Ex-Siemens-Töchter Osrams Vorbild heißt Infineon

LEDs sind die Zukunft am Lichtmarkt, doch Osram bereitet vor allem das zusammenbrechende Geschäft mit den traditionellen Leuchten große Sorgen. Es wäre nicht das erste Siemens-Spin-Off, das in Schieflage gerät.

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Was alles einmal zu Siemens gehörte
Joe Kaeser Quelle: dpa
Wolfgang Dehen Quelle: dpa
Kaffee tropft aus einem Kaffee-Vollautomaten in eine Tasse Quelle: dapd
Gigaset-Telefone Quelle: dapd
Stopp-Schild vor einem Gebäude mit dem Benq-Logo Quelle: AP
Schild Nokia Siemens Networks Quelle: dpa
Infineon-Fabrik Quelle: REUTERS

Die Zukunft auf dem Lichtmarkt gehört den LED-Leuchten. Dumm nur, dass der Münchner Leuchtmittel-Hersteller Osram noch rund zwei Drittel seines Umsatzes mit traditionellen Leuchten macht, unter anderem Leuchtstoffröhren und Energiesparlampen. Und der Markt für diese Lampen schrumpft schneller, als es sich das hohe Management bei der ehemaligen Siemens-Tochter ausgemalt hat.

Das zeigt sich auch bei den Zahlen für das dritte Quartal des Geschäftsjahres 2013/2014. Noch kann das Traditionsunternehmen, das vor einem Jahr sein Börsendebüt feierte, den Schwund bei traditionellen Leuchtmitteln mit dem Wachstum bei den modernen, stromsparenden Leuchtdioden annähernd ausgleichen. Im dritten Quartal verdreifachte sich zwar der Gewinn auf 81 Millionen Euro.

Grund hierfür war laut Osram, dass im Vorjahreszeitraum hohe Kosten für den Konzernumbau anfielen. An den Märkten kamen die Zahlen und das negative Geschäftsumfeld nicht gut an: Kurz nach dem Handelsstart des Dax notierten die Osram-Papiere bis zu vier Prozent tiefer.

Osram will Stellen abbauen

Weitere 7800 Stellen fallen weg

Wegen des schwindenden Geschäfts mit Energiesparlampen und Leuchtstoffröhren will Osram-Chef Wolfgang Dehen in der traditionellen Lichtsparte die Kapazitäten stärker als bisher geplant zurückfahren. Wie die WirtschaftsWoche am Dienstagmittag berichtet hatte, will Dehen „mehrere Tausend Stellen“ streichen.

Am Abend bestätigte Osram nach einer Aufsichtsratssitzung den Bericht: 7800 Arbeitsplätze sollen im Zuge des neuen Sparplans wegfallen, 1700 davon in Deutschland. Dehen schreckt dabei nicht vor Entlassungen zurück. „Wir können nicht ausschließen, dass es bei der zweiten Welle auch zu betriebsbedingten Kündigungen kommen wird“, sagte der Manager.

Was das Sparprogramm „Push II“ bringen soll

Durch die Stellenstreichungen sollen die Kosten bis zum Ende des Geschäftsjahrs 2017 (Ende September) dauerhaft um rund 260 Millionen Euro gedrückt werden. Betroffen von dem Sparprogramm „Push II“ sind neben der Münchner Zentrale im Inland vor allem die Fertigungsstandorte in der bayerischen Landeshauptstadt sowie in Augsburg, Berlin und Eichstätt. In einer ersten Auflage von „Push“ sollen bis Jahresende bereits 8700 Arbeitsplätze wegfallen. Zuvor mussten bis Ende des vergangenen Jahres 6600 Mitarbeiter ihren Hut nehmen. Ein rigider Kurs, der Dehen in der verbliebenen Belegschaft den Ruf eines eiskalten und rücksichtslosen Sanierers eingebracht hat.

