Investoren aus dem Ausland Keine Angst vor den Chinesen

Der massive Stellenabbau bei der Ex-Osram-Tochter Ledvance hat die Ängste vor chinesischen Investoren verstärkt. Doch eine Studie zeigt: In vielen Fällen sind Arbeitnehmer mit neuen Eigentümern aus China hochzufrieden.

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Nach der Übernahme durch den chinesischen Investor MLS sollen bei der Osram-Tochter 13.000 Stellen gestrichen werden. Quelle: dpa

München Für die Beschäftigten war es ein Schock: Nur ein halbes Jahr nach der Übernahme der früheren Osram-Tochter Ledvance durch chinesische Investoren kündigte das Unternehmen die Streichung von 1300 Arbeitsplätzen und die Schließung der Produktion in Augsburg sowie des Traditionswerks in Berlin an. Doch laut einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, die auf der Befragung von Betriebsräten basiert, ist dieses Vorgehen aus Sicht der Arbeitnehmer keinesfalls typisch für chinesische Investoren in Deutschland.

Für die Untersuchung wurden 42 Unternehmen mit mehr als 55.000 Mitarbeitern in Deutschland befragt, die chinesische Investoren haben. „Die Ergebnisse zeigen, dass Arbeitsbeziehungen, Mitbestimmungskultur und Tarifstandards nach dem Einstieg chinesischer Investoren im Wesentlichen unverändert bleiben oder sich in Einzelfällen sogar bessern“, heißt es in der Studie, die dem Handelsblatt vorliegt. In der Regel haben Management und Arbeitnehmer gute Erfahrungen mit chinesischen Investoren gemacht. In der alltäglichen Zusammenarbeit gibt es aber durchaus noch Verständigungsschwierigkeiten.

Ledvance ist ein Sonderfall. Denn oft haben sich chinesische Unternehmen bei deutschen Firmen wie Kuka oder Krauss-Maffei eingekauft, die in Zukunftsfeldern aktiv sind oder auf ihrem Gebiet Weltmarktführer sind. Dagegen hatte schon Osram in seiner Glühbirnensparte in den vergangenen Jahren tausende von Arbeitsplätzen gestrichen und 14 Werke  geschlossen – weil die Glühbirne ein Auslaufmodell ist. „Wir sehen im Wettbewerbsumfeld Rückgänge von teils mehr als 25 Prozent im Geschäft mit traditionellen Leuchtmitteln“, sagte Osram-Chef Olaf Berlien kürzlich dem Handelsblatt. „Da wären auch wir nicht um weitere Personalanpassungen herumgekommen.“ In einem schrumpfenden Markt müsse man „anpassen bis zum Zumachen“.

Der chinesische Investor MLS war wohl vor allem am Vertriebsnetz von Ledvance interessiert, um eigene Produkte zum Beispiel in Europa besser verkaufen zu können. Nach Einschätzung von Osram-Chef Berlien ist das besser als nichts. „Der Vertrieb ist ausgebaut worden. Auch das sind Arbeitsplätze.“

China-Experte Wolfgang Müller, der früher für die IG Metall unter anderem in den Aufsichtsräten von Osram und Siemens saß und ein Netzwerk von Arbeitnehmervertretern in Firmen mit chinesischen Eigentümern aufgebaut hat, hat sich nun 42 Unternehmen genauer angeschaut und die Betriebsräte befragt – darunter zum Beispiel Kion und Kuka, aber auch deutsche Ableger chinesischer Firmen. Dabei zeigte sich, dass sich die meisten chinesischen Investments auf den Maschinenbau und die Autobranche konzentrieren. Daneben seien auch Investments in der Umwelttechnik relevant.

Bislang sieht es so aus, als ob an der Mitbestimmung nicht gerüttelt wird: „Wo chinesische Investoren in Deutschland Unternehmen mit etablierten Betriebsratsstrukturen übernommen haben, bleiben diese Strukturen unangetastet.“ Dagegen sei es bei Neugründungen – sogenannten Greenfield Investments – durch chinesische Konzerne, vor allem in den Branchen IT und Telekommunikation, bislang nicht zur Gründung von Betriebsräten gekommen. Dies lasse auf einen zumindest pragmatischen Umgang chinesischer Investoren mit der Mitbestimmung schließen.


