In der Darmstädter Merck-Zentrale entstehen Innovationszentren. Ein neues, buntes, poppiges Logo prangt überall. Stefan Oschmann, der Vorsitzende der Geschäftsführung, redet beständig von Digitalisierung, Datenanalysen, Bits und Bytes. Längst sieht sich Merck als Wissenschafts- und Technologiekonzern – was irgendwie besser klingt als Pharma- und Chemiehersteller. Auch wenn der Konzern nun zum Jubiläum mit einem Festakt am Donnerstag seiner Vergangenheit huldigt – überall wird deutlich: Hier entsteht Zukunft.
Künftig sollen dank ausgefeilter Datenprogramme Informationen über Krankheiten schneller verarbeitet werden – und so dazu beitragen, dass neue Medikamente zügiger auf den Markt kommen. Algorithmen analysieren bereits, wie sich ein Käufer in Mercks Online-Shop für Laborchemikalien verhält – und empfehlen wie bei Amazon weitere Produkte zum Kauf.
Bald sollen Produktion und Vertrieb noch stärker digital verzahnt werden. „Wir wollen unsere Produktionsdaten mit dem Bestellverhalten im Online-Shop verknüpfen“, sagte Spartenchef Udit Batra kürzlich der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ). Merck kooperiert mit dem umstrittenen Datenspezialisten Palantir aus dem Silicon Valley, dem Verbindungen zu der durch den Facebook-Skandal berüchtigten Datenfirma Cambridge Analytica nachgesagt werden. Auch mit Google gibt es Gespräche über mögliche Kooperationen.
Bei einer anderen Zukunftstechnologie, der Genschere Crispr, hat sich Merck bereits eine gute Ausgangsposition geschaffen. Dank Crispr lassen sich schädliche Gensequenzen, etwa bei seltenen Gendefekten, relativ einfach reparieren. Merck hält dazu in sechs Ländern wichtige Patente – wer dort mit der Methode arbeiten will, braucht womöglich eine Lizenz von Merck.
Nicht ganz so verheißungsvoll wie die Zukunft stellt sich aktuell die Gegenwart dar: Bei einem der bisherigen Spitzenprodukte – Flüssigkristallen, die in Smartphones oder Flachbildfernsehern zum Einsatz kommen – sinken die Preise, nachdem chinesische Investoren massiv in das Geschäft investieren. In der Pharma-Sparte von Merck wechselten sich zuletzt Licht und Schatten ab: Bei einem hoffnungsvollen Krebsmedikament erhielt Merck zwar Zulassungen bei kleineren Anwendungen wie etwa einem seltenen Hautkrebs, scheiterte dabei aber zunächst in größeren Indikationen wie Lungen- oder Magenkrebs. Zuletzt brachte Merck mit Mavenclad ein Mittel gegen Multiple Sklerose auf den Markt, das zuvor von den Zulassungsbehörden abgelehnt worden war.
Zum aktuellen Jubiläum erhält übrigens jeder Merck-Mitarbeiter in Deutschland Aktien im Wert von 350 Euro. Allerdings ist der Wert der Papiere gesunken: Vor zwölf Monaten notierten Merck-Aktien noch über 100 Euro, jetzt stehen sie bei etwas über 80 Euro.