Zwar stieg das bereinigte operative Ergebnis (Ebita) im vergangenen Quartal wieder an. Doch das führt Analyst Tim Wunderlich von Hauck & Aufhäuser, einer der größte unabhängigen Privatbanken, auf Einsparungen aus dem Konzernumbau zurück. Das Geschäft mit den traditionellen Leuchten schrumpft indes immer weiter. „Der Boom der LED-Beleuchtung ist ein Nullsummenspiel“, sagt Wunderlich. „Die LED-Technik verdrängt lediglich das Geschäft mit traditioneller Beleuchtung.“ Als Wunderlich Mitte Juli nach den schlechten Geschäftszahlen des Konkurrenten Philips seine Verkaufsempfehlung für die Osram-Papiere bekräftigte, rutschte die Aktie zeitweise 3,3 Prozent ins Minus.

Technischer Wandel steckt voller Risiken

Die Transformation „von der analogen in die digitale Welt“, wie der Osram-Chef den technischen Wandel hin zu den LEDs beschreibt, steckt voller Chancen für den Lichttechnik-Experten – aber auch voller Risiken. Der Markt ist von Überkapazitäten geprägt, zudem versprechen die LED-Leuchten eine geringere Marge als die klassische Glühbirne.

Großkonzerne aus Asien, darunter Schwergewichte wie Samsung und LG, drängen in den LED-Markt und drücken so die Preise weiter. Im Schnitt verbilligen sich die Chip-Leuchten jedes Jahr um 20 Prozent. Gut für den Kunden - doch Osram muss ständig nach Wegen suchen, die Kosten weiter zu reduzieren.

Globaler Umsatz mit Leuchtmitteln 2011 und 2020

Streitereien im Osram-Vorstand

Ein Weg, den nicht jeder im Unternehmen teilt. Am lautesten protestierte der Technik-Vorstand Peter Laier gegen die Pläne seines Vorsitzenden. Der ehemalige Continental-Techniker hatte mit seiner Plattform-Strategie die Grundlage für eine Vielzahl der LED-Produkte gelegt und zeigte der von Sparprogrammen demotivierten Belegschaft so einen Weg in die Zukunft. Bis er in den Kampf der Alphatiere mit Dehen zog – und verlor. Ende Juni verließ er wegen der „unterschiedlichen Auffassung über die Führung und Ausrichtung“ den MDax-Konzern. Statt des 45-jährigen Hoffnungsträgers führt weiter der 15 Jahre ältere Dehen das Unternehmen.

Von der Bullenstimmung an den Märkten oder dem Allzeithoch des Dax konnte Osram nicht profitieren, seit März verlor das Unternehmen an der Börse rund ein Drittel an Wert. Fruchtet der von Dehen angestoßene Umbau nicht, könnte es bei Osram zappenduster werden.

Krisen bei Schwergewichten der deutschen Wirtschaft

Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass eine ehemalige Siemens-Tochter nach der Abspaltung in Schieflage gerät.

Beim Firmentelefon-Spezialisten Unify – ehemals Siemens Enterprise Communications – steht ein weiterer Kahlschlag an, rund die Hälfte der zuletzt 7700 Stellen soll wegfallen. Die Lage ist so vertrackt, dass sich Vertreter von Betriebsrat und Gewerkschaften an den heutigen Minderheitseigentümer Siemens wandten. „Wir möchten Sie eindringlich an Ihre Verantwortung als Eigentümer von Unify erinnern“, heißt es in dem Schreiben an den Siemens-Vorstand. Das Vertrauen der Belegschaft in den Mehrheitseigentümer Gores aus den USA scheint tief erschüttert, stattdessen soll es Siemens richten.

BenQ lief vor die Wand

Es gilt, bei Unify ein weiteres Desaster wie bei BenQ Mobile zu vermeiden. 2005 verkaufte Siemens sein Mobilfunkgeschäft nach Taiwan an den BenQ-Konzern. Dieser legte seine Telekommunikationssparte mit der Siemens-Abteilung zusammen und formierte so die BenQ Mobile GmbH. Fünf Jahre lang sollten Handys unter dem Markennamen BenQ-Siemens verkauft werden. Danach, so der Plan der Manager, sei der Name BenQ auf dem europäischen Markt etabliert und es solle nur noch dieser Name verwendet werden.

