Zwei-Klassen-Standards im Supermarkt „Gleiche Verpackung muss auch gleichen Inhalt haben“

Die östlichen EU-Mitglieder rebellieren gegen Zwei-Klassen-Standards im Supermarkt. Sie kritisieren unterschiedliche Qualitäten in Ost und West. Nun wollen sie konkrete Schritte festlegen - mit der EU-Kommission.

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Ein Leibniz-Butterkeks von Bahlsen war bis Juli im Westen was anderes, als in Oststaaten der EU. Quelle: dpa

Abseits vom Brexit und anderen diplomatischen Großbaustellen muss sich die Europäische Union nun auch mit dem Bauchgefühl ihrer Bürger aus dem Osten beschäftigen. Ein Treffen mehrerer Regierungschefs in Bratislava widmete sich am Freitag der - von vielen hier so empfundenen - Benachteiligung östlicher Verbraucher durch westliche Firmen.

Internationale Konzerne verkauften billigere und minderwertige Produkte in gleicher Verpackung - so lautet der Vorwurf. Die für Verbraucherschutz zuständige EU-Kommissarin Vera Jourova versprach baldige Schritte: „Das ist kein marginales Problem, es geht um das Vertrauen der Bürger in den gemeinsamen Markt“, sagte sie. Für den slowakischen Regierungschef Robert Fico ist das Ziel klar: „Gleiche Verpackung muss auch gleichen Inhalt haben.“ Alles andere sei bewusste Täuschung von Konsumenten, kritisierte der Ministerpräsident in seiner Eröffnungsrede.

„Sie wissen, wie sehr wir an Marken glauben, und nutzen das aus“, beschwert sich etwa die Bankangestellte Jana Holkova aus Bratislava. Vor allem bei Lebensmitteln, Drogeriewaren und Reinigungsmitteln sieht sie klare Qualitätsunterschiede bei trotzdem oft höherem Preis zwischen den in der Slowakei verkauften Produkten und denen, die sie in Regalen im Nachbarland Österreich findet. „Wir sehen dieselbe Marke, die wir aus der Westwerbung kennen, und wundern uns dann, warum das scheinbar identische Produkt bei uns nicht so gut ist“, klagt sie.

Aus Bratislava fahren seit Jahren so viele Kunden über die Grenze, dass in österreichischen Gemeinden Supermärkte und Einkaufszentren mit Slowakisch sprechendem Verkaufspersonal wie die Pilze aus dem Boden schießen. Wovon die Einkaufstouristen schon lange überzeugt sind, sollen auch unter slowakischer Federführung durchgeführte Vergleichstests von Verbraucherorganisationen belegen.

Bereits 2011 erschien dazu eine aufsehenerregende Studie aus acht Ländern. Anfangs stellten sich die meisten Hersteller und Handelsketten taub, andere stempelten die Vergleichsmethoden als unseriös ab. Doch in den vergangenen Monaten hat sich das Blatt gewendet, seitdem vor allem die vier Visegrad-Länder Slowakei, Ungarn, Polen und Tschechien die Ungleichbehandlung ihrer Konsumenten zur Staatsangelegenheit machten. Sie wählten den slowakischen Regierungschef Fico zu ihrem gemeinsamen Sprecher, dem Gegner Nationalismus und populistische Parolen vorwerfen.

Aber auch EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker ergriff inzwischen Partei für die grollenden Ost-Konsumenten: „In einem gemeinsamen Europa kann es keine Verbraucher zweiter Klasse geben. Ich kann nicht akzeptieren, dass den Menschen in manchen Teilen Europas qualitativ schlechtere Produkte in gleicher Verpackung verkauft werden.“ Damit übernahm Juncker wörtlich, was Fico seit Monaten anprangerte. Inzwischen hätten sich schon neun Länder - also ein Drittel der EU-Mitglieder - als Betroffene zusammen gefunden, teilte die slowakische Landwirtschaftsministerin Gabriela Matecna während der Konferenzvorbereitung vor einer Woche mit.

Erste Wirkungen zeigt die Empörung aus dem Osten schon. Der Kekshersteller Bahlsen ließ im Sommer mit der Erklärung aufhorchen, man wolle dem Wunsch der Ost-Konsumenten entsprechen. Schon seit Juli würden auch die in Polen für den Ostmarkt erzeugten Butterkekse wie im Westen echte Butter statt des billigeren, aber gesundheitlich bedenklicheren Palmöls enthalten.

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