Linde AG Fusion mit Praxair im Störfeuer

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Sorgen um den Standort München

Doch nicht nur Kleinaktionäre machen Stimmung gegen den geplanten Zusammenschluss. Störfeuer kommt auch aus der Politik. Mit Stirnrunzeln beobachtet etwa die bayerische Staatsregierung die Fusionspläne bei Linde. Im Wirtschaftsministerium fragt man sich, was am Ende überhaupt vom Linde-Standort München übrig bleibt. „Der Standort München darf nicht geschwächt und Arbeitsplätze müssen erhalten bleiben“, fordert Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner. Operativ führen soll das fusionierte Unternehmen Praxair-Chef Stephen Angel, auch den Finanzvorstand sollen die Amerikaner stellen. Formal soll der neue Konzern zwar zwei operative Sitze haben: München und Danbury in Connecticut, wo Praxair seinen Stammsitz hat. Wo unter solchen Rahmenbedingungen die meisten Kompetenzen gebündelt werden, dürfte allerdings auch klar sein. Bislang zeichnet sich lediglich ab, dass die Personalabteilung in München angesiedelt werden soll.

In kleiner Runde ließ Angel bereits mehrfach durchblicken, das neue Unternehmen werde zwar Linde heißen, werde allerdings „amerikanisch ticken“ und nach „amerikanischen Regeln“ geführt werden. Kritiker des geplanten Deals sprechen denn auch statt eines „Zusammenschlusses unter Gleichen“ von einer Übernahme Lindes durch Praxair. Ob Angel allerdings am Ende wirklich so durchregieren kann, wie er es ankündigt, ist fraglich. Praxair hat kaum Geschäft in Europa und Asien, verfügt außerdem anders als Linde nicht über eine Sparte mit medizinischen Gasen. Operativ, heißt es in Industriekreisen denn auch, werde Angel die Deutschen sicherlich brauchen.

Zu den schärfsten Kritikern der Fusion zählen die Arbeitnehmervertreter bei Linde und die IG Metall. Zuletzt hatte Michael Kipp, Betriebsratschef bei Linde in Pullach, kräftig Front gegen die Fusion gemacht. „Ich erwarte von den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat natürlich eine klare Absage“, so Kipp. Die Mitbestimmung ginge verloren, der Industriegase-Konzern werde künftig im Managementstil der Amerikaner geführt, glaubt er. „Daher lehne ich die geplante Fusion klar ab“, sagt Kipp.

In der Konzernspitze sorgen solche Äußerungen für Irritationen. Im Dezember hatten die Arbeitnehmervertreter den Gesprächen mit Praxair über eine Fusion ausdrücklich zugestimmt und im Gegenzug eine Beschäftigungsgarantie für die Linde-Belegschaft bis zum Jahr 2021 ausgehandelt. Sollte der geplante Zusammenschluss am Ende kippen, wäre die Garantie hinfällig, und das ursprüngliche Sparprogramm, das auch einen Stellenabbau vorsah, griffe wieder.

Dass die Megafusion am Ende wirklich platzt, ist unwahrscheinlich. Die großen Investoren sitzen in den USA und Großbritannien und wollen den Zusammenschluss unbedingt. Und sollte es im Aufsichtsrat tatsächlich zum Showdown kommen und die Arbeitnehmervertreter geschlossen gegen die Fusion stimmen, könnte Reitzle von seinem Doppelstimmrecht Gebrauch machen.

Die weltweit größten Industriegasekonzerne

Manche der Arbeitnehmervertreter setzen aber noch auf ein anderes Szenario. Die Bafin ermittelt zurzeit unter anderem gegen Reitzle wegen des Verdachts auf Insiderhandel. Er soll Linde-Aktien gekauft haben, als bereits über eine mögliche Fusion mit Praxair gesprochen wurde. Sollte die Finanzaufsicht ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen Reitzle eröffnen, spekulieren sie, wäre der Deal mit

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