Auch der Test auf Inhaltsstoffe fiel mangelhaft aus.
Quelle: Ökotest
Die Hackbällchen von Veganz wurden ebenfalls mit „mangelhaft“ bewertet. Auch bei ihnen ist der Mineralölanteil sehr stark erhöht.
Die vegetarische Fleischwurst des Reformhauses Eden erhält die Note „ungenügend“. Der Salzgehalt wie der Mineralölgehalt sind zu hoch.
Ebenfalls mit „ungenügend“ bewertet wurden „Valess Filet“ von Friesland Campina. Der Mineralölanteil ist erhöht. Zudem enthält das Produkt umstrittene Inhaltsstoffe.
Die vegetarischen Schnitzel Wiener Art von Real lassen die Ökotester auch durchfallen. Grund: Stark erhöhter Mineralölanteil, umstrittene Inhaltsstoffe und ein zu hoher Salzgehalt.
Die Döner-Chunks mit Würzmarinade von Like Meat beinhalten zu viel Mineralöl und umstrittene Inhaltsstoffe wie Eisen und Zink.
Das Schnitzel Wiener Art von Topas ist mit Hefeextrakt angereichert, enthält zu viel Salz und einen sehr stark erhöhten Mineralölanteil.
Die Viana Veggiefresh Bratwurst mild des Herstellers Tofutown wird auch mit „ungenügend“ bewertet. Der Salzgehalt ist erhöht und die Wurst weist einen sehr stark erhöhten Mineralölanteil auf.
In der Veggie-Bratwurst von Taifun fanden die Tester gentechnisch veränderte Soja-DNA.
Heirlers „Wie Salami, vegetarisch“ fällt ebenfalls durch. Grund: Hefeextrakt, ein deutlich erhöhter Salzgehalt und ein sehr stark erhöhter Mineralölanteil.
Sein Verband spricht sich für eine Kennzeichnungspflicht aus. Es werde problematisch, wenn für Verbraucher eine Verwechslungsgefahr bestehe oder das Imitat nicht den mit der Bezeichnung verbundenen Erwartungen entspreche, so Jentzsch. Er nennt ein Beispiel, über das vor Jahren noch viele die Nase rümpften: Analogkäse.
Bisher wird Veggie-Speck oder Soja-Thunfisch von „The Vegetarian Butcher“ den Angaben zufolge in 13 Ländern in 3000 Geschäften verkauft. Die Preise für eine Packung sollen bei etwa drei Euro starten - teurer als manch tierisches Hack vom Discounter. Dafür gibt es beim Veggie-Metzger noch die Geschichte von Gründer Jaap Korteweg dazu: Er erlebte nach Firmenangaben als Bauer Ende der 1990er Jahre Tierseuchen mit und wurde Vegetarier. Weil er Fleisch vermisste, tüftelte er an Ersatzprodukten. Auf einem Marketingfoto halbiert er mit einem Schlachtermesser einen Bund Möhren, Saft spritzt ihm auf die weiße Schürze. Sieht aus wie Blut, ist aber natürlich keins.