Corona-Strategie Warum wir uns nicht allein auf Schnelltests verlassen können

Kita-Leiter führt einen Corona-Schnelltest vor: Die Spucktests werden in Potsdam von Erziehern genutzt, um sich zweimal pro Woche vor der Arbeit zu Hause zu testen. Quelle: REUTERS

Schnelle Antigen-Tests boomen – und werden bald in Deutschland großflächig eingesetzt. Der Hersteller Eurofins Scientific warnt allerdings davor,  nur auf die 15-Minuten-Tests zu vertrauen.

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Da kommt schon mal der Würgereiz hoch: Tief, ganz tief, dringt das Stäbchen in den hinteren Teil der Nase ein, wird dann noch ein paar Mal hin und her gewendet. Erst dann ist der Nasenabstrich fertig – eine unangenehme Prozedur. Der Pharmakonzern Roche will da jetzt Abhilfe schaffen und bringt voraussichtlich in der kommenden Woche einen Schnelltest auf den deutschen Markt, der die Virusprobe im vorderen Nasenbereich entnimmt. Das ist dann deutlich weniger schmerzhaft. Das Ergebnis soll ähnlich aussagekräftig sein wie bei einem tiefen Abstrich. Allerdings darf der Eingriff nur von medizinischem Fachpersonal durchgeführt werden – oder zumindest unter dessen Aufsicht. Einen ähnlichen Test hat auch das US-Unternehmen Abbott bereits im Angebot.

Corona-Schnelltests sind eine große Hoffnung im Kampf gegen die Pandemie. Ab März soll sich jede Bürgerin und jeder Bürger in wenigen Minuten kostenlos auf Corona testen lassen können – in Arztpraxen, Apotheken oder Testzentren. So sieht es der Plan von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vor.

Viele Infizierte werden nicht erkannt

Nicht alle sind davon begeistert: Hausärzte fürchten, von Testwilligen überrannt zu werden. Der Städte- und Gemeindebund warnt vor zu hohen Erwartungen: Die Bürger sollten nicht glauben, dass die Tests dann überall und für alle verfügbar seien. Vor allem aber, warnt etwa der Hersteller Eurofins Scientific, können die Tests in falscher Sicherheit wiegen; viele Infektionen würden nicht erkannt.

An den Testkits scheint es hingegen nicht mehr zu mangeln. Von Engpässen wie noch im Herbst ist keine Rede mehr. Allein Roche liefert derzeit pro Monat weltweit hundert Millionen Schnelltests aus. Wie viele davon auf Deutschland entfallen, will das Unternehmen nicht sagen. Ebenso wenig wie US-Hersteller Abbott, der angibt, seit August vergangenen Jahres weltweit 200 Millionen seines Panbio Covid-19 Ag Schnelltests verkauft zu haben. Über ein Dutzend Hersteller, die den deutschen Markt beliefern, listet die Website des Branchenverbandes VDGH auf – darunter neben Roche und Abbott auch zahlreiche kleinere und mittlere Unternehmen.



Zu den größeren Adressen zählt – mit einem Jahresumsatz von mehr als vier Milliarden Euro – das Luxemburger Unternehmen Eurofins Scientific, das sich auf Labortests und Analysen jeglicher Art spezialisiert hat. Eurofins untersucht Lebensmittel, Medikamente, Umweltproben – und eben auch Nasen- und Rachenabstriche. Natürlich bietet das Unternehmen auch die schnellen Antigen-Tests an, erklärt Michael Hadem, Chef der Eurofins-Sparte Genomics: „Antigen-Tests sind gut, um schnell stärker infektiöse Patienten herauszufinden“. Gleichzeitig schränkt er jedoch ein: „Bis zu zwei Drittel der asymptomatisch Infizierten und ein Drittel der symptomatisch Infizierten fallen bei Antigen-Tests laut Studien nicht auf.“ Die Antigen-Tests, so die Erklärung, benötigen eine hohe Viruslast, um anschlagen zu können.

Die Folge: „Die Getesteten können sich in falscher Sicherheit wiegen und besuchen nach einem negativen Antigen-Test etwa Angehörige von Risikogruppen“, sagt Hadem, „bei Vernachlässigung der AHA-Hygieneregeln aufgrund des negativen Testergebnisses würden sie im schlimmsten Fall das Virus weiter übertragen.“ Das Unternehmen empfiehlt daher, nach einem Antigen-Test noch einen der genaueren PCR-Tests vorzunehmen. Allerdings liegt dort erst das Ergebnis nach Stunden oder einem Tag vor. Ein weiterer Vorteil der PCR-Tests besteht laut Hadem darin, dass sich damit auch die „neuen, sich schnell verbreitenden Mutationen erkennen“ lassen.



Da die Mutationen zunehmen und Impfstoffe womöglich schwächer wirken, dürfte flächendeckendes Testen künftig wichtiger werden. Um noch mehr Bürgerinnen und Bürger dafür zu motivieren, sollen künftig auch Speichel oder Gurgeltests zugelassen werden – als Selbsttest für den Hausgebrauch. Medizinisches Fachpersonal muss da nicht mehr eingreifen.

Gurgeln ist besser als Spucken

Die Begeisterung der Unternehmen hält sich allerdings in Grenzen. Roche hat Speichel- und Gurgeltests geprüft – und dann nicht mehr weiterverfolgt, weil die Ergebnisse zu schwach ausfielen. Auch Abbott hat keine Spuck- oder Gurgeltests im Portfolio. Eurofins führt bereits PCR-Tests auf Basis von Speichel und Gurgellösung durch, entsprechende Schnelltests befinden sich bereits in der Zulassung. Manager Hadem zieht schon mal eine erste Bilanz: „Grundsätzlich sehen wir bei PCR-Tests Vorteile beim Gurgeln im Vergleich zu Speichel. Beim Gurgeln wird auch aus dem hinteren Rachenraum Virusmaterial ausgespült, wo die Viruslast oftmals höher ist.“

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Bei Eurofins denken sie allerdings schon weiter. Die Analyse-Spezialisten bieten auch Abwassertests an,  um Viren und ihre Mutationen im Abwasser frühzeitig zu erkennen. Da gebe es noch viel Potenzial, glaubt Spartenchef Hadem : „In skandinavischen Ländern wird das gegenwärtig häufiger nachgefragt als in Deutschland.“

Mehr zum Thema: Der US-Konzern Johnson & Johnson beantragt die Zulassung seines Corona-Impfstoffs. Gegenüber seinen Konkurrenten kann er einige Vorteile aufweisen.

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