Es schien der große Durchbruch zu sein: Im Sommer 2022 wurde bekannt, dass der unter anderem im Triebwerksbau tätige Rolls-Royce-Konzern die Mehrheit am Wismarer Entwickler von Elektrolyse-Systemen, Hoeller Electrolyzer, übernimmt. Damit steige Rolls-Royce in den Markt der Wasserstoff-Herstellung mit Elektrolyseuren ein, teilte das britische Unternehmen mit.
„Mit dem namhaften Investor im Boot kann das Unternehmen künftig Innovationen in dem wirtschaftlich stark nachgefragten Bereich Erneuerbarer Energien noch stärker vorantreiben“, lobte Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Reinhard Meyer. Hoeller Electrolyzer leiste Pionierarbeit.
Lesen Sie auch: So funktioniert ein Wasserstoff-Elektrolyseur
Nicht einmal zwei Jahre später ist die Euphorie Ernüchterung gewichen. Nach Informationen der WirtschaftsWoche hat die Hoeller Electrolyzer GmbH beim Amtsgericht Schwerin Insolvenzantrag gestellt.
Das Gericht setzte den Juristen Remo Kruse von der Kanzlei Anchor als vorläufigen Insolvenzverwalter ein. „Derzeit leite ich die Insolvenzgeldvorfinanzierung in die Wege, um die Löhne und Gehälter im Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung sicherzustellen“, sagte Kruse der WirtschaftsWoche.
Schneller schlau: Wasserstoff
Das chemische Element Wasserstoff (H) gehört zu den ältesten Elementen in unserem Universum. Es ist einer der Grundbausteine von Sternen, die Sonne zum Beispiel besteht zu knapp drei Vierteln aus Wasserstoff und zu knapp einem Viertel aus Helium. Wasserstoff ist in gebundener Form in allen lebenden Organismen zu finden. Auf der Erde ist die molekulare Form des Wasserstoffs (H2) ein geruchsloses, brennbares Gas.
Weil bei der Verbrennung von Wasserstoff (H) mit Sauerstoff (O) schlicht Wasser, also H2O, entsteht und eben kein klimaschädliches Treibhausgas Kohlendioxid (CO2), wie bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe.
Wird Wasserstoff klimafreundlich hergestellt, soll er dabei helfen, den Ausstoß von CO2 deutlich zu verringern und laut Bundesregierung sogar „bis auf null zu führen“.
Stand: 26. Juli 2023
Der Wasserstoff soll vorzugsweise mit Hilfe von erneuerbarem Strom in sogenannten Elektrolyseverfahren hergestellt werden. Dabei zerlegt Strom Wassermoleküle in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff. Wird dabei Strom aus regenerativen Energiequellen verwendet, wird der Wasserstoff „grün“ genannt.
Je nach Art der Herstellung werden auch andere Farben zur Bezeichnung verwendet. So spricht man etwa von „grauem“ Wasserstoff, wenn bei der Herstellung aus Erdgas das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) entweicht.
Wird dabei das freiwerdende Kohlendioxid gespeichert, bezeichnet man ihn als „blau“.
Wird dabei fester Kohlenstoff gewonnen, wird der Wasserstoff „türkis“ genannt.
Mit Ökostrom hergestellter Wasserstoff soll zum einen als chemischer Rohstoff eingesetzt werden. Als Grundstoff für die chemische Industrie wird Wasserstoff schon lange verwendet, etwa zur Herstellung von Ammoniak, einer Ausgangsbasis für Düngemittel. In der Stahlindustrie etwa soll Öko-Wasserstoff künftig eine zentrale Funktion übernehmen: Wo bei der Herstellung von Roheisen bislang Kohle dem Eisenerz den Sauerstoff entzieht, soll künftig Wasserstoff ran.
Zum anderen soll er als Energieträger und damit auch als Energiespeicher dienen. In einigen Jahren soll er etwa als Brennstoff in modernen Gaskraftwerken zur Stromerzeugung verwendet werden. Sie sollen zum Einsatz kommen, wenn nicht genügend erneuerbarer Strom etwa aus Wind- und Sonnenenergie zur Verfügung steht. In Brennstoffzellen wird Wasserstoff schon länger zur Stromerzeugung eingesetzt. Gelagert werden soll Wasserstoff etwa in früheren Erdgasspeichern.
Im Rahmen der vorläufigen Insolvenzverwaltung werde es im Wesentlichen darum gehen, einen strukturierten Verkaufsprozess durchzuführen. Nach ersten Gesprächen mit der Geschäftsleitung sei er „optimistisch den richtigen Investor“ zu finden, kommentierte Kruse.
Konflikt zwischen den Gesellschaftern
Die genauen Hintergründe, die zur Insolvenz führten, seien ihm noch nicht bekannt, sagte der vorläufige Insolvenzverwalter. „Der Fokus liegt zunächst auf der Stabilisierung und Erhaltung der Produktentwicklung.“
Klar ist: Das 2016 gegründete Unternehmen gilt als Spezialist für die Entwicklung besonders effizienter Elektrolyse-Systeme zur Wasserstoffherstellung. Bei der Elektrolyse wird Wasser mittels elektrischer Spannung in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. Letzterer kann als Energieträger genutzt werden. Bei grünem Wasserstoff werden dafür erneuerbare Energien verwendet, etwa Windkraft. Nach früheren Aussagen strebt Hoeller die Serienproduktion sogenannter Stacks an – also die Kombination Hunderter Elektrolyse-Zellen. Durch Kombination mehrerer Elektrolyseure seien Gesamtleistungen von 100 Megawatt denkbar.
Bei Rolls-Royce verweist man auf einen Konflikt zwischen den Gesellschaftern. „Die Verhandlungen zwischen Rolls-Royce und dem weiteren signifikanten Anteilseigner der Hoeller Electrolyzer GmbH über eine Weiterführung des Geschäfts der Hoeller Electrolyzer GmbH haben trotz unserer intensiven Bemühungen und dem Angebot verschiedener Optionen zu keiner Lösung geführt“, teilt ein Unternehmenssprecher auf Anfrage mit. Und weiter: „Unverändert sind wir fest davon überzeugt, dass die Technologie Potenzial hat.“ Daher werde Rolls-Royce in den nächsten Wochen gemeinsam mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter und den übrigen Gesellschaftern „an Lösungskonzepten zur Weiterführung der Geschäftsaktivitäten“ arbeiten.
Klingt so, als könnte das Wasserstoffunternehmen noch eine zweite Chance bekommen.
Lesen Sie auch: Dieses Treffen zeigt, warum der Markt für grünen Wasserstoff nicht funktioniert