Linde Die zwei großen Aufgaben des Wolfgang Reitzle

Seite 2/3

Ein Manager mit Fingerspitzengefühl

Reitzle, der seine Karriere in den Siebzigerjahren als Entwickler bei BMW begann, hat eine Charaktereigenschaft, die unter Topmanagern nicht oft anzutreffen ist: Er ist zum einen der harte, manchmal rabiate und entscheidungsstarke Manager, hat aber gleichzeitig extrem feine Antennen, um Stimmungen und Befindlichkeiten zu erspüren.
Egal, mit wem man über Reitzle spricht, es fällt jedes Mal das Wort „sensibel“.

Als er etwa als Linde-Chef vor gut zehn Jahren den britischen Gasekonzern BOC übernehmen wollte, sprach Reitzle von Anfang an von einem Zusammenschluss unter Gleichen: BOC-Chef Tony Isaac sollte sein Gesicht wahren können. Dabei wusste jeder, dass es sich bei dem Deal um eine Übernahme handelte.

Schließlich unterbreitete Reitzle Isaac hinter verschlossenen Türen das sehr niedrige Angebot von 15 Pfund je Aktie. Das Problem: Durch eine Indiskretion wurde die freche Offerte öffentlich. Manche der Banker und Berater, die Reitzle um sich geschart hatte, glaubten, mit öffentlichem Druck würde man den BOC-Chef in die Knie zwingen.

Aber Reitzle erkannte die Gefahr, Isaac könnte öffentlich blamiert dastehen. Bei einer Telefonkonferenz mit allen beteiligten Wirtschaftsprüfern, Bankern und Beratern soll Reitzle getobt haben. „Der hat gedroht, sie alle rauszuschmeißen“, berichtet einer, der dabei war. Schließlich fuhr Reitzle nach London, zu einem Vier-Augen-Gespräch mit Isaac – und tütete den deutsch-britischen Deal zu einem Preis von 16 Pfund pro Aktie ein. So viel Fingerspitzengefühl wird er nun wieder brauchen.

Streit zwischen Büchele und Denoke

Lindes Vorstandschef Büchele und Finanzvorstand Denoke sind zerstritten, und das schon seit Bücheles Amtsantritt vor zwei Jahren. Der Finanzmann Denoke soll damals selbst am Chefsessel bei Linde interessiert gewesen sein, sagen Insider. Als dann im Mai 2014 nicht er, sondern der frühere BASF-Manager Büchele den Job bekam, habe Denoke gekocht und fortan an Bücheles Stuhl gesägt, heißt es intern.

Umsatz und operativer Gewinn der Linde AG weltweit

Im vergangenen Spätherbst – die Geschäftsaussichten für Linde trübten sich merklich ein – habe er sich etwa klar und deutlich für eine Gewinnwarnung ausgesprochen, berichtet ein Insider. Es wäre die zweite innerhalb von zwölf Monaten gewesen. Büchele sei ebenso klar gegen die Warnung gewesen. Es kam zum Streit, am Ende ging die Gewinnwarnung raus.

Es soll ein Putschversuch gewesen sein, die Vorlage dafür kam möglicherweise von Siemens: Im Sommer 2013 gab der damalige Chef Peter Löscher eine Gewinnwarnung aus, ebenfalls die zweite innerhalb weniger Monate, forciert vom damaligen Finanzvorstand. Die Meldung beschleunigte Löschers Karriereende bei Siemens erheblich, hieß es damals in der Branche.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%