Die wertvollsten Marken der Welt (Stand: Mai 2014)

Doch es sollte nicht so weit kommen: Nach weniger als zwei Jahren musste BenQ Mobile Insolvenz anmelden, zum Jahresende 2006 stellte das Unternehmen die Handy-Produktion ein – das Weihnachtsgeschäft war bei weitem nicht so gut gelaufen wie erwartet. Nachdem ein interessierter Investor abgesprungen war, wurde das Unternehmen abgewickelt – 3400 Mitarbeiter verloren ihren Job.

Genau das wollte Siemens bei Unify vermeiden und hatte die Sparte vor dem Verkauf der Mehrheit aufwändig saniert und mit frischem Kapital ausgestattet. Geholfen hat es wenig, von den zeitweise 17.500 Angestellten arbeiten heute nur noch weniger als die Hälfte für Unify. Mit dem erneuten Jobabbau auf dann nur noch rund 4000 Mitarbeiter soll Unify verschlankt und an die veränderten Markterfordernisse angepasst werden.

Infineon hat den Turnaround geschafft

Ein Szenario, das Infineon nur gut genug kennt. Zwar läuft es bei dem Halbleiter-Spezialisten im laufenden Jahr wieder deutlich besser, doch das war nach der Trennung von Siemens im Jahr 1999 längst nicht immer so. Von einem Aktienkurs im Frühjahr 2000 von über 92 Euro je Anteilsschein bis zum absoluten Tiefpunkt im Jahr 2009, als das Papier zeitweise nur noch bei 39 Cent notierte, hat Infineon alle Höhen und Tiefen erlebt. Damals lastete neben der Finanzkrise und dem allgemeinen Preisverfall bei Halbleiter-Produkten auch noch die Pleite des Tochterunternehmens Qimonda auf Infineon, die das Mutterunternehmen selbst beinahe an den Rand einer Insolvenz brachte.

Die neue Struktur von Siemens
Division Power and GasDiese Einheit umfasst das Siemens-Portfolio an großen Gas- und Dampfturbinen, Kompressoren sowie künftig die Gasturbinen zur dezentralen Energieversorgung. Umsatz 2013: rund 14 Milliarden EuroDefinierte Zielmarge: elf - 15 ProzentGeführt werden soll die Division von Roland Fischer, der derzeit die Division Power Generation leitet. Quelle: dpa
Division Wind Power & RenewablesDie Sparte baut Windkraftanlagen zur Stromerzeugung an Land und auf See. Siemens ist weltweit Marktführer bei Offshore-Windkraftanlagen. Nach Umsatz ist die Division eine der kleineren. Da mit einem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien weltweit zu rechnen ist, aber auch eine der zukunftsträchtigsten. Umsatz 2013: 5 Milliarden EuroDefinierte Zielmarge: 5 - 8 %Chef: Markus Tacke. Tacke ist derzeit Chef des Bereichs Wind Power. Quelle: dpa
Division Power Generation ServicesHier wird das Service-Geschäft für die große installierte Basis von Siemens-Anlagen in der Energieerzeugung abgewickelt. Umsatz: Die Geschäftszahlen werden in den Divisionen Power& Gas und Windkraft und erneuerbare Energie aufgeführt. Chef der Division ist Randy Zwirn. Er leitet bisher die so genannte Division Energy Service, die damit umbenannt und ausgeweitet wurde. Quelle: REUTERS
Division Energy ManagementIn dieser Division gehen die bisherigen Divisionen Low and Medium Voltage und Smart Grid auf. Das Geschäft dreht sich rund um Lösungen und Produkte für die Stromübertragung und -verteilung sowie Technologien für intelligente Stromnetze.Umsatz 2013: zwölf Milliarden EuroDefiniert Zielmarge: sieben - zehn Prozent Die Führung übernehmen Ralf Christian und Jan Mrosik, die Leiter der aufgelösten Divisionen Low&Medium Voltage und Smart Grid. Quelle: dpa
Division Power TransmissionStromtransport, Schalttechnik und Transformatoren sowie Energieübertragungssysteme sind Kern der Einheit Power Transmission. Siemens ist unter anderem führend bei der Hochspannungsgleichstromübertragung (HGÜ). Dieser Technologie kommt beim Netzumbau und der Integration von erneuerbaren Energien eine wichtige Rolle zu. Umsatz: wird in der Division Energy Management ausgewiesen Die Leitung der Division übernimmt ebenfalls Jan Morsik. Der bisherige Chef der Division Karlheinz Springer muss seinen Sessel räumen. Er hatte den Posten im April 2012 übernommen. Morsik fielen wahrscheinlich die Probleme mit zwei Hochspannungsleitungen in Kanada auf die Füße. Neben höheren Baukosten vielen dort Vertragsstrafen wegen Verzögerungen an. Quelle: REUTERS
Division Building TechnologiesIn diesem Bereich bündelt Siemens integrierte Automatisierungslösungen und intelligente Technik für Gebäude.Umsatz 2013: 6 Milliarden EuroDefinierte Zielmarge: acht - elf Prozent Chef der Division ist und bleibt Johannes Milde. Quelle: dpa
Division MobilityHier bündelt Siemens die Zugtechnik und die Bahnautomatisierung. Sollte der Zusammenschluss mit Alstom zustande kommen, würde diese Sparte wohl an die Franzosen abgetreten werden. Umsatz 2013: 7 Milliarden Euro Definierte Ziel-Marge: sechs - neun ProzentChef der Division wird Jochen Eickholt, der heute die Division Rail Systems führt. Quelle: dpa

