BMW und Codelco Ökologisches Kupfer ist eine fast unmögliche Mission

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Die saubere Welt

Codelco-Manager Chávez versucht deshalb unter Hochdruck, die noch schwammig formulierten Kriterien über Nachhaltigkeit mit Inhalt zu füllen. Das sei schwierig. Denn es gehe schlicht darum, eine Kultur in einem Konzern zu ändern, die sich seit 70 Jahren kaum geändert hat. „Auf dem Papier sieht das alles gut aus“, sagt Chávez. „Aber der Konzern lebt in zwei Welten.“ Aus diesen zwei Welten wird auch BMW noch länger sein Kupfer beziehen – und die könnten unterschiedlicher kaum sein.

In einem Hochhaus im Bankenviertel Santiagos sitzt ein Dutzend Mitarbeiter in einer Schaltzentrale vor ihren Bildschirmen. Von dort aus steuern sie über zwei Glasfaserkabel die Mine Ministro Hales. Die liegt 1300 Kilometer entfernt im Norden. Nur eine halbe Sekunde zeitverzögert verfolgen die Techniker den Betrieb in der Mine. Keine quäkenden Walkie-Talkies, kein Staub und keine Detonationen stören die Ruhe. Die Mitarbeiter reden konzentriert mit den Arbeitern in der Mine.

In der Hauptstadt Santiago sind externe Experten einfach zu rekrutieren, ganz anders als in der Mine selbst, wo alleine für die Anreise ein Tag draufgeht. Wenn in der Röstanlage das Erz feststeckt, dann drücken sie in der runtergekühlten Zentrale in Santiago Knöpfe und bewegen per Joystick den Pressluftroboter, um Klumpen aufzubohren. 13 Prozent der Mitarbeiter sind weiblich. Das ist ungewöhnlich in der männerdominierten Branche. Die Schichtleiterin, eine Informatikerin, erklärt, dass der Job auch für sie mit kleinen Kindern attraktiv sei. Ein traditioneller Bergbaujob mit wochenlangen Schichten weit weg von zu Hause käme für sie nicht infrage.

Die weltgrößten Kupferproduzenten

In der Schaltzentrale regiert Big Data. Alles wird gemessen, ständig adjustiert, optimiert und registriert. Für jede Tonne Kupfer, die von hier verschifft wird, kann Codelco angeben, wo das Erz geschürft, geschmolzen und abtransportiert wurde, welche Ressourcen eingesetzt wurden und welche Emissionen dabei entstanden. „Traditionelle Minen sind wie Inseln, die Kupfer ausspucken – doch was dabei genau passiert ist, weiß keiner“, sagt die Informatikerin. „Unsere Computer hier vergessen nie.“

Das Abbaugebiet Ministro Hales läuft seit zwei Jahren auf Hochtouren: Die Kupfermine sei, so heißt es bei Codelco, die produktivste weltweit. Vor Ort wird das kupferhaltige Gestein in geschlossenen Anlagen zerkleinert und geröstet. Windstromanlagen liefern einen Teil der Energie. Die 36 gigantischen 400-Tonnen-Lader sollen in naher Zukunft fahrerlos durch die Mine fahren.

Die dreckige Welt

Zehn Kilometer nördlich von Ministro Hales, den Berg hinauf nach Chuquicamata, liegt die größte Tagebaumine für Kupfer weltweit. Dort wird schon seit mehr als einem Jahrhundert Kupfer gefördert. Hier befindet sich die zweite Welt Codelcos, wie Patricio Chávez sie nennt. Die weniger schöne.

Man erreicht sie über Calama, eine Stadt mitten in der Atacama-Wüste, am Fuß der Berge. Sie ist mit einem Jahresniederschlag von null Millimetern einer der trockensten Orte der Erde. Trotz ihrer 150 000 Einwohner wirkt sie wie ein Dorf. Calama ist eine Schlafstadt aus Herbergen, Apartments und Motels für Bergarbeiter, mit trostlosem Freizeitpark samt Achterbahn im Zentrum.

Jeden Morgen um 4.30 Uhr kommt Leben in die Agglomeration. Da setzt der tägliche Exodus in Richtung Norden ein. In Hunderten von roten Pick-ups und Bussen fahren die Ingenieure und Arbeiter in die Berge mit den großen Kupferminen der Region. Eine halbe Stunde nach Schichtbeginn steigt eine dichte Staubwolke über den Bergen auf. Mit Dynamit werden in Chuquicamata die Steinbrocken für den täglichen Abbau gesprengt. Es entsteht eine toxische Wolke, die in den nächsten Stunden das Sonnenlicht nur gefiltert durchlässt und sich je nach Windrichtung bis ins zehn Kilometer entfernte Calama bewegt. Wegen der hohen Arsenbelastung wurde die nahe der Grube liegende Arbeitersiedlung von Chuquicamata 2007 aufgelöst, die 4000 Arbeiter mit Familien wurden nach Calama umgesiedelt. Inzwischen bedeckt der 100 Meter hohe Abraumhügel der Mine bereits große Teile der verwaisten Siedlung.

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