Augmented Reality BMW tanzt Tango mit Google

Eine virtuelle Fahrt über Armaturen und Ziernähte: BMW nutzt als erster Autobauer Augmented Reality für den Autoverkauf. Für die Entwicklung der App haben die Münchener mit dem Tech-Riesen Google zusammengearbeitet.

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Die Münchener präsentieren autonome Fahrzeuge auf der Messe in Las Vegas. Quelle: dpa

Las Vegas Mit einem Fingertipp ist das Auto plötzlich da. Gestochen scharf zeigt der Bildschirm von Stefan Biermanns Smartphone einen BMW „i3“ genau dort, wo vorher eine leere Bühne war. Langsam nähert sich Biermann dem Auto, öffnet die Türen, fährt mit dem Bildschirm durch das Interieur. Sogar das Radio lässt sich anschalten, ein cooler Elektrobeat umspielt die virtuelle Fahrt über Armaturen und Ziernähte.

„Wir sind der erste Hersteller, der Augmented Reality für den Autohandel einsetzt“, sagt Biermann, der bei BMW den Vertrieb der Zukunft entwickelt. Das Verschmelzen von Computer animierten Visualisierungen mit Daten der Umgebung ist ein Trend auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas. Auf der Messe stellt der Autohersteller seinen „BMWi“ Vizualizer vor.

Die auf Basis von Googles Tango-Plattform entwickelte App soll zunächst zwei Monate getestet werden. Händler und Kunden können sich die App über den Android-App Store herunterladen. Verfügbar sein werden zunächst nur die Elektromodelle „i3“ und „i8“. „Unser Ziel ist es, jedes Auto per Augmented Reality zum Händler zu bringen“, sagt Biermann.

Tatsächlich sieht BMW in der App mehr als eine Spielerei. Denn nicht nur die Münchener merken, dass die sich Abläufe im Autohandel dramatisch verändern. Die alten Regeln funktionieren nicht mehr: Besuchte vor zwanzig Jahren ein Kunde noch viermal vor einem Kauf ein Autohaus, so macht er das heute nur noch einmal. „Die Entscheidung fällt meist vorher im Internet“, sagt Biermann.

Zwar bietet auch BMW aufwändige „Konfiguratoren“ im Internet, mit denen sich der Kunde sein Wunschauto in jeder Farbe und Ausstattung zusammenstellen kann. Doch das reicht längst nicht mehr im Zeitalter des mobilen Webs. Und so arbeitet BMW ebenso wie die Rivalen Daimler und Audi an neuen und individuelleren Wegen, um Interessenten zu erreichen.

Hinzu kommt ein strukturelles Problem: Die Autohäuser liegen fernab der attraktiven Einkaufszentren. Ein Muster, mit dem der Elektropionier Tesla als erster radikal gebrochen hat und für seinen Vertrieb nur noch kleine Showrooms in hoch begehrten Innenstadtlagen nutzt. „Mercedes Me“ oder „Audi City“ heißen die Versuche der etablierten Autohersteller, nun ebenfalls in die Innenstädte vorzudringen. Doch in den teuren Innenstadtlagen lässt sich die mittlerweile stattlich gewachsene Modellpalette gar nicht mehr darstellen.


Eine „virtuelle Bibliothek“ aller BMW-Modelle

In der „Audi City“ in Berlin beispielsweise sind die Autos fast nur noch virtuell auf riesigen Bildschirmen – „Power Walls“ – zu sehen. BMW geht noch weiter: Beim Vertrieb der Elektroautos stehen keine Verkäufer mehr neben dem Produkt, sondern ein „Product Genius“. Angelehnt an Apple soll der Produkterklärer erst einmal einen Zugang schaffen und Begeisterung für das Produkt entfachen.

Es ist ein Spielfeld für Technologie-Freaks. Doch nicht alles, was möglich ist, nehmen die Kunden auch wahr. Datenbrillen, die über eine komplette „Virtuelle Realität“ sogar Testfahrten ermöglichen könnten, scheinen sich im Autohandel vorerst nicht durchzusetzen.

„Viele Kunden wollen keine Masken aufsetzen, die auch von anderen Kunden schon getragen wurden“, sagt Biermann. Frauen schätzten die Datenmasken zudem wenig, seien sie doch wenig zuträglich für aufwändige Frisuren, weiß der BMW-Experte. Auch für den Verkaufsprozess taugt Virtual Reality wenig. Die Kunden tauchen in ihre eigene Welt ein, eine Beratung ist kaum möglich, wenn der potentielle Autokäufer hinter Maske und Kopfhörer verschwindet.

Zudem brauchen die Datenbrillen immer noch eine große Rechenleistung, sagt Eric Johnsen von Google. „Die Technik muss noch kleiner und smarter werden, damit sie sich durchsetzt“. Bei Googles Tango sei das anders. Zwar läuft die Technik bislang nur auf wenigen Geräten wie dem „Leonovo Phab2pro“, die mit zwei Kameras und entsprechender Android-Software ausgestattet sind. „Doch schon in zwei Jahren werden die meisten Premium-Smartphones diese Technik haben“, ist sich Johnsen sicher.

Genauso sieht auch BMW seinen „Virtualizer“, den aber zunächst nur ausgewählte Smartphones verwenden können. Ihm schwebt eine „virtuelle Bibliothek“ aller BMW-Modelle vor. Damit komme der Händler endlich zum Kunden nach Hause, hofft Biermann.

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