Dank der gestiegenen Nachfrage der Premium-Autobauer nach hochwertigen Chips sind heute vor allem in der Automotive-Sparte die Auftragsbücher gut gefüllt, Infineon blickt deutlich zuversichtlicher auf die zweite Jahreshälfte. Im abgelaufenen Quartal konnte der Halbleiterkonzern mit einer operativen Rendite von 15,3 Prozent sogar seinen langfristigen Zielwert von 15 Prozent übertreffen. Verglichen mit dem Vorquartal legte der Umsatz um sechs Prozent auf 1,1 Milliarden Euro zu, der Gewinn kletterte sogar um 15 Prozent auf 143 Millionen Euro.

Infineon hat sich unabhängig gemacht

„Das war das fünfte Quartal in Folge mit Wachstum im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Unsere Strategie bewährt sich und die Investitionen zahlen sich aus“, sagte Vorstandschef Reinhard Ploss. Zwar blieb das Wachstum im Auto-Segment, dass inzwischen fast die Hälfte des Infineon-Umsatzes ausmacht, gedämpfter. Doch vor allem im Geschäft mit Hausgeräteherstellern und Erneuerbarer Energie sowie bei Stromversorgungstechnik und Netzteilen für Smartphones und Tablets lief es für die Bayern gut.

Infineon hat etwas geschafft, was Osram bislang verwehrt geblieben ist: Seine Produkte nachhaltig an das geänderte Marktumfeld anzupassen. Vom klassischen Massengeschäft mit Standardchips, wie es Intel oder Samsung betreiben, hat sich Infineon seit Jahren weitgehend unabhängig gemacht.

Das sind Voraussetzungen, an denen Osram-Chef Dehen noch weiter arbeiten muss. Zwar hat er bereits Millionen in die Entwicklung neuer LED-Produkte gesteckt, doch noch ist den eher hochpreisigen Osram-Produkten nicht der große Durchbruch auf dem Weltmarkt gelungen – zu sehr drückt die Billig-Konkurrenz aus Asien.

Bleibt der Markterfolg der Osram-LEDs weiter aus, droht dem zweitgrößten Leuchtenhersteller der Welt ein ähnliches Schicksal wie seinen Ex-Siemens-Leidgenossen.

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