Chinesische Eigentümer investieren viel

Im Aufsichtsrat funktioniert die Mitbestimmung laut der Umfrage ebenfalls. Die Interviews zeigten, dass die chinesischen Vertreter in den deutschen Aufsichtsräten die Arbeitnehmervertreter nicht als „Gegenseite“ wahrnehmen, sondern als Vertreter der Interessen des Unternehmens. Übereinstimmend wird aber berichtet, dass „die Aufsichtsratspraxis unter Sprach- und Übersetzungsproblemen leidet, dass zudem die Repräsentanten des Investors aus China teilweise wechseln, sodass es manchmal weder zu einer kontinuierlichen Arbeit im Aufsichtsrat noch zu persönlichen Kontakten kommt“.

In den meisten der befragten Unternehmen investierten die chinesischen Investoren der Studie zufolge „zum Teil erhebliche Mittel, um die Unternehmen zukunftsfähig zu machen“. Eine Erfahrung, die zum Beispiel Krauss-Maffei-Chef Frank Stieler teilt. Die diversen Finanzinvestoren, denen das Traditionsunternehmen zuvor gehörte, hätten vor allem auf eine Optimierung der Kosten geachtet, sagte er dem Handelsblatt. „In den vergangenen Jahren haben wir nicht die Möglichkeiten gehabt, alle Wachstumspotenziale zu nutzen.“ Seit der Übernahme durch Chemchina seien die Investitionen deutlich aufgestockt worden. Entsprechend ist auch die Zahl der Beschäftigten in Deutschland wie auch weltweit gestiegen.

Allerdings wird es spannend sein, wie es mit Krauss-Maffei nun weitergeht. In einem ungewöhnlichen Schritt schickt Besitzer Chemchina die deutsche Tochter über einen kleinen Umweg in Schanghai an die Börse. Konkret soll der Plastikmaschinenbauer ein Tochterunternehmen des bereits börsennotierten Qingdao Tianhua Institute for Chemistry Engineering werden. Chemchina bringt zusätzlich drei Reifen- und Gummiwerke ein.

Zu den 1,3 Milliarden Euro Umsatz von Krauss-Maffei kommen so noch einmal Erlöse von 300 Millionen Euro hinzu. Bei Krauss-Maffei beteuern sie, Sorgen seien unbegründet, dass die deutsche GmbH eines Tages ganz in der chinesischen Holding aufgehen könnte. „Diese Lösung ist dauerhaft angelegt“, sagte Finanzvorstand Harald Nippel dem Handelsblatt. Auch die Arbeitnehmer begrüßten die Konstruktion und den geplanten Börsengang.

Mit den gestiegenen Beschäftigtenzahlen liegt Krauss-Maffei bislang im Trend. „Im Saldo ist die Personalentwicklung über alle erfassten 42 chinesisch investierten Unternehmen in Deutschland bislang positiv“, heißt es in der Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Arbeitsplätze seien nicht nur in der Entwicklung, sondern teilweise auch in der Fertigung aufgebaut worden. „Das Credo der neuen Eigentümer beziehungsweise Anteilseigner ist nicht die Marge, sondern in erster Linie das Umsatzwachstum.“ Dabei hätten chinesische Investoren oft auch einen langen Atem, wenn das gewünschte Wachstum nicht so schnell realisiert werden könne. Es gebe bislang keine Anhaltspunkte für die vielfach befürchtete Verlagerung von Arbeitsplätzen nach China.

Für die Beschäftigten von Ledvance ist all das kein Trost. Nach Informationen des Handelsblatts aus Unternehmenskreisen waren beim Verkauf zuletzt noch zwei Bieter im Rennen: Das Konsortium um den chinesischen LED-Lampen-Spezialisten MLS und ein Finanzinvestor – dem Vernehmen nach könnte es sich dabei um Cerberus gehandelt haben. Auch, wenn Osram die guten Perspektiven pries: Eine Rolle beim Zuschlag dürfte auch gespielt haben, dass die Chinesen laut internen Unterlagen fast dreimal soviel boten wie der Finanzinvestor, nämlich gut 400 Millionen Euro. Ob die Ledvance-Beschäftigten unter einem Finanzinvestor bessere Perspektiven gehabt hätten, wird in Branchenkreisen allerdings bezweifelt. Ein Revival der guten alten Glühbirne hätte wohl kaum ein Käufer hinbekommen.

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