Gescheiterte Siltronic-Übernahme Ein heilsamer Schock für die Chipindustrie

Begehrte Arbeit: Die Herstellung von Siliziumwafern. Quelle: PR

Das deutsche Wirtschaftsministerium untersagt die Übernahme des deutschen Chipunternehmens Siltronic durch Global Wafers aus Taiwan. Die Entscheidung ist richtig. Nun sollte auch Brüssel in der Chipbranche aktiv werden. Ein Kommentar.

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In der Psychologie gibt es die Theorie des heilsamen Schocks. Raucher kennen das. Bei jedem Griff zur Zigarettenpackung werden sie mit Fotos von kaputten Lungenflügeln und amputierten Gliedmaßen konfrontiert. Diese kleinen Schocks sollen die möglichen Konsequenzen des Rauchens erfahrbar machen. Einen heilsamen Schock hat im vergangenen Jahr auch die europäische Chipindustrie erfahren: Seit bei Autoherstellern die Bänder stillstanden und Spielekonsolen teils nicht mehr unter dem Weihnachtsbaum liegen konnten, weil fehlende Mikrochips die Produktion abwürgten, wurde wirklich jedem bewusst, wie wichtig die winzigen Elektrobauteile sind – und welche Konsequenzen ein Mangel an ihnen hat.

Es ist daher eine gute Nachricht, dass das deutsche Wirtschaftsministerium die Übernahme des deutschen Chipunternehmens Siltronic durch den taiwanesischen Konzern Global Wafers verweigert. Wer meint, dass der freie Markt hier unnötig gegängelt würde, ignoriert die globale Entwicklung. So greifen die USA längst vehement in den Chipmarkt ein, etwa indem sie Sanktionen gegen den Konzern Huawei und andere Unternehmen im Chipbereich erlassen haben. Sollte China einen Angriff gegen das für die Chipproduktion immens wichtige Taiwan versuchen, würde das zu einer fundamentalen Erschütterung der globalen Chipversorgung führen. Und in dieser Gemengelage sollte Europa tatenlos zusehen, wenn heimische Chipunternehmen an andere Großmächte verschachert werden?

Die Untersagung der Siltronic-Übernahme markiert das Erwachen Deutschlands in Sachen Chipversorgung. Nun sollte auch Brüssel erwachen. Die Entscheidung sollte dabei nur der erste Schritt einer langfristigen Taktik Brüssels sein, um die Chipversorgung auf dem Kontinent zu sichern. Auch beim Verkauf des britischen Chipdesigners ARM an das US-Unternehmen Nvidia sollten die europäischen und britischen Wettbewerbshüter einschreiten und den Deal untersagen. Daneben sollten Global Player der Branche – auch mit Subventionen – nach Europa gelockt werden.



Wer das Rauchen aufgibt, verringert das Risiko schwerer Erkrankungen, heißt es auf Zigarettenpackungen. Für die Chipbranche wäre ein ähnlicher Disclaimer empfehlenswert: Wer den Ausverkauf der heimischen Chipindustrie stoppt, verringert die Gefahr der Chipknappheit und damit des industriellen Kollapses.

Mehr zum Thema: Europas Sehnsucht nach technologischer Souveränität mündet in einem beispiellos teuren Subventionswettlauf. Vor allem Chiphersteller werden hofiert wie nie zuvor – und kassieren mitunter die Hälfte der Fabrikkosten vom Staat.

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