BMW und Codelco Ökologisches Kupfer ist eine fast unmögliche Mission

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Bolzplatz reicht nicht mehr

Viele Arbeiter – vor allem leitende Mitarbeiter und Ingenieure – sind mit ihren Familien direkt weitergezogen. Sie kommen für Wochenschichten in die Wüstenstadt. In Calama hält es die wenigsten Familien, klagt ein Taxifahrer. Und Touristen verschwinden eiligst in die nahe gelegene, romantische Oasenstadt San Pedro de Atacama. „Kein Zweifel“, sagt Patricio Chávez, „Städte wie Calama sind von der Wertschöpfungskette des Kupfers weitgehend ausgeschlossen.“

Doch damit werden sie zum Problem für „grünes Kupfer“. Denn eines der Nachhaltigkeitskriterien lautet: Die Gemeinden sollen vom Abbau profitieren. Bisher war das kein Thema. „Vor 50 Jahren waren die Menschen glücklich, wenn eine Mine in der Nachbarschaft eröffnet wurde“, erklärt Cantallopts vom Thinktank Cochilco den Kulturwandel. Sie bekamen asphaltierte Straßen und Jobs. Vor zehn Jahren reichte es, eine Schule und einen Fußballplatz zu bauen. „Doch heute wollen die Menschen mitreden.“ Das war im Geschäftsmodell nicht vorgesehen. Dass sie Bergwerke sozial verankern sollen, muss Codelco mühselig lernen.

Für „green copper“ müssen auch Umweltfolgen bilanziert werden. In der Mondlandschaft um Calama stehen künstliche Berge, hoch wie Pyramiden. Abraumberge sind es, „Torten“ genannt. Sie finden sich neben flachen Seen, die sich kilometerlang durch die Landschaft erstrecken, groß wie Wattenmeere. Dort sammeln sich die flüssigen Rückstände der Produktion. Für jede Tonne Kupfer fallen 200 Tonnen Abfall an. Rund 2200 dieser Abraumseen gibt es in Chile. Alle sind schwer belastet.

Das größte Kupferbergwerk von Codelco in Chile Quelle: imago images

„Es ist die Frage, ob man überhaupt von ‚grünem Kupfer‘ reden kann, bei den Mengen Schwefel und Arsen, die dabei entstehen“, sagt Ivan Valenzuela – kein Umweltaktivist, sondern früher Personalchef bei Codelco und in der Ära der Demokratisierung nach Diktator Pinochet Sekretär im Ministerium für Bergbau. Der Ökonom ist so etwas wie ein Vordenker der Branche auf dem Weg zur Nachhaltigkeit. Er leitet Ecometales, ein Unternehmen, das auch zu Codelco gehört.

Bei Calama hat Valenzuela die größte Raffinerie weltweit aufgebaut, um mit einer Lauge das Arsen aus den Rückständen abzuspalten und zu stabilisieren – ein hochtoxischer Prozess. In der Anlage müssen alle Mitarbeiter Gasmasken benutzen. Alle drei Monate werden ihre Blutwerte auf Arsen getestet. Die Raffinerie verwandelt Arsen in Skorodit. Das ist grauer, ungiftiger Staub, der, auf einer Halde aufgehäuft, sich kaum von dem Geröll und Staub der Wüste unterscheidet. Die Anlage sei die Niere der Kupferproduktion – bei der gleichzeitig noch eine ganze Menge Kupfer als Nebenprodukt aus dem Abraum zurückgewonnen wird.

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So will Ecometales das Beste aus der giftigen Kupferproduktion herausholen. Valenzuela sieht Geschäftsfelder, wo andere Umweltschäden sehen. Für ihn sind die Abraumseen neben den Minen daher kein „Abfall“, sondern neue Minen. Sie seien durchsetzt mit wertvollen Rückständen wie Gold oder Seltenen Erden, die sich mit neuer Technik gewinnen lassen. Er hat daher seine ganz eigene Definition von Nachhaltigkeit entwickelt: „Im Prinzip geht es bei ‚grünem Kupfer‘ darum, dass wir mit dem zugefügten Ingenieur- und Chemiefachwissen den Wert steigern“, sagt Valenzuela.

Er würde den Bergbaukonzern Codelco daher gerne in den „Ingenieurkonzern“ Codelco verwandeln – schon allein aus Eigeninteresse. Vor Augen hat er den untergegangenen US-Fotokonzern: „Wir wollen nicht irgendwann als ‚Kodak‘ der Kupferhersteller enden.“

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