Hauptversammlung in Amberg „Hastor gefährdet die Zukunft von Grammer“

Showdown in Amberg: Grammer-Vorstand und Investoren ringen auf der Hauptversammlung des Autozulieferers um die Macht. Am Morgen gab es Proteste. Im Kongresszentrum stellt man sich auf einen langen Abend ein.

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Ein Machtkampf (v.l.): Der Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Probst, der Vorstandsvorsitzende Hartmut Müller und der Finanzvorstand Gerard Cordonnier des Automobilzulieferers Grammer konnten die Kontrollübernahme der Investoren verhindern. Quelle: dpa

Amberg Dass der Name Hastor in Amberg nicht beliebt ist, war schon vor diesem Mittwoch klar. Wie groß der Ärger der Grammer-Mitarbeiter auf die bosnische Unternehmerfamilie tatsächlich ist, ist am Morgen vor dem Kongresszentrum deutlich geworden. 2500 Menschen trommelte die IG Metall zusammen, um lauthals gegen die Einflussnahme des Großaktionärs auf Grammer zu protestieren. „All diese Arbeitsplätze sind gefährdet, wenn die Hastors bei Grammer das Sagen bekommen“, wetterte Bayerns IG-Metallchef Jürgen Wechsler. Insgesamt gehe es weltweit um 15.000 Jobs, wenn sich der ungeliebte Investor durchsetze.

In dem beschaulichen Kongresszentrum stieg dann die Spannung, als Aufsichtsratschef Klaus Probst die Versammlung um Punkt 10 Uhr eröffnete. Nijaz Hastor und seine Söhne waren nicht anwesend, dafür aber Anwälte und die beiden Investorengruppen Cascade und Halog. Mindestens 20 Prozent kontrolliert die Familie damit über die beiden Firmen an dem Autozulieferer. Cascade will drei Aufsichtsratsmitglieder ersetzen und Vorstandschef Müller ablösen. Eine Kampfansage an das Management.

Risse hatte die Beziehung zwischen Zulieferern und Automobilherstellern im Sommer 2016 bekommen, als die Prevent-Gruppe im Streit mit Volkswagen die Lieferung von Getriebegehäusen und Sitzbezügen einstellte – und die Produktion bei den Wolfsburgern teilweise lahmlegte. Das neue Ziel von Hastor, zu der Prevent gehört, ist der bayerische Zulieferer Grammer. Das Vorhaben regt Widerstand in der Branche, denn: Alle großen Autobauer – darunter VW, BMW und Daimler – beziehen ihre Kopfstützen von Grammer. Das Unternehmen hat Angst, durch die Kontrollübernahme von Hastor diese wichtigen Kunden zu verlieren.

Aufsichtsratschef Klaus Probst schmetterte einen Antrag von Rechtsanwalt Franz Enderle ab, der Probst als Versammlungsleiter abwählen will. Dann schwörte Vorstandschef Hartmut Müller die Aktionäre auf die „wohl wichtigste Hauptversammlung unseres Unternehmens“ ein. Müller verteidigte seinen Kurs, der dem Hersteller von Kopfstützen, Armlehnen und LKW-Fahrersitzen im vergangenen Jahr einen Umsatzzuwachs von fast 20 Prozent beschert hatte und mit 1,30 Euro Dividende pro Aktie soviel ausgeschüttet hatte wie nie zuvor.

Müller, dem von Cascade Missmanagement vorgeworfen wird, warnte vor der Kontrollübernahme durch die bosnische Familie. „Hastor gefährdet die Zukunft von Grammer“, zitierte Müller Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, die sich klar auf seine Seite schlägt.

Rechtsanwalt Enderle ist ein konfliktgeschulter Advokat, der sich im Aktienrecht hervorragend auskennt. Immer wieder trat er ans Rednerpult, formulierte Fragen und Gegenanträge und führte das Grammer-Management mit endlosen Redebeiträgen vor. Warum der Aufsichtsrat dem Vorstand ein Abfindungsangebot in Aussicht stelle, wenn Hastor mehr als 25 Prozent kontrolliere? Warum das Management per Pflichtwandelanleihe den chinesischen Investor Ningbo Jifeng als „weißen Ritter“ an Bord holte? Und stecke hinter allen Abwehrmaßnahmen nicht der Großkunde Volkswagen, der den Zugriff der Hastors auf Grammer verhindern wolle? „Sie werden nicht umhin kommen, jeden Preis von Volkswagen in Zukunft zu akzeptieren“, sagte Enderle an die Adresse Müllers.

Bald wird klar: Außer den Vertretern von Cascade und Halog verteidigte niemand die Hastor-Positionen in Amberg. „Kein vernünftig denkender Aktionär kann den Anträgen zustimmen“, rief Günter Hausmann von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapiergesetz. „Lehnen Sie die Anträge ab. Lassen Sie sich nicht ins Bockshorn jagen“, forderte Hausmann mit Blick auf die Attacken Enderles gegen den Vorstand.

Hans Hermann Mindermann von der Vereinigung der institutionellen Privatanleger fragte nach dem wirklichen Ziel des Hastor-Vorstoßes. „Ist es die volle Kasse von Grammer?“ Und: „Diese kalte Kontrollübernahme passt nicht in den Kapitalmarkt, warum sehen wir kein Übernahmeangebot?“
Bereits am Mittag deutete sich an, dass es in Amberg ein langer Tag wird. Am Nachmittag stehen immer noch ein Dutzend Redner auf der Liste. Mit einer Abstimmung über die Absetzung für Vorstand und Aufsichtsrat ist nicht vor dem Abend zu rechnen.

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