Bis zum März will Biontech einen angepassten Impfstoff herstellen – wenn alles klappt. Moderna spricht von „60 bis 90 Tagen“. Auch AstraZeneca und Johnson & Johnson wollen ihre Vakzine entsprechend ausrichten. Die Laborarbeiten laufen auf Hochtouren. Für die Herstellung sind insgesamt fünf Schritte nötig.
Schritt 1: Die Umstellung
Einen angepassten Impfstoff zu entwickeln, ist nicht so schwer. Das liegt daran, dass sich sowohl die mRNA-Impfstoffe (Biontech, Moderna) als auch die Vektor-Impfstoffe (AstraZeneca, Johnson & Johnson) als Plattformtechnologien nutzen lassen.
Ähnlich wie in der Autoindustrie, wo auf ein- und derselben Plattform verschiedene Modelle entstehen können, lassen sich auf Basis der mRNA- und der Vektor-Technologie verschiedene Impfstoff-Varianten schaffen. „Handwerklich ist das nicht schwer“, sagt Rolf Hömke vom Verband Forschender Arzneimittel-Hersteller (VfA).
Grundsätzlich verfolgen mRNA-Impfstoffe und Vektorimpfstoffe dasselbe Ziel: Über die Spritze wird jeweils ein kleiner Teil der Erbinformation des Sars-Cov-2-Erregers in den Körper eingeschleust. Im Falle des Coronavirus imitiert der Körper das bekannte, stachelige Spike-Protein (oder Teile davon), über das die Viren in die Zellen eindringen. Der Körper erkennt so seinen Feind und ist damit bestens vorbereitet, falls der Corona-Erreger dann tatsächlich auftaucht. Der Eindringling kann entsprechend bekämpfen werden; der Körper löst eine Immunantwort aus.
Was mRNA- und Vektor-Impfstoffe unterscheidet, ist lediglich die Art des Transports: Im einen Fall wird die Spike-Erbinformation in Form von einer Nukleinsäure (mRNA) in kleine Lipidbläschen eingebettet und dann als Impfstoff gespritzt. Im anderen Fall wird die Spike-Erbinformation in ein anderes, harmloses Virus eingefügt, das dann gespritzt wird. In beiden Fällen erreicht die Erbinformation die Zellen, die damit das Spikeprotein herstellen, das wiederum das Immunsystem gegen SARS-CoV-2 aktiviert.
Im Falle einer Mutation müssen die Hersteller lediglich die Erbinformation entsprechend abändern. Da der genetische Aufbau der Omikron-Variante bekannt ist, stellt das für die Forscher kein großes Problem dar: „Das lässt sich in wenigen Tagen erledigen, dann ist der Prototyp fertig“, sagt VfA-Forschungssprecher Hömke.
Schritt 2: Qualitätsprüfung
Der neu konfigurierte Impfstoff muss qualitativ überprüft werden. Im Labor testen die Wissenschaftler dann, ob der in Kleinserie hergestellte fertige Impfstoff den Anforderungen an Konzentration, Reinheit und Stabilität genügt. Wirksamkeits- und Verträglichkeitstests mit Zellkulturen oder Tieren sind nicht mehr erforderlich – diese wurden bereits bei der Grundzulassung des Impfstoffs erfasst.
Schritt 3: Studien
Der Varianten-Impfstoff wird in zwei parallelen Studien mit Freiwilligen mit dem ursprünglichen Impfstoff verglichen: in der einen Studie als Erstimpfung, in der anderen als Auffrischungs-Impfung. Anhand von Bluttropfen der Probanden wird im Labor gemessen, wie zuverlässig nach der Impfung genügend Antikörper und T-Gedächtniszellen gebildet werden, welche die Omikron-Variante unschädlich machen (neutralisieren). Der Varianten-Impfstoff muss dabei besser abschneiden als der ursprüngliche. Dabei ist es nicht erforderlich, dass sich die Geimpften mit der Omikron-Variante infizieren – die Daten zur jeweiligen Antikörperbildung und zur Omikron-Variante werden im Labor abgeglichen. Anders als bei der Grundzulassung des Impfstoffs sind auch keine Massentests mit Zehntausenden Probanden mehr nötig. Wie lange die Studien und ihre Auswertungen dauern, hängt dabei von der europäischen Arzneimittelbehörde EMA ab. Sofern die EMA mehr Auswertungen oder eine größere Teilnehmerzahl verlangt, als vom Unternehmen erwartet, verschiebt sich der Zeitplan nach hinten.
Schritt 4: Prüfung und Genehmigung
Der Hersteller beantragt die Genehmigung für den an die Omikron-Variante angepassten Impfstoff bei der EMA. Die EMA kann diese nach priorisierter Prüfung befürworten, die EU-Kommission sodann genehmigen.
Schritt 5: Produktion
Der Hersteller und seine Produktionspartner stellen die Großproduktion ganz oder zum Teil auf den Varianten-Impfstoff um. Das ist im Fall von mRNA- und Vektorvirenimpfstoffen einfach, da sich am Herstellungsverfahren fast nichts ändert. Die Impfstoff-Gefäße werden gekennzeichnet, um Verwechslungen mit dem alten Impfstoff zu vermeiden.
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